Über den Dächern von Berlin - ...
Noch immer liege ich mit Gips im Krankenhaus und verstehe die Welt nicht mehr. Auch meine Familie zweifelt wohl so langsam an meinem Verstand. Aber ich bin mir ganz sicher, oder eigentlich auch nicht, das ich die Ereignisse der letzten Stunden nicht geträumt habe, oder würde ich sonst hier im Gipsbett liegen? Alles begann mit der Idee, mir für ein Harry-Potter-Fantreffen einen Hexenbesen kaufen zu wollen. Das weiß ich ganz genau! Ich ging auf den Markt auf dem Platz vor der Stadtteilapotheke und schaute bei den fliegenden Händlern nach dem richtigen „Hexenbesen“. Erst war nicht so das Richtige zu finden, denn nur Obst-, Gemüse-, Fisch-, Fleisch-, Gebäck- und Käsestände reihten sich aneinander. Doch dann entdeckte ich in der letzten Reihe einen Stand mit schönen Korbwaren und einigem Trödel. Freudig machte ich mich an die Sichtung der ausgestellten Ware. Ein schöner großer Korb fiel mir gleich ins Auge, den könnte ich doch gut zum Einkaufen und Kräuter sammeln verwenden. Ich liebe es, Bärlauch am See zu rupfen. Genau, der Korb steht doch hier neben meinem Bett, also kann das doch gar kein Traum gewesen sein. Aber, wie ging es denn nun weiter? Hmm, mal überlegen. Ach ja, als ich gerade bezahlen wollte, da sah ich in der Ecke an den Balken vom Stand gelehnt den Reisigbesen stehen. Ich fragte, was der denn kosten soll. Weil der Preis in Ordnung war, habe ich beides gekauft. Da ich ja nicht weit vom See entfernt war, schaute ich gleich mal nach, wie weit der Bärlauch denn so ist. Tatsächlich, man konnte ihn schon ernten. Das gibt einen Schmaus, dachte ich noch bevor ich mit dem Rupfen und Prüfen der einzelnen Stängel begann. Ja, es ist ganz wichtig, jeden einzelnen Stiel kurz anzulecken, weil auch Krokusse und Herbstzeitlose dazwischen wachsen. Sicher ist sicher, sagt meine Großmutter immer und manchmal sollte man wirklich auf die Älteren hören. Aber nun weiter mit meinen Überlegungen. Wie bin ich denn jetzt bloß auf die große Eiche gekommen, von der ich dann abgestürzt bin? Ach, jetzt fällt es mir wieder ein. Weil der Korb nun doch langsam recht schwer wurde, kam mir der Gedanke, wie praktisch es doch wäre, wenn man mit dem Besen in echt fliegen könnte. Weil ich gerade so in „Kräuterhexenstimmung“ war, setzte ich mich einfach auf den Besen und rief wie in den Harry-Potter-Büchern „Auf!“ und beugte mich dann nach vorne. Plötzlich schoss der Besen vor und nach oben in die Luft. Mir wurde angst und bange, denn vor Schreck wusste ich nicht, wie ich landen sollte. Der Besen trudelte durch die Gegend und ich versuchte, mich krampfhaft daran festzuhalten. Das ist gar nicht so einfach, vor allem, wenn man noch einen Korb in der Hand hat. Glücklicherweise geschah dies ja im Waldstück am See, da stehen viele alte Bäume und einen davon versuchte ich anzusteuern, auch wenn ich nicht recht weiß, wie ich das schlussendlich hinbekommen habe. Aber Tatsache ist, ich hing dann irgendwie in den Zweigen der alten Eiche, denn durch mein Geschrei aufgeschreckt kamen allerlei Leute angelaufen und versuchten, mich zu beruhigen. Erst verstand ich nicht, was sie genau von mir wollten, aber dann sah ich, dass ich mit den Zweigen über dem See hing. Nein, auf ein kaltes Bad hatte ich nun wirklich keine Lust. Deshalb warf ich den Korb und den Besen schräg nach unten und versuchte dann, von Ast zu Ast zu klettern, bis ich auf der Landseite nach unten gelangen konnte. Soweit jedenfalls die Theorie, dummerweise gab es einen toten Ast dazwischen, was ich leider erst bemerkte, als er unter mir wegbrach. Der Rest der Ereignisse ist in meiner Erinnerung sehr verschwommen, muss wohl am Sturz gelegen haben. Ich habe ja auch eine echt große Beule am Kopf und mir einige Knochen gebrochen. Die Zuschauer haben wohl einen Krankenwagen gerufen und dann wurde ich ins Krankenhaus gebracht. Nun liege ich hier und frage mich, ob meine Schwester recht hat, wenn sie sagt, ich bilde mir das mit dem Besen nur ein. Ich weiß ja auch nicht, wo der Besen geblieben ist. Nach Aussage der Krankenschwestern wurde kein Besen mit dem Krankenwagen mitgeliefert, nur der Korb. Meine Familie und der Arzt haben mich schon ein paar Mal gefragt, was ich eigentlich dort auf dem Baum wollte. Ehrlich, ich habe keine Ahnung! Vielleicht sollte ich mal versuchen, etwas in meinem mir freundlicherweise von meiner Schwester mitgebrachten Harry-Potter-Buch weiterzulesen. Wo war ich gerade? Ach ja, da wo Neville versucht zu fliegen. Mist, war das doch alles nur Einbildung? Vielleicht ruhe ich mich doch etwas aus, denn mein Kopf schmerzt noch arg. Was kann ich denn jetzt als Lesezeichen nehmen? Natürlich, den Kassenzettel, den bekommt man ja jetzt überall aufgehalst, ob man will oder nicht. Moment mal, da steht es ja drauf: 1 Korb und 1 Besen!?