Geschichte - Hilfe für Paule

[SIZE=25]Hilfe für Paule[/SIZE]

Ganz in Gedanken verloren ging Peter, ein stämmiger achtjähriger, blonder, selbstbewusster Junge, nach Hause. Er war bei seinem besten Freund Daniel zu Besuch gewesen. Auf einmal hörte er vor sich einen Mann laut fluchen. Peter sah auf und konnte gerade noch sehen, wie der Milchmann sein altes Pferd Paule mit der Reitgerte zweimal schlug. In Peter stieg die Wut hoch. "Lassen Sie das", rief er ganz laut und empört. "Was hat Paule denn getan, dass Sie ihn schlagen. Tiere schlägt man nicht." "Ach halt dich da raus, du halbe Portion", wetterte der Milchmann, der auf den Namen Unterhuber hörte. "Du hast ja keine Ahnung, was ich mit diesem alten Klepper Tag für Tag mitmachen muss. Aber jetzt ist Schluss. Ich kaufe mir einen Traktor und der Gaul kommt zum Abdecker." "Zum A-Abdecker", stotterte Peter "aber das können Sie doch nicht machen." "Wieso nicht?" fragte Herr Unterhuber. "Paule gehört mir und ich kann mit ihm machen, was ich will. Oder willst du ihn mir vielleicht abkaufen? Ich mache dir einen Vorschlag. Du bringst mir in drei Tagen 500 Euro und die Einverständniserklärung deiner Eltern und Paule gehört dir." Nachdem sich Peter vergewissert hatte, dass Herr Unterhuber es tatsächlich ernst meinte mit seinem Angebot, rannte er so schnell er konnte, nach Hause. Er war überzeugt, dass seine Eltern sofort einverstanden sein würden, da auch sie sehr tierlieb waren. Doch in der heimischen Wohnung angekommen, erwartete ihn eine Enttäuschung. Wohl hörten sich seine Eltern sehr mitfühlend und geduldig die Geschichte über Paules Schicksal an. Aber helfen konnten sie auch nicht. "Sieh mal Peter", sagte der Vater. "Es ist ja nicht allein mit den 500 Euro getan. Wir müssten für Paule einen Stall finden, für den wir Miete zahlen müssten, wir müssen sein Futter bezahlen und wenn er mal krank ist, dann braucht er einen Tierarzt. Das alles kostet mehr Geld, als wir haben. Es tut mir wirklich leid um das brave Tier, aber wir können ihm nicht helfen." Peter sah die Argumente seines Vaters wohl ein, aber er war sehr enttäuscht, als er zu Bett ging. Er grübelte und grübelte, wie er Paule doch noch helfen könnte. Da hatte er plötzlich eine Idee. Was wäre denn, wenn die Eltern aller seiner Klassenkameraden sich zusammentun würden? Alle zusammen würden sie sicherlich das Geld aufbringen, das man für Paule bräuchte. Mit diesem Gedanken schlief er endlich ein. Am nächsten Tag war er zur Verwunderung seiner Mutter bereits wach, bevor sie ihn weckte. Peter schlang sein Frühstück hinunter. Er konnte es kaum abwarten, in die Schule zu kommen. Er verabschiedete sich mit einem flüchtigen Kuss von seiner Mutter und rannte los. Seine Mutter sah ihm kopfschüttelnd nach. In der Schule suchte Peter zunächst seinen besten Freund Daniel und erzählte ihm von Paule und seiner Idee. Daniel war sofort Feuer und Flamme. "Klar, das machen wir, wir reden sofort mit den anderen", sagte er. Als sie in die Klasse kamen, waren ihre Klassenkameraden alle schon dort. Peter stellte sich auf das Lehrerpult und rief: "Hört mal alle her, ich hab euch was zu sagen." Alle schauten ihn erwartungsvoll an. Er erzählte auch seinen Klassenkameraden Paules Geschichte und seine Idee. Als er fertig war, war es sekundenlang totenstill in der Klasse, dann sprachen alle durcheinander. "Super Idee", "Da mach ich mit", "Ist ja spitze" ertönte es Peter entgegen. Und alle Schüler setzten sich zusammen und schmiedeten Pläne. Keiner bemerkte, dass ihre Lehrerin, Frau Spitz, mittlerweile die Klasse betreten hatte. Sie rief: "Was ist denn hier los? Ihr schwirrt ja hier rum wie die Bienen." Peter und Daniel sahen sich an und überlegten, ob sie ihre Lehrerin einweihen sollten. Dann fing Daniel an zu reden: "Wir wollen ein Pferd retten, damit es nicht zum Abdecker muss." Frau Spitz schaute ihn fragend an und Peter erzählte zum dritten Mal an diesem Morgen von Paule und seinem Schicksal. "Tja, und da unsere Eltern alleine nicht genug Geld aufbringen können, wollten wir uns alle zusammentun", schloss er seine Erzählung. "Die Idee ist super", sagte Frau Spitz. "Mir kommt da auch gerade ein Einfall. Vielleicht kann ich euch ein wenig helfen. Ich werde euch nach der Pause Bescheid sagen. Aber jetzt müssen wir noch ein bisschen lernen." Nach der Pause kam Frau Spitz wieder zurück in ihre Klasse und meinte zu den Schülern: "Bleibt bitte nach der vierten Stunde noch ein wenig hier. Unser Direktor möchte mit euch sprechen." Danach ging es im Unterricht weiter. Nach der vierten Stunde kam dann tatsächlich der Direktor der Grundschule in ihre Klasse und erklärte: "Frau Spitz hat mir von eurem Einsatz für das alte Pferd erzählt. Ich finde eure Idee und euer Engagement klasse und möchte euch helfen. Ich habe mich mit den Direktoren der beiden anderen Schulen (Erläuterung: zu dem Komplex der Grundschule gehören auch noch eine Hauptschule und ein Gymnasium) in Verbindung gesetzt und diese sind auch einverstanden. Wir werden morgen in der Aula eine Versammlung aller Klassensprecher der drei Schulen abhalten und ihnen erklären, worum es geht. Wenn jeder Schüler im Monat einen Euro von seinem Taschengeld abgibt, dann kann man damit den Unterhalt für Paule finanzieren. Ihr kennt doch die Wiese im hinteren Teil unseres Schulgrundstücks? Für diese Wiese hatten wir bisher nie eine Verwendung. Wenn wir sie einzäunen und dort einen Stall aufbauen, dann wäre das ein schöner Platz für euren Paule. Was haltet ihr davon?" [align=right] [/align] Peter sprang sofort auf, nachdem der Direktor geendet hatte und rief: "Das wäre einfach super. Paule würde dann den Schulen gehören. Das wäre spitze." "Schön", meinte der Direktor. "Da ihr einverstanden seid, werde ich jetzt mal mit Herrn Unterhuber reden, damit er uns noch ein paar Tage mehr Zeit gibt." Mit diesen Worten verließ der Direktor das Klassenzimmer. Zu Hause erzählte Peter sofort seinen Eltern von dem Plan des Direktors und die beiden freuten sich sehr. "Den Euro im Monat musst du nicht von deinem Taschengeld bezahlen. Den bekommst du von uns", sagten sie. Darüber freute sich Peter natürlich. In den nächsten Tagen wurde viel geredet und geplant. Schließlich war alles geregelt. Der Werkkurs der Hauptschule machte sich daran, die Wiese einzuzäunen und einen Stall zu bauen. Nach einer Woche konnte Paule in sein neues Zuhause ziehen. Damit nicht immer alle Schüler jeden Tag an der Koppel standen und Paule nicht zur Ruhe kommen konnte, hatten die Direktoren mit den Schülern eine Regel vereinbart. Jede Woche war eine andere Klasse mit der Pflege von Paule beauftragt und nur die Schüler dieser Klasse durften in der Woche zu Paule. So wurde niemand benachteiligt und Paule wurde nicht durch zu viele Menschen gestört. Unter der guten Pflege durch die Schüler gedieh Paule prächtig. Manchmal konnten die Schüler sogar auf ihm reiten. Aber nur, wenn kein Lehrer es bemerkte. Damit Paule sich nicht zu einsam fühlt, wurden durch die Schulen im Laufe der Zeit noch mehr Tiere angeschafft, die sonst niemand mehr haben wollte. Wenn ihr jetzt mal an der Wiese bei der Schule vorbeigeht, seht ihr dort zwei Schafe, eine Ziege, eine Milchkuh und drei Hühner und im Mittelpunkt dieser kleinen Tierschar steht Paule, das alte Milchwagenpferd.