Hexenkessel, Slytherin -

Umgang mit einer Katastrophe Neville stand am Bahnhof; seine Freundin Sophie hielt seine Hand fest und drückte sie beruhigend. Neville war wie jedes Jahr sehr aufgeregt. Darin übertraf er sogar seine Kinder. Interessanterweise waren sie, Neville und Sophie, Schüler eines Jahrgangs gewesen und hatten sich doch nie beachtet. Doch am 3. Mai 1998 sahen sie sich bewusst, als sie durch Hogsmeade tanzten und das Ende von Lord Voldemorts Herrschaft feierten. Im Taumel der Emotionen waren sie sich um den Hals gefallen und hatten sich geküsst. Im Februar des folgenden Jahres waren beide Eltern eines sehr kleinen Sohnes, den sie Frank nannten. Im stillen Einverständnis der jungen Leute wurde keine Hochzeit gefeiert, denn ein Kind war niemals eine Erfolgsgarantie für eine Ehe. Das hatte Nevilles Großmutter sehr gestört, denn sie liebte ihr Urenkelkind sehr, das nicht den Nachnamen Longbottom, sondern Roper trug. In den folgenden Jahren wuchs die Familie sehr stark an – fast schien es, als wollten Neville und Sophie dem Ruf der Weasleys kinderreich zu sein, Konkurrenz machen. 2006 wurde ihr siebtes Kind, das den Namen Hannah bekommen hatte, geboren und sollte nun in Hogwarts eingeschult werde. Hannah war gar nicht aufgeregt – sie kannte den Schulalltag, wie sie meinte, aus dem Effeff aus den Erzählungen ihrer älteren Geschwister. Sie wollte endlich über den See fahren und wissen, in welches Haus sie kommen würde. So viel sie auch wusste, ihre Hauszugehörigkeit würde bis zum Abend ein Geheimnis bleiben. Neville wandte sich an Sarah, seine Zweitgeborene und ermahnte sie zum 33. Mal, auf seine kleine Schwester aufzupassen. Sarah verdrehte die Augen: Das hörte sie zu oft! Lieber umarmte sie seine Mutter, winkte ihrem Vater zu, und hatte für ihre Geschwister jeweils einen Knuff übrig, bevor sie mit langen Schritten den Zug entlanglief und im hinteren Teil in einem Waggon verschwand. Seufzend machte sich Neville daran, die zahlreichen Koffer in die Waggons zu hieven, die seine Kinder ihm zuriefen, weil sie unbedingt bei ihren Freunden sitzen wollten. Da Frank, Sarah, Tim, Mike, Alice und Alexa in drei von vier Hogwartshäusern gelandet waren, hatte einige Eigenheiten über Hufflepuff und Ravenclaw kennengelernt, die ihm in seiner eigenen Schulklasse verständlicherweise unbekannt gewesen war. Sophie Roper betrachtete ihren Freund liebevoll. Sie wusste, was in ihm vorging. Das lag nicht an den 19 Jahren, die seit ihrem ersten Kennenlernen vergangen waren, sondern weil sie ihren Partner aufrichtig liebte. Sie und Neville würden sich heute trennen, denn Neville musste nach Hogwarts, um dort als Lehrer zu unterrichten. Sie würde mit den jüngeren Kindern nach Hause zurückkehren und auf das erste Wochenende warten, an dem Neville nach Hause apparieren konnte. Sie freute sich schon jetzt auf diese Zeit, denn vor Schuljahresende war es Neville nicht möglich, an den Wochenenden mit ihr und den Kindern Zeit zu verbringen. Sie beugte sich zu Hannah herunter, die sich ein letztes Mal an sie kuschelte. Ein letztes Mal zog die Mutter den ihr so vertrauten Geruch ein. Hannah flüsterte: „Was muss ich tun, um im nächsten Jahr die weiße Katze aus der Winkelgasse zu bekommen?“ Ihre Mutter seufzte. Sophie hatte eine hochgradige Allergie gegen Katzen – ein Grund, ihren Kindern allesamt Eulen zur Einschulung zu schenken. „Du bekommst eine Katze, wenn du sie in Hogwarts lässt. Sie darf nie nach Hause kommen, weil ich sonst Gefahr laufe, keine Luft zu bekommen.“ Hannah war schon ein Gedanke weiter. „Es tritt aber gewaltig!“, stellte sie fest, weil sie ihren Kopf gegen den Bauch der Mutter gelehnt hatte. „Wir dürfen es als erste sehen?“ „Selbstverständlich. So wie bei deinen Geschwistern auch.“ In diesem Moment kam Hannah Abott zu der Großfamilie, um die es erstaunlich leise, aber dennoch wuselig war. Natürlich kannte Hannah die Namen aller Kinder, die sie als erste begrüßte. Dann umarmte sie Sophie. „Wie schaffst du es nur, so ausgeruht aussehen?“, war ihre ernstgemeinte Frage an die Vielfachmutter. „Indem ich täglich mindestens 8 Stunden schlafe.“, entgegnete Sophie. Hannah umarmte ihr Patenkind. „Na, freust du dich, dass es für dich auch endlich losgeht?“ „Klar – und ich will nach Slytherin.“ Mit einem spitzbübigen Lächeln wartete die Elfjährige die Reaktion der Erwachsenen ab. Seit fast 20 Jahren war es fast wie ein Fluch, den Namen Slytherin auch nur zu erwähnen. Kaum Schüler wurden nach Slytherin gewählt – in jedem Jahrgang waren es höchstens sieben Kinder. Seit 1998 mussten die Schüler nach einem komplizierten Schlüssel aufgeteilt werden, denn in Ravenclaw, Hufflepuff und Gryffindor wurden dementsprechend mehr Schüler eingeteilt. So wurde verhindert, dass die Unterrichtsräume aus allen Nähten platzten, denn die Aufteilung von jeweils zwei Häusern war nicht mehr möglich. Hannah hatte das gewusst und hatte bis zum Gleis, kurz vor der Abfahrt, mit diesem Schocker gewartet. Und wirklich verstummten ihre jüngeren Geschwister, Hannah Abott atmete tief und laut ein, Neville wurde erkennbar blass und ließ einen Vogelbauer fallen. Hughug, Mikes Eule kreischte lautstark über diese unsanfte Behandlung. Da beugte sich ihre Mutter zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr: „Dann ist mir endlich eine Tochter ähnlicher als Neville. Ich gab euch scheinbar nur den Nachnamen, weil ihr so viel vom Aussehen und Charakter der Lonbottoms habt. Solltest du nach Slytherin kommen, wärst du in meinem Hogwartshaus und ich wäre ebenso stolz auf dich, wie auf alle meine Kinder.“ Hannah lachte befreit auf. Ihr war bislang nicht aufgefallen, dass das Schulhaus ihrer Mutter kein Thema gewesen war. Hannah spürte, dass Slytherin keine Katastrophe war und die Welt nicht untergehen würde. Hannah Abott hörte staunend, wie Sophie zu Neville sagte: „Sollte Hannah nach Slytherin kommen, heirate ich dich, damit wenigstens eines unserer Kinder den Namen Longbottom bekommt und du deiner Großmutter die größte Freude ihres Lebens machst.“ „Ist das ein Heiratsantrag?“, stotterte Neville. Er ignorierte die umstehenden Personen, die natürlich nicht zugehört und trotzdem alles mitbekommen hatten. Dann atmete er tief ein, fast sich sichtbar und gab seiner Freundin einen langen Kuss und sagte „Ja“. Die Roper-Kinder applaudierten – da pfiff die Lok mahnend. Erschrocken schoben Sophie und Neville ihre älteren Kinder, die nicht schon vor gefühlten Stunden verschwunden waren, in die nächste Zugabteiltür. Neville konnte es nicht lassen, Hannah zuzuraunen, dass sie bloss nach Slytherin kommen sollte, er wolle endlich ein Ehemann werden. Dann versammelten die Frischverlobten mit Hannahs Hilfe die kleineren Kinder um sich, um den Bahnhof zu verlassen.