Moo McNulty - Ravenclaw - Der Tag des Dritten Frühstücks!
Kuraiko Shotokoan hibbelte aufgeregt herum. Das besonders kleine Koboldmädchen blickte immer wieder aus dem Fenster. Mit ihren langen, dünnen Koboldfingern nestelte sie an ihrem neuen Kleid herum. Heute war es wieder soweit. Der Tag des dritten Frühstücks! Das Koboldmädchen war aufgeregt wie jedes Mal, wenn dieser Tag bevorstand. Sie liebte diesen Tag über alles und konnte jedes Mal kaum erwarten, dass es endlich soweit war. Die ganze Koboldsippe würde zusammen kommen und alle wären wie jedes Mal so schön angezogen, gar nicht wie sonst in der einfachen und oft schmutzigen, rauhen Alltagskleidung. Oma Kazuki, eine 149 Jahre alte Kobolddame, die aussah wie eine Steinstatue, würde wie immer ihr besonderes Diadem und ihren Schmuck aus Silberblumen tragen. Sie betonte dauernd, dass das „jahrhunderte alte Koboldschmiedekunst“ sei. Eifersüchtig bewachte sie ihre Schätze, die niemand berühren durfte, ohne dass sie dies ausdrücklich erlaubt hatte. Opa Toyo, ein kleiner, sehr verwittert und faltig aussehender Kobold, trug am Feiertag stets einen sehr langen Mantel aus rotem Brokat, in dem er sehr feierlich und würdig aussah. Er hatte den Mantel geerbt. Der schlurfte immer etwas hinter ihm her, denn Kobold-Uropa Roji war einen Kopf größer gewesen als Toyo. Ein paar Mal war er auch schon schlimm damit gestolpert, wenn seine Knubbelfüße sich im Saum verfingen. Diesmal war es für Alle besonders aufregend, denn Kuraikos Vater Tathata, Toyos Sohn, sollte das erste Mal die Zeremonie leiten. Der alte Kobold hatte gemeint, es wäre an der Zeit, dass die nächste Generation übernähme. Er selbst hatte über 100 Jahre die Traditionsfeiern der Shotokoan-Kobolde geleitet und war inzwischen 156 Jahre alt. Krumm war er geworden und dadurch wirkte er noch kleiner, als er ohnehin schon war. Die Nachfolge bedeutete gleichzeitig, das Kuraikos Bruder Akito, ein schlanker Kobold mit spitzem Kinn und großen Ohren, als Erbe das Amt des Zeremonien-Helfers aller Koboldfeste in ihrer Sippe übernehmen würde. Akito war letztes Jahr volljährig, also 30, geworden und konnte damit dieses Amt antreten. Die Volljährigkeit der Kobolde mit 30 markierte ein besonderes Alter. Nun konnte ausgezogen, geheiratet oder ein anderer Beruf gewählt werden, ohne dass die Älteren sich einmischten, was sie vorher gerne und reichlich taten. Kuraiko hatte ein neues Gewand bekommen, nach Koboldart schlicht einfarbig, aber mit Silberbändern verziert. „Alte Koboldschmiedekunst!“, hatte die alte Kazuki wie immer geplappert, als sie die Bänder brachte. Ihre große Schwester Fujiki hatte kein neues Gewand gewollt und schmollte wegen irgendetwas vor sich hin. Kuraiko rollte die Augen. Bloss weil sie nun 27 war und bald volljährig sein würde... Fujiki hing oft in einer „Mixed-Group“ aus jungen Zauberern und Kobolden herum. Ein Skandal war das! Kobolde und Zauberer zusammen, also wirklich. Kuraiko hatte außerdem den Verdacht, dass ihre Schwester sich wünschte, eine Hexe zu sein. Wenn das Oma Kazuki herausbekäme, das wäre eine Katastrophe! „Entehrt! Enterbt!“, würde sie rufen, alle Regeln der Koboldwelt für die Separierung von den Zauberern aufrufen und mit ihrem Stock entrüstet auf den Boden hämmern. Natürlich frühstückten Kobolde seit je zweimal und das weltweit. Es war bisher nicht erforscht worden, wieso, es war halt einfach schon immer so. Das erste Frühstück gab es sehr früh am Morgen, zwischen fünf und sechs. Dann wurde gearbeitet. In Japan und China arbeiteten die meisten Kobolde in der Silberschmiedekunst, in der Juwelenbearbeitung und im Finanzwesen. Ein zweites Frühstück wurde immer gegen 8.30 Uhr genommen und dann weiter gearbeitet. Ein Mittagessen gab es gegen 13.30 Uhr und eine frühe Abendmahlzeit etwa um 17.30 Uhr. Bis zum nächsten Morgen wurde danach nichts mehr gegessen - zumindestens bei den japanischen und chinesischen Kobolden. Der alte Toyo hatte irgendwann einmal erzählt, dass Kobolde in Europa, am anderen Ende der Welt, auch nach Einbruch der Dunkelheit noch aßen oder sogar Bier tranken. Die alte Koboldin Kazuki zog dann immer ein abfälliges Schnäuzchen und murmelte etwas von „unkultivierten Wilden“. In Asien stand dreimal im Jahr der „Tag des Dritten Frühstücks“ auf der Agenda aller Koboldsippen - ein großes Fest mit langer Tradition. Dieser besondere Tag ging zurück auf Urukh Kazamikaze, einem Koboldheerführer aus Japan. Er führte eine Armee aus tausenden Kobolden in eine große Schlacht gegen Trolle. Ein jahrzehntelanger Disput zwischen den Kobolden aus China und Japan und den Trollen in China eskalierte am Abend des 11. März 1573 in einer Entscheidungsschlacht auf der Hetao-Ebene am Mittellauf des Gelben Flusses. Die riesige Koboldarmee, die auf ihren Schilden ein verschlungenes „TT“ trugen, fegten in diesem fruchtbaren Schwemmland die Trolle durch ihre große Überzahl einfach weg. „TT“ - die Armee der Trolltöter überrollte die Trolle und brachten ihnen eine vernichtende Niederlage bei. In den Morgenstunden des 12. März 1573 zelebrierte Urukh den Sieg seiner Truppen mit besagtem dritten Frühstück. Der Legende nach stand er mit erhobenem Schwert, dass noch von Blut tropfte, auf einem Hügel über den gefallenen Trollen und rief: „Von nun bis in alle Zeiten wird dieser Tag der ´Tag des Dritten Frühstück´ sein - als Zeichen, dass die Kobolde Japans und Chinas die Trolle besiegten und nun für alle Zeit über sich selbst regieren! Als Zeichen und zur Feier unseres Erfolges!“ Ein riesiges Gelage folgte. Es ist überliefert, dass die Kobolde drei Tage und Nächste aßen und tranken. Urukhs Vorhersage traf ein. Die Kobolde entscheiden seither frei über ihre Geschicke in China und Japan. Die Trolle haben sich damals vor allem in die Mongolei und nach Tibet zurückgezogen, wo sie bis heute leben. In Japan gibt es heutzutage keine Trolle mehr. Die Kobolde Japans und Chinas sind heute ein freies Volk, das viel Handel treibt, vor allem mit selbst erstellten Waren, und gleichzeitig am liebsten unter sich bleibt. Der „Tag des Dritten Frühstücks“ hatte von Beginn an eine eher wechselvolle Geschichte. Bald nach dieser legendären Schlacht wurde „der Fresstag“, wie er auch heute noch genannt wird, in China und Japan eine beliebte Tradition unter den Kobolden. Zunächst wurde jährlich am 12. März das „Dritte Frühstück“ zelebriert. Schon bald nahm diese Tradition Fahrt auf und es gab ein drittes, ausladendes Frühstück, wann immer ein großer Sieg zu feiern war. Dieses Frühstück wurde ab 10.30 Uhr im Rahmen einer kleinen, festgelgten Zeremonie abgehalten. Dieses Fest war einer der wichtigsten Momente, den eine Koboldfamilie feiern konnte. Danach wurde dann drauflos gegessen und gefeiert, soviel und solange, wie etwas reinging in die Mägen und Münder. „Fresstag“ halt. Als schließlich im frühen 19. Jahrhundert ein globaler Frieden eingekehrt war zwischen Kobolden und anderen Spezies der magischen Welt gab es nur noch wenig große Gelegenheiten, ein drittes Frühstück zu feiern. Da der 12. März an Bedeutung verloren hatte und das dritte Frühstück anlassbezogen gefeiert wurde, geriet es für etwa 100 Jahre fast in Vergessenheit. Nur in Japan frönten noch einige wenige Traditionalisten der Koboldgesellschaft diesem Brauch. Doch weil Kobolde gerne und viel speisen, war eine Neubegründung dieser Tradition nur eine Frage der Zeit. Kayuki Mitsotzi und Shiseido Riviera, zwei Nachfahren der TT und Traditionalisten, engagierten sich im 19. Jahrhundert für das Wiederaufleben alter Bräuche. Der Tag des Dritten Frühstücks fand natürlich schnell neue Anhänger. Wie bereits gesagt, Kobolde essen gerne und viel, der „Fresstag“ war da ein sehr erwünschter Festtag. Zuerst wurde er in DaitM wieder eingeführt und verbreitete sich dann mit enormer Geschwindigkeit über ganz Japan, um danach schnell nach China überzuschwappen, da die Bindungen der Kobolde aus beiden Ländern sehr gut sind. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Tag des Dritten Frühstücks von allen Koboldsippen in ganz Asien wieder regelmäßig gefeiert. Das Erstaunlichste daran war, dass sich ein neuer Rhythmus entwickelt hatte: Obwohl ursprünglich der 12. März nur einmal jährlich gefeiert werden konnte, wurde nun ein Tertialsfeiertag daraus. Einmal alle vier Monate war es soweit. Am 12. März, 12. Juli und am 12. November wurde an diesem Tag ein rauschendes Frühstück zelebriert. Natürlich gedachte man der Erfolge und Siege der Kobolde, allerdings weniger vor dem ursprünglich kriegerischen Hintergrund, sondern mehr vor dem eigenen, familiären. Was war gut gelungen in den letzten 4 Monaten? Worauf war die Sippe stolz? Natürlich war es auch ein guter Tag, um die ganze Sippe zusammen zubringen. So war es auch diesmal bei den Shotokoans. Alle würden da sein und den ganzen Tag lang zusammen essen. Ein festes Regelwerk beschreibt bis heute ganz genau den Verlauf des dritten Frühstücks: Zunächst versammelt sich die Sippe um den „Ältesten“, der das Ereignis einführt und leitet. Das muss nicht wirklich der Älteste sein, ist aber regelmäßig ein Vater oder Großvater in der Sippe. Während alle um den Ältesten herum sitzen, rezitiert dieser Zitate, die auf Urukh Kazamikaze zurückgehen und benennt die Erfolge der Sippe in den letzten vier Monaten. Alle erheben sich und verneigen sich dreimal vor den Leistungen der Sippe, die als liebevoll gestaltete Zettelchen an einer Tafel aufgehangen sind. Als Zeichen des Aufbruchs in das nächste Tertial geht danach die ganze Sippe einmal durch den Garten und um das Haus herum. Beim Wiedereintritt in das Haus verneigen sich wieder alle - diesmal vor den kommenden Herausforderungen und Anstrengungen. Kurz bevor der Festraum betreten wird, hat die Koboldhausherrin alle vorbereiteten Speisen, Getränke und Dekorationen hinein gebracht. Dies wird mit Koboldmagie gewirkt, so dass alles schnell bereit ist. Die Dekoration sind vor allem die traditionelle Symbole der Kobolde in Asien, verschnörkelte Ornamente und Muster, häufig aus bearbeitetem Edelmetall - so, wie es nur Kobolde können. Vor dem ersten gemeinsamen Mahl bereitet der Älteste einen Trunk vor. Dieser Trunk ist eine Mischung aus Cha, japanischem Tee, und verschiedenen Kräutern (sowie ab und zu etwas Alkohol). Nachdem jeder eine Tasse von diesem Trunk zu sich genommen hat, ist der förmliche Teil nach drei Schlägen auf einen großen Gong beendet und das Mahl beginnt. Es ist ein beliebtes Fest, bei dem jeder so viel isst, wie er kann. Alle erzählen und teilen ihre Erinnerungen. Doch zurück zu unserer Shotokan-Sippe und ihrem „Tag des Dritten Frühstücks“. Kuraiko war fertig angezogen und hibbelte weiter vor sich hin. Sie wartete in ihrem Zimmer auf den Gong, der die Sippe in den Hauptwohnraum rufen würde, der heute zum Zeremonienraum und zur Feierstätte umgestaltet war. Es war sehr leise im Haus. Kuraiko ging in ihrem Zimmer auf und ab. Ungeduldig wartete sie. Und wartete. Und wartete. Plötzlich rumpelte etwas und dann knallte es sehr laut. Sie riss die Tür ihres Zimmer auf und flog förmlich auf ihren kurzen Beinen die Treppe hinunter. Oh nein! Ihr Bruder Akito stand mit hochrotem Kopf und brennend roten, spitzen Ohren neben dem umgefallenen Gong. Der Gong war nicht kaputt, aber er lag da in einem Durcheinander aus Blumen, umgerissener Deko und - was war das? Etwas Großes schimmerte silbrig unter dem Gong hervor. Kuraiko konnte nicht erkennen, was es war. Sie zwinkerte. Es bewegte sich. Kuraiko blickte zu Akito, der mit knallrotem Kopf da stand. „Ich... äh...“, stotterte er und wusste gar nicht, wohin er sehen sollte. Die Tür am Ende vom Flur flog auf und der alte Toyo kam auf seinen Stock gestützt hereingehumpelt. Er sah Akito streng an. Dann blickte er auf das Chaos, schnippste mit seinen langen, sehr dünnen Fingern und zwinkerte ein paar Mal schnell. Der Gong richtete sich auf, die Deko sprang an ihren Platz zurück und die Blumen sammelten wie von selbst ihre Blätter wieder ein. Das silbrige, große Etwas lag immer noch auf der Erde und bewegte sich vorsichtig. Akitos Röte vertiefte sich dramatisch. Seine lange spitze Nase leuchtete brandrot, als würde sie gleich aufglühen und dann zu qualmen anfangen. Der alte Kobold sah den jungen Kobold weiter nur an. Es war, als würde er dem Jungen bis ins Herz schauen. Das silbrige Etwas begann sich aufzurichten. Mit offenem Mund erkannte Kuraiko eine junge Koboldin, die mindestens genauso rot war wie Akito. Natürlich - der 12. März! Es war der Tag, an dem die volljährigen Kobolde ihrer Familie ihre gewählte Frau vorstellten. Akito hatte eine Koboldin gewählt, die er heute als seine Braut in die Familie einführen wollte! „Wir wollten ein Opfer aufstellen, Großvater, wie es sich gehört. Sakuri hat Blumen mitgebracht, einen großen Strauß und selbstgemachte Schleifen. Dann,“ Akito stockte und wenn er noch röter werden konnte, dann tat er das gerade jetzt, „dann...“ „Dann hat Akito sich in meinem Kleid verfangen und wir sind umgefallen, in den Gong hinein. Es tut mir so sehr leid...“ Der jungen Koboldin liefen Tränen über die Wangen. Zur Überraschung der jungen Kobolde grinste der alte Toyo plötzlich breit und lachte lauthals. „Als ich vor 114 Jahren Kazuki in unsere Familie einführte, stolperte sie über unsere Katze. Sie fiel in das historische Teeservice meiner Mutter. Es war auch mit Koboldmagie nicht mehr zu retten. Meine Mutter hat ihr das nie ganz verzeihen können und sie bis zu ihrem Tod immer wieder damit geneckt.“ Jetzt schüttelte er sich heftig vor Lachen. Als er sich etwas beruhigte, erzählte er: „Als Tathata deine Mutter einführte platzte ihm sein Gewand am Rücken auf, weil es zu eng war. Kazuki hatte es ihm tausend Mal gesagt, aber er war zu eitel gewesen. Es machte laut ´Ratsch´,“, Opa Toyo kicherte, „und er stand halbnackt da, ein peinliches Drama für einen gerade volljährigen Kobold. Deine Mutter hat sich in Grund und Boden geschämt, weil Kazuki den ganzen Tag danach Tränen lachte.“ Er zwinkerte den beiden jungen Kobolden, die verlegen nebeneinander standen, zu und sagte: „Es hat in unserer Sippe eine gute Tradition, dass am 12. März bei Einführung der Braut eine kleine Katastrophe passiert. Das ist ein gutes Omen für Eure Ehe. Wir sind alle Zeit unserer Leben zufrieden miteinander gewesen. Das ist Euch nun sicher auch beschieden.“ Er wandte sich an Sakuri, die Koboldfeundin seines Enkels: „Sei willkommen in unserer Mitte, Kind, und pass auf, wo Du hintrittst.“ Er führte die jungen Kobolde und Kuraiko an eine Seite des Raumes. Fujiki, die älteste Tochter, gesellte sich zu ihnen. Sie trug ebenfalls sehr einfache Kleidung und keinen Koboldschmuck, wie es eigentlich brauch war. Das Schlichte stand ihr gut, fand Kuraiko. Schade, dass Mutter nicht mehr bei uns sein kann, dachte das Koboldmädchen bei sich und vermisste ihre verstorbene Mutter schmerzlicher denn je. Wie gerne hätte die Mutter doch sicher die Braut ihres Sohnes kennengelernt. Sie blickte zu ihrem Bruder Akito, der nun zum Gong hinüber gegangen war. So warteten die kleine Koboldgruppe gemeinsam auf Tathata. Als die Tür aufschwang und Tathata in den traditionellen Koboldgewändern des Ältesten eintrat, war Kuraiko sehr gerührt. Ihre Augen kribbelten und ein paar Tränchen stahlen sich aus ihren Augenwinkeln. Der alte Toyo drückte ihre Hand und lächelte sie an. Tathata trug einen flaschengrünen Mantel mit überlangen Ärmeln. Eine schwere Kette hing an seinem Hals, ein altes Erbstück der Familie, wie es nur Kobolde schmieden können. Langsamen Schrittes näherte sich Tathata dem Platz in der Mitte des Raumes. Auch die alte Kazuki war nun da, samt Koboldschmuck, und saß bereits an ihrem Platz. Der junge Kobold Akito schlug etwas zu heftig einmal gegen den Gong und die Zeremonie begann. Alle setzten sich um Tathata herum. Er rezitierte: „Besser als einer, der weiß, was recht ist, ist einer, der liebt, was recht ist; und besser als einer, der liebt, was recht ist, ist einer der Begeisterung fühlt für das, was recht ist.“ Akito schlug den Gong. „Die Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken; sie beleuchtet stets nur das Stück Weg, das wir bereits hinter uns haben.“ Akito schlug erneut den Gong. „Der Anführer eines großen Heeres kann besiegt werden. Aber den festen Entschluß eines Einzigen kannst du nicht wankend machen.“ Wieder tönte der große Gong. Alle wandten ihre Blicke zu der Wand mit den Zettelchen, auf denen die Sippenerfolge der letzten Zeit notiert waren. „Wir haben viel geschafft in den letzten Monaten. Fujiki hat einen Beruf gewählt und wird in Peking Koboldmedizin studieren. Wir haben das Andenken unserer geliebten Frau und Mutter Suzukomi bewahrt und geehrt.“ Der nicht mehr junge, aber noch nicht alte Kobold schluckte schwer. Er hatte seine Frau wirklich geliebt - was in Koboldehen nicht selbstverständlich ist - und ihr plötzlicher Tod war für alle ein Schock gewesen. „Ich übernehme heute die Sippentradition von meinem Vater Toyo und verneige mich vor seiner Weisheit und Erfahrung.“ Tathata verbeugte sich tief vor seinem Vater, der ihn stolz ansah. 156 Koboldjahre blickten auf 83 Koboldjahre. Zwei Kobolde, der eine mit verwittertenm Gesicht, der andere mit tiefen, unergründlichen Augen. Zwei, die einander so ähnlich sahen, blickten sich tief in die Augen und nickten sich zu. „Den größten Erfolg des vergangenen Terzials hat aber wohl Akito errungen. Er hat seine Braut gewählt und bringt daher heute ein neues Mitglied in unsere Sippe. Sei willkommen in unserer Mitte, Sakuri.“ Und plötzlich grinste er: „Und falls ihr noch keine Katastrophe hattet heute, dann sorgt für eine.“ Alle lachten. Dann tranken sie ihren Tee. Drei Mal tönte der Gong. Der Tradition gemäß wanderte die kleine Koboldprozession ums Haus. Und dann wurde gegessen bis in die Abenddämmerung. Spät am Abend saßen die beiden Alten noch am Feuer. Toyo und Kazuki schauten mit ihren verwitterten Koboldgesichtern in die Flammen. „Es gibt keinen besseren Tag als den Tag des Dritten Frühstücks, oder?“, fragte Toyo. „Ja,“ antwortete Kazuki und grinste, „öfter dürfte der aber auch nicht sein.“ Ende