Hogwarts geht neue Wege – Schüleraustausch mit Muggelschulen

Hogsmeade. "Ich glaube, ohne diesen Austausch hätte ich nie wirklich verstanden, was meine Schwester in der Zeit, in der wir uns nicht sehen, so macht." Jenny strahlt bei diesen Worte über das ganze Gesicht, was nicht überraschend ist, denn sie hat gerade eine Verwandlung von einer Eule zu einem Opernglas beobachtet. "Wahrscheinlich habe ich nie wirklich geglaubt, dass sie wirklich eine Hexe ist – bis jetzt."

Was Jenny da beschreibt ist ein wahrlicher Pionierweg, den die Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei seit Beginn diesen Schuljahres gegangen ist: Sie bietet Austauschprogramme mit Muggelschulen an.

"Wir wussten von Anfang an, dass wir auf viele Bedenken stoßen würden", erklärt uns Schulleiterin Professor Minerva McGonagall dazu in einem Gespräch. "Aber Hogwarts ist so oft in den Zusammenhang mit Muggelfeindlichkeiten geraten. Erst Gründer Salazar Slytherin und dann Lord Voldemort samt seiner Anhängerschaft. Wir wollten damit ein Zeichen setzen und unsere Offenheit demonstrieren."

Diese Demonstration ist für das Zaubereiministerium in London hingegen mit viel Sicherheitsaufwand verbunden. Nach einem schriftlichen Statement, das uns per Eule erreichte, versichere man aber, dass sich jeder Muggel einem strengen Backgroundcheck unterziehen müsste. Selbstverständlich sei die Wahrung der Geheimhaltung auch weiterhin die oberste Priorität. Man würde, genauso wie alle Länder der Zauberergemeinschaft, strikt daran festhalten, die Zauberwelt vor der Muggelwelt zu verbergen. Aus diesem Grund gebe es also nichts zu befürchten.

Doch wie soll ein Schüleraustausch zwischen Hogwarts und Muggelschulen funktionieren, ohne dabei die Geheimhaltung zu gefährden?

"Natürlich dürfen uns nur Schülerinnen und Schüler besuchen, die aufgrund ihrer Familie ohnehin Kenntnis von der Zaubererwelt haben", erklärt uns Professor McGonagall. "Das sind in den meisten Fällen ältere oder jüngere Geschwister unserer eigenen muggelstämmigen Schülerinnen und Schüler."

Für diese Kinder und Jugendlichen wird der starke Muggelabwehrzauber zum Betreten des Schulgeländes kurzzeitig ausgesetzt. Sobald sie die Ländereien betreten haben, erkennen sie das Schloss in der Pracht, die allen (ehemaligen) Schülerinnen und Schülern eine schöne Erinnerung ist und nicht mehr als eine alte Ruine mit einem Schild, das vor Einsturzgefahr warnt.

Die Muggel-Schülerinnen und -Schüler bleiben bis zu vier Wochen im Schloss und nehmen dort am normalen Schülerleben teil. Das bedeutet, dass sie gemeinsam mit den Hexen und Zauberern ihrer Altersstufe in den Schlafsälen schlafen, in der Großen Halle essen und selbstverständlich den Unterricht besuchen.

"In ein Haus wurde ich aber leider nicht zugeteilt", bemerkt Jenny mit einer leicht traurigen Miene, als sie uns davon erzählt. "Der Sprechende Hut funktionert bei uns Muggeln leider nicht, deswegen hat uns Professor McGonagall ein paar Fragen gestellt, um ungefähr abzuschätzen, in welches Haus wir gekommen wären und hat uns dann dort untergebracht. Ich bin in Hufflepuff." Beim letzten Wort streicht sie stolz über die Schulkleidung des Hauses Hufflepuff, die ihr zugeteilt wurde.

Im Unterricht arbeiten die Muggel-Schülerinnen und -Schüler so gut mit, wie es ihre Fähigkeiten vermögen. "Natürlich besteht der Unterricht in Verwandlung, Verteidigung gegen die dunklen Künste und Zauberkunst leider hauptsächlich aus Zuschauen", erklärt Professor McGonagall. Aber schon in Zaubertränke könnten die Austauschschülerinnen und -schüler mithelfen und in Fächern wie Arithmantik, Alte Runen, Astronomie und Geschichte der Zauberei aktiv mitarbeiten. Besonders beliebt sind vor allem Kräuterkunde und Pflege magischer Geschöpfe. "Es ist einfach unglaublich, ein echtes Einhorn zu sehen. Das hätte ich nie im Leben geglaubt", beschreibt Jenny glücklich.
Der Unterricht in Wahrsagen wurde von der Professorin Trelawney leider nicht für die Muggel-Schülerinnen und -Schüler freigegeben, da sie bezweifelte, dass diese das zweite Gesicht hätten und außerdem seien ihre Räumlichkeiten ohnehin begrenzt. Zu einem Interview stand sie leider nicht zur Verfügung.
Auf eine ganz besondere Art und Weise spannend findet Jenny aber das Fach Muggelkunde. "Es ist spannend, uns Muggel mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ab und zu können wir dabei sogar noch ein paar hilfreiche Infos beisteuern", erklärt sie uns.

"Das ist natürlich im Umkehrschluss ein weiterer, enormer Vorteil", bestätigt uns Professor McGonagall. "Wenn unsere Schüler im Anschluss die Muggelschulen besuchen, verstehen sie die Welt der Muggel viel besser. Und das ist gerade für die Geheimhaltung ja ein enormer Vorteil, denn ein Zauberer, der sich in der Muggelwelt unauffällig verhält, ist eine weniger große Gefahr, als jemand, der mit Spitzhut zum Supermarkt geht und versucht mit Silbersickeln zu zahlen."
Für den Unterricht an den Muggelschulen hatten sich enorm viele Schüler gemeldet, genommen wurden hauptsächlich Schülerinnen und Schüler aus rein magischen Familien, die idealerweise auch ein paar Jahre das Fach Muggelkunde besucht haben. "Bei diesen Schülern sahen wir den Wunsch und Bedarf für die Erfahrungen, die sich aus so einem Austausch ergeben, am größten", bestätigt uns die Schulleiterin.
Auch dabei wird natürlich streng auf die Geheimhaltung geachtet. Hogwarts-Schülerinnen und -Schüler, die auf die Muggelschulen gehen, werden mit einem speziellen Zauber belegt, der es ihnen unmöglich macht, über Zauberei zu sprechen. Zusätzlich wird ihnen angeraten, ihren Zauberstab nicht mit in die Schule zu nehmen. Für andere Muggel sind sie Austauschschüler eines Internates im Norden des Landes. Untergebracht werden die Schülerinnen und Schüler in den Familien der Geschwisterkinder, die zuvor bereits Hogwarts besucht haben und natürlich über die Zaubererwelt in Kenntnis gesetzt sind.

Das Zaubereiministerium begrüßt diese Innovation in der Geschichte von Hogwarts trotz aller Geheimhaltungsbedenken, worauf ausdrücklich in dem Schreiben hingewiesen wird. Trotz aller Maßnahmen und allen Aufwands, der mit dem Austausch einhergeht, ist man sich dort sicher, dass dadurch nachhaltig das Zusammenleben zwischen Muggeln und Zauberern in der heutigen Zeit gestärkt wird. Nicht nur, dass sich Familien durch mehr Verständnis wieder aneinander annähern würden, wo der Besuch von Hogwarts eines Geschwisterkinds früher oft zu Entfremdung geführt hat; nein, man sehe auch eine Chance, dass Zauberer und Hexen in Zukunft von den Muggelerfindungen der letzten Jahrzehnte profitieren könnten, wenn sie diese – wie die Muggelwelt an sich – verstehen würden.

Ist die Pionierarbeit der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei am Ende also der erste Schritt zu einer engeren Verzahnung von Muggelwelt und Zaubererwelt, in der Muggel und Zauberer am Ende sogar Hand in Hand leben und arbeiten können?