7. Dezember
Großfamilienchaos ade
Der Morgen des Heiligen Abends brach mit strahlendem Sonnenschein und viel glitzerndem Schnee auf den Feldern und Wiesen in Ottery St. Catchpole herein. Im Südwesten von England war in der Nacht wieder Neuschnee gefallen und man konnte sich nach mehreren Jahren endlich wieder über weiße Weihnachten freuen. Auch Molly Weasley, die gerade dabei war Frühstück für sich und ihren Mann Arthur zu machen und dabei einen Blick nach draußen in den verschneiten Garten warf, freute sich über die weiße Schneedecke vor der Tür. In Gedanken war sie bei ihren zahlreichen Enkelkindern, die sich heute bestimmt in der noch unberührten Schneepracht vergnügen würden. Sie freute sich schon sehr darauf, ihre große Familie morgen, am ersten Weihnachtstag, zu sehen. Doch der heutige Tag würde ganz ihr und ihrem Mann Arthur gehören. Sie freute sich zwar schon auf den Trubel und das Chaos morgen, aber heute, heute sollte es beschaulich und ruhig zugehen; etwas das nicht ganz so gewöhnlich für die Familie Weasley war. Doch nachdem auch Ginny als jüngstes Kind der Weasleys bereits kurz nach ihrem Schulabschluss ihrer eigenen Wege ging, waren Molly und Arthur alleine. Alleine im Fuchsbau, der immer voller Leben und Krach gewesen war. Oft vermisste Molly das chaotische und laute Leben mit ihren Kindern, aber sie wurde auch nicht jünger und freute sich über die etwas ruhigeren Zeiten in ihrem Leben, die sie gemeinsam mit ihrem Mann verleben durfte. Und mit Arthur hatte sie das große Glück gefunden. Sie lächelte still vor sich hin. Bereits seit mehr als 50 Jahre kannte sie diesen Mann und fast genauso lang liebte sie ihn schon – in zwei Jahren würden sie goldene Hochzeit feiern – für seine ganzen Verrücktheiten. Doch die Jahre waren auch an ihnen nicht spurlos vorbei gegangen, sie wurden auch nicht jünger und mochten es im Alter eher ruhig und beschaulich. Genauso sollte der heutige Tag werden.
Molly hörte Arthur im Bad rumoren, was bedeutete, dass er in wenigen Minuten die Treppe hinunter kommen würde. Das Frühstück, Speck mit Eiern und Toast, war soeben fertig geworden. Nachdem alle Kinder aus dem Haus waren, hatten sie die Küche verändert. Der große rustikale Eichentisch stand sicher verwahrt in der Garage und wurde nur noch herausgeholt, wenn die ganze Familie zu Besuch war; morgen würde einer dieser Tage sein. Inzwischen hatten sie einen kleineren, hellen Mahagonitisch in der Küche stehen, auf dem sie nun das Frühstück liebevoll drapierte. Auch das Chaos aus all den kleinen Alltagsgegenständen, man könnte es auch Krempel nennen, die sich früher im ganzen Haus verstreut hatten, hatte sich etwas gelichtet. Doch ganz verschwunden war es natürlich nicht. Arthur war immer noch begeisterter Sammler von allen teils nützlichen, meist jedoch völlig nutzlosen Gegenständen. Sie standen in allen Ecken und warteten darauf auseinandergenommen, untersucht und repariert zu werden. Molly hatte sich gerade gesetzt und einen Schluck Kaffee genommen, als ihr Mann die Treppe hinunter kam.
Auch nach so langer Zeit konnte sie ein kleines Lächeln nicht unterdrücken, als sie Arthur sah. Sie war das Yin zu seinem Yang, obwohl er im Laufe der Jahre seine Haare verloren und einen kleinen Bauch bekommen hatte. Sie liebte ihn über alles und dies wurde ihr besonders an diesem Tag wieder einmal sehr deutlich. Weihnachten war für sie und auch die anderen Mitglieder der Familie Weasley seit jeher ein besonderer Tag gewesen, an dem man sich an seine Lieben erinnerte und ihnen dies auch besonders zeigte.
Arthur setzte sich auf seinen Stammplatz, den Stuhl direkt neben den Kamin, und schlug erst einmal den Tagespropheten auf. So war es seit Jahren: Ihr Mann las gemütlich die Zeitung – wenn er nicht zur Arbeit musste – und aß selbstvergessen seinen Toast, während Molly nicht still sitzen konnte, tausend kleine Dinge erledigte und ihr Frühstück halb im Stehen aß. Das Frühstück blieb auch nach dem Auszug der Kinder eine der Angelegenheiten die Molly und Arthur jeder für sich erledigten. Doch nach dem Frühstück wollten sie gemeinsam einen langen Spaziergang machen; das Wetter lud förmlich dazu ein. Molly freute sich schon sehr darauf und auch Arthur blickte öfters auf und lächelte seine Frau versonnen an, wenn sich ihre Blicke trafen. Während Molly das Geschirr mit ihrem Zauberstab zum Abwaschen brachte, ging Arthur in den Flur um ihre Mäntel, Schals, Mützen und Schuhe zu holen. Ausstaffiert mit den weasley-typischen, selbst gestrickten Mützen und Schals, dick eingemummelt in ihre Winterjacken gingen Arthur und Molly Hand in Hand den Weg vom Fuchsbau Richtung Dorf. Der Schnee glitzerte auf den Wiesen rechts und links des Weges, Molly konnte einige Gnomen in ihrem Garten hören, die Sonne schickte ihre warmen Strahlen gen Erde und einige Kinder sah man am nah gelegenen Wieselkopf Schlittenfahren. Es war ein rundum gelungener Vorweihnachtstag, ruhig und beschaulich. Molly und Arthur wandelten einige Zeit durch die verschneite Landschaft und unterhielten sich über verschiedene kleine Dinge aus ihrem Alltag; Arthur erzählte von einem Fall bei der Arbeit aus der letzten Woche und Molly sprach über die vielen Weihnachtsgeschenke für die Kinder und Enkelkinder. Doch nach einiger Zeit verschwand die Sonne langsam hinter den aufziehenden Wolken und es wurde zunehmend kälter. Langsam begannen die beiden zu frieren und machten sich auf den Rückweg.
Nach dem langen Spaziergang waren die beiden, als sie zuhause im Fuchsbau ankamen, verfroren und wärmten sich erst mal am Kamin wieder auf, ehe Molly sich ans Mittagessen machte. Da es morgen ein großes Fest mit der ganzen Familie geben sollte und somit das Essen auch etwas Besonderes sein sollte, würde Molly heute nur eine Kleinigkeit für sich und Arthur machen. Außerdem hatte sie noch viele Dinge zu erledigen und wollte sich nicht mit dem Essen aufhalten. Arthur räumte inzwischen die Zimmer auf – das Chaos hatte in letzter Zeit doch mehr Oberhand gewonnen als gedacht – und richtete sie für die Kinder her, die morgen alle kommen würden. Weihnachten sollte wie jedes Jahr mit der ganzen Familie gefeiert werden. Nach einem schnellen Mittagessen, das aus Pfannkuchen mit Pflaumen bestand, erledigten sowohl Molly als auch Arthur die vielen großen und kleinen Dinge, die noch auf der Liste standen und bis morgen erledigten werden mussten. Wie immer hatten sie diese Sachen bis zur letzten Minute heraus gezögert oder waren mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Die Zutaten für das morgige Mittagessen, gefüllten Truthahn mit Kartoffeln und Gemüse sowie Plumpudding als Nachtisch, hatte Molly schon gestern gekauft, sodass sie anfangen konnte, die Kekse für morgen zu backen. Kuchen und andere Leckereien für den Nachmittag würden ihre Schwiegertöchter Hermine, Fleur, Angelina und Audrey sowie ihre Tochter Ginny mitbringen.
Da die Weasleys inzwischen eine noch größere Familie geworden waren, benötigte Molly ein geeignetes Rezept für viele Kekse. Sie hatte sich bereits gestern für Spritzgebäck entschieden, da dies sowohl die Erwachsenen als auch die Kinder gerne aßen. Außerdem konnten ihre Enkelkinder morgen das fertige Spritzgebäck noch mit Schokolade verzieren, wobei sie sicher eine Menge Spaß haben würden. Molly konnte schon ihre lachenden Gesichter und verschmierten Hände vor sich sehen und musste bei diesem Gedanken unwillkürlich lächeln. Den Zettel mit dem Titel „Spritzgebäck“ hatte sie gestern Morgen nach einigem Suchen in ihrem riesigen Stapel von Rezepten im Küchenschrank gefunden. Da der Teig über Nacht ruhen musste, hatte sie bereits gestern den Teig vorbereitet und ihn über Nacht mit einem Tuch abgedeckt. Sie hatte grob überschlagen, welche Mengen sie brauchen würde und sich für die fünffache Menge des eigentlichen Rezepts, also Teig für etwa 1000 Plätzchen, entschieden, damit die Kinder auch einiges an Spritzgebäck mit nach Hause nehmen konnten. Da selbst eine Molly Weasley keine Schüssel für 1000 Kekse hatte, musste sie ihre vorhandenen Schüsseln magisch um eines vergrößern. Sie hatte zunächst 5 kg Mehl abgewogen und dann die Hälfte an Zucker und Butter hinzugefügt. Magisch hatte sie die drei Zutaten miteinander vermengt und 40 Päckchen Vanillezucker und 20 Eier hinzu gegeben. Sie hatte außerdem noch 10 TL Öl und 5 TL Backpulver in den Teig getan. Dann hatte sie alle Zutaten mit den Knetern des Handrührgeräts – natürlich wieder magisch bei der großen Menge – zu einem glatten Teig verarbeitet. Heute konnte sie den Teig dann durch den Fleischwolf drehen. Molly war sehr froh, dass sie kein Muggel war, so konnte sie einfach mit Magie den Teig durch den Fleischwolf mit dem Spritzgebäckaufsatz drehen lassen. Nachdem sie durch den Fleischwolf waren, legten sich die Plätzchen fein säuberlich auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech und warteten auf den Ofen. Während Molly mit den Vorbereitungen und dem Backen selbst beschäftigt war, holte Arthur den großen Tisch aus der Garage und richtet die Zimmer der Kinder ordentlich her. Es würde zwar sehr eng werden, da sich jede Familie ein Zimmer, das ja ursprünglich nur für eine Person gedacht gewesen war, teilen würde, aber für eine Nacht war das für alle Beteiligten in Ordnung. Nachdem alle Betten und Luftmatratzen aufgebaut waren, ging Arthur in die Küche, um seiner Frau zu helfen. Inzwischen war es Abend geworden und draußen war es schon dunkel. Der Kamin im Wohnzimmer knisterte schon fröhlich und Arthur freute sich schon auf einen ruhigen Abend auf der Couch mit seiner Frau. Als er in die Küche kam, war Molly gerade mit den anderen Vorbereitungen – wie Putzen, Saugen und Auffrischen der Weihnachtsdekoration – fertig geworden. Sie schob noch eben das Spritzgebäck in den Ofen, magisch war dieser vergrößert, damit das gesamte Spritzgebäck auf einmal backen konnte, und stellte diesen auf 200 °C (Umluft, bei Ober-/Unterhitze: 220 °C). Die Plätzchen würden jetzt etwa 15 bis 20 Minuten backen, ehe Molly sie aus dem Ofen nehmen würde.
Nachdem seine Frau ihnen Mandarinen, Nüsse und Joghurt aus der Küche geholt hatte, gingen Molly und Arthur gemeinsam ins Wohnzimmer und kuschelten sich aufs Sofa. Glücklich aßen sie die geschälten Mandarinen – Magie sei Dank – und die Nüsse, während das Holz im Kamin langsam hinunter brannte. Der Abend neigte sich seinem Ende zu und Molly und Arthur lächelten sich glücklich an. Nach vielen Jahren gemeinsam verstanden die Beiden sich auch ohne Worte. Sie waren glücklich; glücklich, darüber, dass sie den Anderen gefunden hatten, dass sie die wahre Liebe gefunden hatten, über die gemeinsame Zeit, über ihre wunderbaren Kinder und Enkelkinder. Sie wussten, dass sie wirklich Glück im Leben gehabt hatten und sie freuten sich schon sehr auf den morgigen Tag, Weihnachten mit ihren Liebsten.
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