Ainee Graves, Ravenclaw - 4. Platz

Vorsichtig klopfte Ron an die Türe. „George? George, bist du da?“ Nachdem keine Antwort ertönt war, öffnete er selbst die Wohnungstüre. Sofort kam ihm ein ekelhafter Gestank entgegen, anscheinend war seit Tagen nicht mehr gelüftet worden. Ron arbeitete sich durch mindestens ein dutzend Feuerwhiskeyflaschen und anderen Müll bis er schließlich vor seinem älteren Bruder stand. George rotes Haar war von noch mehr grauen Strähnen durchzogen als bei seinem letzten Besuch, in der Hand hielt er eine Flasche Feuerwhiskey. „George“, sagte Ron streng. „Heute ist Harrys Geburtstag und so kannst du dort nicht aufkreuzen.“ Doch sein Bruder gab nur ein Knurren von sich und blickte starr an die Wand. Ron warf einen Blick darauf und erschrak, wie jedes Mal, wenn er bei George war und ihm auf hunderten von Bildern die lachenden Zwillinge zu zwinkerten. Er seufzte. Fred. Seit dem Tod seines älteren Bruders hatte sich eine Menge verändert. Für die ganze Familie war es nicht leicht gewesen, aber für George war es am schlimmsten. Er lebte nun fast sein halbes Leben ohne seinen Zwillingsbruder und war immer noch nicht über den Verlust Freds hinweg. Den Laden hatte George nach wenigen Jahren wegen seiner Alkoholabhängigkeit in den Ruin getrieben. Zum Glück hatte er sich genug Geld zur Seite gelegt, um nun noch davon leben zu können. „Nun“, erklärte Ron mit fester Stimme, denn das letzte was er jetzt wollte, war, an die schlimmsten Jahre seines Lebens zurück zu denken. „Mach dich frisch, ziehe dir einen ordentlichen Umhang an und los geht’s!“ Mit viel Überzeugungskunst konnte Ron schließlich seinen Bruder dazu überreden, sodass sie bereit zum disapparieren waren. Da sagte George endlich den ersten vollständigen Satz seit Rons Ankunft: „Wieso kommst du eigentlich nicht mit Hermine zusammen?“ „Ja, du weißt schon...“, druckste Ron herum, „wir haben im Moment ziemlich viele Streitereien wegen Emma. Hermine meinte, wir sollen noch warten und sie entsprechend fördern, damit ihre magischen Fähigkeiten sich noch entwickeln können. Das ist natürlich völliger Unsinn, das müsste sie eigentlich selbst wissen, sie will es sich bloß nicht eingestehen. Ich finde, wir sollten einfach akzeptieren, dass sie ein Squib ist und anfangen sie in die Muggelwelt zu integrieren. Hermine hat ja schließlich genug Kontakte...“ „Ist schon nicht leicht.“ „Ja“, murmelte Ron, „aber lass uns jetzt disapparieren.“ Sie landeten mit einem lauten „plop“ vor Harrys Haus. „Alles okay?“ Ron fragte aus Erfahrung, denn wenn Alkohol im Spiel war, konnte beim Apparieren schnell etwas schief gehen. Er selbst hatte einmal nach einer Party ins Hogsmeade vor vielen Jahren seine rechte kleine Zehe eingebüßt. George sah an sich herunter. „Ja. Obwohl... Ich glaube mein linkes Ohr fehlt!“ Ron sah ihn für ein paar Bruchteile von Sekunden erschrocken an, bis er realisierte, dass dieses Körperteil seinem Bruder schon seit zwanzig Jahren fehlte. Er lachte laut auf, lauter als der Witz lustig gewesen war, aber Ron genoss diese Momente so sehr, wenn ein Stück des alten Georges wieder zum Vorschein kam. Auch, wenn es nur für eine Minute war. Luna öffnete mit einem strahlenden Lächeln die Türe. „Willkommen! Wir feiern im Garten, kommt herein!“ Ganz die perfekte Ehefrau, dachte Ron. Okay, die Kette an der Miniaturalraunen baumelten (Neville würde sie bestimmt gefallen!) war etwas gewöhnungsbedürftig, ebenso wie das Kleid, auf dem sich vierzehn Quidditchspieler ein spannendes Spiel lieferten, doch trotzdem waren sie und Harry seit fünfzehn Jahren das beliebteste Paar der Zauberwelt. Luna hatte sich als Klitterer – Herausgeberin, der nun eine der renommiertesten Zeitschriften des Landes war, mit ihrer schrulligen, liebenswürdigen Art und ihrem ganz eigenen Charme in das Herz jeder Hexe und jedes Zauberers gezaubert und Harry – nun, bei ihm lag es auf dem Zauberstab. Natürlich waren auch Ron selbst und Hermine immer noch oft in den Medien zu finden, doch das waren eher selten positive Schlagzeilen. Wie zur Bestätigung sah Ron auf dem Weg zum Garten die Hexenwoche im Wohnzimmer der Potters liegen. Luna würde es nie zugeben, dass sie diese Zeitschrift las, geschweige denn kaufte, doch anscheinend tat sie es doch. Er warf nur einen Blick darauf, doch dieser war genug. Auf der Titelseite waren Harrys und Lunas lachende Gesichter abgebildet. Die Potters – das Geheimnis unserer glücklichen Ehe stand in Großbuchstaben darüber. Als weitere Themen wurden angekündigt: Die Chudley Cannons – Wann wird es wieder nach oben gehen?, Ron+Hermine: Was ist los mit Emma? Wird ihre Familie daran zerbrechen? und 10 Tricks für den sexy Hexenbody. „Ignoriere es einfach“, hörte Ron auf einmal leise Hermines Stimme hinter sich. Erfreut sie zu sehen, gab er ihr einen flüchtigen Begrüßungskuss, dann fuhr sie fort: „Und das mit Emma wird schon noch, in ihr schlummert noch mehr als man denkt.“ „Hm“, murmelte Ron nur, denn er hatte keine Lust auf einen weiteren Streit. Nicht hier. Nicht jetzt. Luna führte sie in den großen, geschickt angelegten Garten. Auf einer der Terrassen war ein großer Tisch aufgebaut, an dem schon die meisten Gäste saßen. Die Kinder Emma Weasley und Harrys und Lunas Kinder, Xenophillius und Cleopha, spielten in Sichtweite. Sofort stand Harry auf und kam auf sie zu. „Hallo Ron“, meinte er fröhlich und gab seinem besten Freund einen Klaps auf die Schulter. „Ich freue mich, dich endlich wieder zu sehen!“ „Ich mich auch“, erwiderte Ron, was jedoch nur zur Hälfte stimmte. Natürlich war Harry immer noch sein bester Freund, sie hatten eine Menge zusammen durchgestanden, doch in letzter Zeit fühlte er sich in Harrys Gegenwart immer unwohler. Harry wurde nach dem Sieg über Voldemort als Held gefeiert und sein Leben mit Luna war einfach perfekt. Zwar hatte er Ron einmal anvertraut, dass ihn Jahre nach der Schlacht noch Albträume plagten, doch selbst diese waren nun schon lange vorbei. Ron schämte sich, dass er eifersüchtig auf seinen besten Freund war, doch er hatte schließlich alles, was er selbst nicht hatte: Keine Streitereien mit Hermine, zwei perfekte magisch hochbegabte Kinder, ein riesiges Haus in Godric´s Hollow, Ruhm in der gesamten Zauberwelt und er musste sich nicht jeden Tag aufs Neue in seinem Beruf beweisen. „Dein Geschenk“, meinte Hermine lächelnd und durchbrach somit die peinliche Stille und Rons Gedanken. „Nur eine Kleinigkeit, nicht großes, als Erinnerung an alte Zeiten...“ Harry packte das Geschenk aus. Das Buch „Quidditch heute – Die modernen Varianten unseres Lieblingssports“ kam zum Vorschein. „Ich dachte, es wäre vielleicht ganz nett“, fügte sie hinzu, „so als kleine Erinnerung an alte Zeiten. Vielleicht erinnerst du dich, an deinem dreizehnten Geburtstag habe ich dir auch ein Quidditchbuch geschenkt.“ „Ja klar! Vielen Dank, aber...“ Beschämt blickte Harry auf den Geschenktisch, wo schon die gleiche Ausgabe des Buchs lag. „Ginny... Ihr wisst schon sie hat Kontakte in der Abteilung für magische Spiele und Sportarten. Sie hat es vom Autor signieren lassen...“ Wenig später aßen dann alle in versammelter Runde, nur Hagrid fehlte noch. Luna hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Zugegebenermaßen, die Gerichte waren teilweise sehr exotisch, doch sie schmeckten himmlisch. „Wie schaffst du das nur immer?“, fragte Hermine bewundernd, doch etwas Neid schwang auch in ihrer Stimme mit. Sie selbst war keine sonderlich begabte Köchin. Ron bemerkte, dass nicht nur seine Frau Luna etwas neidisch ansah, auch Ginny hatte den Blick auf Luna ruhen, um wenig später sehnsuchtsvoll in Harrys Richtung zu blicken. Sie sah wirklich sehr hübsch aus an diesem Abend, sie trug ein weißes elegantes Kleid, das ihre roten Haare gut zur Geltung brachte. Alles nur wegen Harry? „Ich glaube, sie hat immer noch Gefühle für Harry“, flüsterte Hermine auch just in diesem Moment Ron zu. Dieser nickte. „Und ich dachte, sie könnte endlich mit Dean glücklich sein...“ Auf einmal gab es ein lautes Poltern, der Garten wurde von etwas sehr schwerem erschüttert. Alle drehten sich erschrocken an, bis sie Hagrid auf seinem Motorrad erblickten, der gerade eben im Garten der Potters gelandet war. „Tschuldigung, dass ich so spät komme. Aber hatte noch was zu tun, mit einem Drachenbaby, das soeben geschlüpft ist. Charlie kann deshalb leider nicht kommen, er hofft, du nimmst es ihm nicht allzu übel, Harry. Aber ich habe noch ein Geschenk für dich.“ Der Halbriese überreichte Harry einen Umschlag. „Eine Einladung in euer Schutzgebiet für Drachen in Schottland“, stellte Harry erstaunt fest. „Wahnsinn! Vielen Dank, Hagrid, das wird bestimmt spannend!“ So ließ sich auf Hagrid in der Runde auf einem magisch vergrößerten Stuhl nieder. „Nun erzähle doch mal“, meinte Luna gespannt. „Ja, im Moment läuft es ganz gut. Die Drachen sind wirklich süß, so liebe Tiere! Und wir haben sogar ein paar Besucher, anscheinend interessieren sich doch ein paar Leute für unser Projekt.“ „Das klingt toll, Hagrid“, lächelte Luna und umarmte den Halbriesen. Hermine warf Ron nur einen Muss-sie-sich-bei-allen-einschleimen-Blick zu, worauf er leise antwortete: „So ist Luna eben, so war sie schon immer. Sie ist einfach nett.“ Seine Frau verdrehte nur die Augen. Sie und Luna würden wohl nie gute Freunde werden, dafür waren sie zu unterschiedlich. „Nun, Neville“, wandte sie sich zu ihrem Schulfreund, der gegenüber saß. „Wie läuft es bei dir?“ „Gut, sehr gut, danke der Nachfrage. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Wir beobachten erstaunliche Ergebnisse bei den Patienten. Natürlich, sie werden wohl nie ganz geheilt werden, der Cruciatus-Fluch hat bei allen seine Spuren hinterlassen, aber mit speziellen Therapien können viele schon Fortschritte verzeichnen. Ich glaube, Pflanzen sind ein wichtiger Aspekt in der Heilung, der bis jetzt zu wenig erforscht wurde.“ „Du kannst Stolz auf dich sein“, erwiderte Hermine und betrachtete Neville eindringlich. „Dass du es soweit schaffst...“ „...hätte zu Beginn auf Hogwarts keiner gedacht?“, beendete Neville ihren Satz mit einem Grinsen im Gesicht. „Nein, so wollte ich das jetzt nicht sagen...“ „Ist in Ordnung, ist ja nur die Wahrheit.“ „Du, Neville“, begann Hermine, „wann hast du eigentlich herausgefunden, dass du doch ein Zauberer bist? Mit neun, oder?“ „Mit acht Jahren. Großonkel Algie hat mich aus Versehen aus dem Fenster geworfen, doch dank der Magie ist mir nichts passiert. Mann, haben sich da alle gefreut!“ Der wissende Blick Hermines ließ Ron erblassen. Sie würde doch nicht hier, jetzt wieder mit diesem Thema beginnen? „Nun, dann gibt es ja noch Hoffnung. Unsere kleine Emma ist ebenfalls acht Jahre alt, ich bin fest davon überzeugt, dass sie ihre magischen Fähigkeiten noch entdecken wird. In ihr stecken noch viele unentdeckte Talente...“ „Nun, du wirst Emma aber hoffentlich nicht aus dem Fenster baumeln lassen...“ Neville schmunzelte. „Was ist mit mir?“ Ihre kleine Tochter kam auf Hermines Schoß gekrochen. „Ihr wollt mich aus dem Fenster werfen?“ „Nein, keine Sorge“, beruhigte ihre Mutter sie. „Das war nur ein Scherz. Gehe doch wieder zu den anderen spielen.“ Emma hopste davon und Ron warf Hermine einen bösen Blick zu. „Wir können später noch einmal in Ruhe darüber reden, aber nicht vor den ganzen Leuten. Du merkst ja, was Emma alles aufschnappt, das ist bestimmt nicht gut für sie.“ „Aber Ron, vielleicht kann uns Neville...“ „Und seid ihr zufrieden?“, unterbrach Harry sie lächelnd. „Ist das Essen in Ordnung?“ „Ja alles super, sehr lecker“, antwortete Ron. „Setze dich doch ein bisschen zu uns.“ Harry nahm das Angebot dankend an. „Und, wie geht es Xeno und Cleo so? Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Hermine höflich. Eigentlich hatten beide Weasleys keine Lust, lange zu hören, wie toll es doch die beiden machten, aber es war ja schließlich Harrys Geburtstagsfeier. „Alles bestens. Xeno hat sein erstes Schuljahr in Hogwarts toll gemeistert, ein wirklich gutes Zeugnis, kommt fast an das von Hermine heran.“ Die Drei lachten nervös, dann sprach der stolze Vater weiter: „Und er hat gute Chancen nächstes Jahr in die Hausmannschaft zu kommen, zumindest meinte das Yves, du weißt schon, Bills Sohn, er ist auch in der Mannschaft. Und Cleo... Nun sie freut sich schon riesig auf Hogwarts. Dass sie noch drei Jahre warten muss, stört sie gewaltig und sie hofft so sehr, dass Emma mit ihr gehen kann.“ Hermine und Ron sahen sich mit dem Nicht-das-schon-wieder-das-hatten-wir-gerade-Blick an, und Harry fragte erschrocken: „Habe ich jetzt etwas falsches gesagt?“ „Nein, alles in Ordnung. Rede nur weiter.“ „Wir müssen jetzt in den Ferien wirklich auf Cleopha aufpassen, ständig versucht sie sich Xenophillius Zauberstab zu schnappen und erste Zaubersprüche auszuprobieren. Ihr hättet sehen sollen, wie das Wohnzimmer vor ein paar Tagen aussah!“ Der ganze Tisch lachte, jedoch bemerkte Harry, dass seine besten Freunde es nicht ganz so lustig fanden. Meinetwegen könnte Emma das ganze Haus abfackeln, dachte Ron, solange sie irgendetwas Magisches tut und Hermine und ich keinen Streit mehr haben. „Möchte jemand etwas Elfenwein?“, versuchte Harry schnell das Thema zu wechseln. Merlin, er wählte seine Worte heute wirklich nicht glücklich, er vergaß immer fast, dass Emma ein Squib war. Nun ja, zumindest wahrscheinlich. George wollte sich gerade zu Wort melden, als Ron schnell meinte: „George verzichtet heute lieber auf alkoholische Getränke, nicht wahr?“ Sein Bruder sah nicht sehr glücklich aus, nickte aber. Gut. Immerhin dieses Problem war geklärt. Den restlichen Abend wurde noch gut geplaudert, Harry gelang es, seine besten Freunde nicht mehr in Verlegenheit zu bringen. Den Abschluss sollte ein Feuerwerk bringen. Bunte Lichter zauberten Tierfiguren auf den dunklen Himmel über Godric´s Hollow und es war eine wirklich wunderschöne Kulisse. Ein perfekter Geburtstag eben, in einer perfekten Familie. Ron blickte sich um. Die Kinder waren schon lange im Haus verschwunden, denn Emma würde heute bei den Potters übernachten. Neville saß zwischen all den Pflanzen. Er wirkte nachdenklich, anscheinend entwickelte er gerade eine neue Therapie. George hatte er letztendlich doch nicht von dem Wein fernhalten können, sodass dieser lautstark alte Geschichten von Fred und ihm zu besten gab. Nun, immerhin wirkte er glücklich. Hagrid hörte ihm geduldig zu, während Harry seinen Arm um Luna gelegt hatte und beide zufrieden die bunten Lichter betrachteten. Ron bildete sich ein, dass Ginny die beiden wieder eifersüchtig beobachtete, obwohl sie selbst noch neben Dean am Tisch saß. Auch Ron selbst stand neben seiner Frau, wenn sie sich auch nicht berührten. Dazu saß der letzte Streit noch zu tief in ihnen. Genau in diesem Moment ertönte plötzlich ein lauter Schrei und die Kinder rannten aus dem Haus, allen voran Xenophillius: „Emma hat mit meinem Zauberstab das Sofa angefackelt!“ Während alle anderen erschrocken sich zum Haus drehten und Harry schnell die Flammen löschte, nahm Ron strahlend Emma in die Arme und Hermine flüsterte: „Meine Große, ich bin ja so stolz auf dich!“ Erleichtert küssten sie sich und Ron dachte: Vielleicht, vielleicht würde doch noch alles gut werden.