Tourtagebuch der Schicksalsschwestern: London

War ich froh, als wir heute morgen ganz früh im Hotel, hier in London einchecken konnten. Ich hatte mich so auf ein paar Stunden Schlaf gefreut, da die Nachtbusfahrt für unsere ganz persönliche, kleine, private Feier draufging.
Aber nein, kaum hatte ich meine Sachen auf mein Hotelzimmer gebracht, klopfte auch schon Kirley an meiner Tür und meinte, er und seine Band wollten doch vor dem Konzert am Abend noch etwas von London sehen.
So musste auch ich mich notgedrungen auf den Weg machen.
Also zog ich mich um, um wenigstens halbwegs wie ein Muggel auszusehen, was mir ja noch immer ganz gut gelang, aber den Schicksalsschwestern? Na ja. Eher nicht. Das war mir schon in Bristol aufgefallen, aber ich wollte jetzt auch nichts dazu sagen.
Wir trafen uns also alle in der Hotelhalle und ich hatte recht. Mit der Band würden wir auf jeden Fall auffallen, so wie die angezogen waren. Am schlimmsten war wohl Orsino mit seiner roten Hose, dem pinkfarbenem Hemd und seinen knallbunten Schuhen. Trotzdem entschloss ich mich nichts zu sagen, denn der gestrige Abend in Bristol war ein voller Erfolg. Dieses Konzert – ob sich das wohl hier in London wiederholen lassen würde? Heute Abend hätten wir Gewissheit.

Aber erst mal war Besichtigungstour durch London angesagt. Und was für eine! Ich war so müde, aber ich wollte diese Gelegenheit auch nicht verpassen.
So zogen wir denn los. Wir fuhren bis zu einer Haltestelle in der Nähe vom Big Ben, um uns das berühmte Glockenspiel anzuhören und das Parlament zu besichtigen.
Schon in der Straßenbahn lenkten wir die Aufmerksamkeit von Muggeln auf uns.
Ich hätte wissen müssen, dass noch mehr passiert.
Aber erst mal kamen wir ohne Zwischenfall bis zum Big Ben und unternahmen auch eine kleine Bootstour auf der Themse bis zur Tower Bridge und zurück ohne Zwischenfall.
Tja, aber dann. Beim Buckingham Palace passierte es.
Wie immer in London stehen Unmengen von Touristen vor diesem Gebäude. Und wie immer sind dies überwiegend Muggel. War ja klar, dass wir mit unserer Zusammenstellung der Kleidung früher oder später (eher früher) auffallen würden.
Wir standen vorne, fast direkt vor dem Tor des Palace und ein kleiner Junge stand hinter uns.
Irgendwann sprach er Merton an. „Wie seht ihr denn aus? Warum tragt ihr so komische Klamotten?“
Wie sollten wir denn jetzt reagieren? Wir sagten einfach, es wäre eine Verkleidung und gingen weiter. Wir gingen bis zu dem Platz, wo in einer Viertelstunde dann die Wachablösung stattfinden würde, die wir auf keinen Fall verpassen wollten.

Also suchten wir uns einen guten Platz soweit wie möglich vorne und warteten zusammen mit den anderen Schaulustigen. Plötzlich tauchte der Junge wieder auf, aber diesmal in Begleitung von noch anderen. Eine richtige kleine Gang war das. Sie zeigten mit den Fingern auf uns und lachten laut über unser Aussehen. Nach und nach wurden natürlich auch der Rest der Muggel auf uns aufmerksam und guckten uns schief von der Seite an.
Also beschlossen wir, zu verschwinden. Unauffällig war das eh nicht mehr möglich, also gingen wir schnurstracks Richtung Stadt davon, doch die Jungen kamen hinter uns her.
Tja und dann passierte das, was nicht hätte passieren dürfen. Gideon Crumb, unser Dudelsackspieler, verlor die Geduld. Er drehte sich zu den Jungen um und entfachte ein tragbares Feuer, was er Richtung der Jungen schleuderte. Damit war es dann geschehen. Denn wenn man einmal Pech hat, dann richtig.
In der Nähe stand ein Mann. Auch er war seltsam gekleidet für einen Muggel, aber noch längst nicht so auffällig wie wir.
Jedenfalls löste er sich in dem Moment aus der Erstarrung ,als Gideon das Feuer entfachte. Er löschte es und sprach ein paar Worte mit den Jungen, die sich nach einer Weile verdrückten. Dann kam er zu uns.
Es stellte sich heraus, dass er für das Ministerium arbeitete. Wir mussten ihn begleiten, denn wir hatten das Geheimhaltungsstatut gebrochen.
Ich kann nur eins sagen, es war ein langer Aufenthalt im Ministerium. Wie wir da wieder rausgekommen sind, weiß ich selbst nicht mehr genau. Jedenfalls haben wir es geschafft.
Wir gingen ins Hotel zurück, um zu schlafen, damit wir Abends dann auch das Konzert geben konnten. (Ich natürlich nicht, aber ich würde auch da sein.)

Das Konzert war restlos ausverkauft – und trotz aller Sorgen, die es gab, war es ein genauso großer Erfolg wie das in Bristol.
Die Fans waren begeistert, und die Schwestern mussten doch sage und schreibe zehn Zugaben abliefern, bis sie endlich das Konzert für beendet erklären konnten.

Todmüde machten wir es uns danach im Bus bequem, denn schon am nächsten Tag mussten wir schließlich in Birmingham sein.
Eins haben wir aus dem Vorfall in London gelernt – möglichst nicht mehr auffallen und nie wieder zaubern, damit wir nie wieder einen langen, angstvollen Nachmittag im Ministerium verbringen müssen.

Ihr Reporter Kjell Finley

Bild von: sonnenschein9