Karhu - Slytherin - Hopkins wichtigstes Knullanfest
Hopkin polierte noch ein letztes – nun ja, vielleicht ein vorletztes – Mal seinen diesjährigen Beitrag und sah sich anschließend prüfend in seiner Knullengrube um. Ja, die spezielle Sortierung nach Alter und Farbton machte sich gut, diese ungewöhnliche Idee würde ihm sicherlich ein großes Lob und viele zufriedene Gäste einbringen. Im Normalfall ordnete man die Knullen nach der Größe oder nach der Form, auch ein Lagern nach dem jeweiligen Fundort war durchaus üblich. Um sich von den Gastgebern der vorherigen Jahre abzuheben und vielleicht sogar ein wohlwollendes Nicken des Töftenmeisters zu ergattern, bedurfte es schon etwas mehr Kreativität. Im vergangenen Jahr war Hopkin der Auserwählte geworden, und da er als jüngster Gnom seit mindestens drei Jahrhunderten und Hausherr des größten Gartens im Umkreis ohnehin schon eine besondere Stellung in der Gemeinde einnahm, wollte er selbstverständlich auch in dieser Rolle so sehr glänzen, wie noch kein englischer Gartengnom zuvor geglänzt hatte. Nun, im Moment schien es ihm, als hätte er seine Arbeit im vergangenen Jahr recht gut getan, der Töftenmeister würde seine Begabung zum mehr als durchschnittlichen Kartoffler gewiß anerkennen. Zwar würde er in diesem Jahr möglicherweise nicht erneut die dickste Kartoffel haben und damit nicht zwei Jahre nacheinander Gastgeber sein, aber er war mit dem Ertrag zufrieden und seine Grube war ausgesprochen vorzeigbar geworden. Hopkin verließ also seine Knullengrube und machte sich auf in den Kochbereich seines Erdlochs. Über dem Feuer mitten in der Grube hing ein großer Kessel und blubberte gemächlich vor sich hin. Hopkin überlegte kurz, bevor er einige Handvoll Raukeblätter aus einem kleinen Korb, der auf dem Holztischchen stand, nahm, und sie in den dicken, dampfenden Eintopf. Nicht nur Kartoffeln machen einen guten Eintopf aus, das hatten ihm schon sein Vater, sein Großvater und dessen Vater beigebracht. Darum hatte sich Hopkin für das Knullanfest dieses Jahres nicht nur eine besonders bemerkenswerte Sortierung seiner Schätze überlegt, sondern auch für die Bewirtung der Gäste mit einigen ungewöhnlichen Einfällen gesorgt. Die guten Kartoffeln bildeten natürlich die Grundlage. Als die sehr kinderreiche Familie aus dem Haus, das zu Hopkins Garten gehörte, im letzten Herbst die schönen alten Apfelbäume abgeerntet hatte, war Hopkin auf die Idee gekommen, zusätzlich zu seinen wunderbaren Knullen auch einige Dutzend der saftigen Äpfel mit einzulagern. Dieser vorausschauenden Eingebung verdankte Hopkins, daß nun in seinem Suppenkessel die dicken Kartoffelstücke neben den aromatischsten Apfelschnitzen schwammen und garten und ihre Wohlgerüche sich durch die ganze Höhle verbreiteten. Die rundliche rothaarige Frau aus dem Haus, offenbar die Mutter der vielen Kinder, war am Vortag auf dem Markt gewesen und mit mehr Rauke in ihrem Marktkorb wiederkommen, als sie jemals hätte zubereiten können. Beim Anblick der frischen grünen Blätter hatte der Gnom sehr an seine lieben Nachbarn gedacht, die ihn um die letzte Sonnwendfeier herum anläßlich ihres Einzugs zu sich herübergebeten hatten. Nette Leute waren das, diese Leprechauns, die von so weit her gekommen waren, um sich in Hopkins Nachbargarten niederzulassen. Und feiern konnten sie, soviel stand von ihrer ersten Begegnung an fest. Hopkin mochte die Nachbarn und hatte sie darum zum Knullanfest, dem wichtigsten Tag im Gartengnomjahr, geladen. In diesem Jahr, so hatten die beiden es Hopkin erzählt, fielen das Knullanfest und ihr Hohes Fest gerade auf einen Tag. Während das Hohe Fest, an dem des Schlangenaustreibers gedacht wurde, stets an ein bestimmtes Datum gebunden war, feierte man bei den Gnomen am Sonntag vor dem Frühlingsbeginn mit großem Aufwand den Beginn des Frühlings: Das erste Kartoffelsetzen des Jahres. Hopkin wußte nicht genau, ob das Schlangenaustreiben auch in dieser Gemeinde geschehen war, aber in seiner Höhle gab es nicht eine einzige, und daher sah er durchaus die Berechtigung und Verpflichtung, seinerseits dem Schlangenaustreiber zu danken und ihn zu feiern. Nun, wenn es denn auch durchaus an diesem Sonntage beides zu feiern gab, warum sollten nicht auch die Leprechauns zum Knullantag eingeladen sein? Und so hatte Hopkin die beiden Nachbarn herzlich eingeladen, und sie hatten ebenso herzlich zugesagt. Hopkin wollte ein guter Gastgeber sein, einer, der es verstand, allen seinen Gästen gleichzeitig etwas zu bieten. Die Rauke aus dem Korb der rundlichen Frau paßte so gut zu den lieben Nachbarn und ihren Farben, daß der Gnom ihr die Bürde, die riesige Menge allein verarbeiten zu müssen, abnahm und nun einiges davon in seinem Kartoffeltopf schwamm. Während der kleine, knollige Hopkin noch neben seinem Kessel stand und sich zu seinen guten Gedanken für die Sortierung der Knullengrube und für die Zusammensetzung seines Eintopfs beglückwünschte, hörte man das Läuten der Glocken aus der Dorfkirche über den Garten wehen. Die Töne rissen den Gnom aus seiner kartoffeligen Schwärmerei, und er wuselte durch den Gang in den Garten, um das Kartoffelsetzen vorzubereiten. Zwar bedeutete das Läuten, daß sich die Gnome der Nachbarschaft nun auf den Weg zum Festort machten, allerdings blieb bis zu Eintreffen aller Gäste und vor allem zur Ankunft des Alten Norgh, des Töftenmeisters der letzten siebenundachtzig Jahre, noch genügend Zeit für den letzten Schliff am Feld. Der Alte Norgh würde später als erster die Knullengrube des kleinen Hopkin betreten, sich unter den zum Zerreißen gespannten Blicken der übrigen Gäste und des Gastgebers mit Argusaugen umsehen und die Lagerung der Knullen inspizieren. Anschließend würde er seine Meinung zu Hopkins Kartofflerfähigkeiten der Gartengnomöffentlichkeit präsentieren, bevor er die Knullengrube zur allgemeinen Begehung freigab. Von der Meinung des Töftenmeisters hing einiges ab – nicht nur Hopkins Stellung in der Gemeinde, sondern auch seine Zukunft als bester Kartoffler der Gegend und Nachfolger seines Vaters, Großvaters und dessen Vaters. Ein klein wenig und ganz insgeheim hoffte Hopkin einmal selbst ein Töftenmeister zu werden, aber bis dahin konnten noch viele Jahre und Ernten ins Land gehen. Nach der Begehung würde der Alte Norgh dann alle mitgebrachten dicken Kartoffeln begutachten und den Gnom mit der dicksten Kartoffel zum Gastgeber des kommenden Jahres erwählen. Dessen Pflichten bestanden dann darin, seine Knullengrube so gut zu pflegen, wie er es verstand, seine Gäste zu bewirten, so gut er es vermochte, und eine Kartoffelsuppe zu kochen, wie nur er es konnte. Hopkin freute sich auf die abendliche Feier und wünschte sich, daß nicht nur seine geliebte Knullengrube, sondern auch der Inhalt seines Kessels genügend Anerkennung erwerben würde, um im Tüffelbuch der Gemeinde lobend erwähnt zu werden. So bereitete er nun voller Spannung und Vorfreude das Feld für das Kartoffelsetzen vor. Das rituellen Setzen der dicken Kartoffeln der Gäste im Garten des Gastgebers war eine wunderbare Möglichkeit, um sich durch Bewegung an der frischen Luft den nötigen Appetit für das Kartoffelsuppenessen zu verschaffen. Jeder Gnom bekam eine andere als die eigene Kartoffel zugeteilt, da es Unglück brachte, eigene Kartoffeln zu setzen. Auf das Zeichen des Töftenmeisters mußte man die Kartoffel mehrmals im Kreis schwingen und sie dann weit ins vorbereitete Feld schleudern. Hopkin hatte sogar schon Menschen beim Setzen von Kartoffeln auf ähnliche Art beobachten können, war jedoch verwundert gewesen, daß dort später keine Pflanzen wuchsen. Nun, er war ein wenig kurzsichtig und hatte das Feld nicht genau erkennen können, aber es freute ihn doch, daß die Menschen, vor allem die Familie aus dem Haus an seinem Garten, dieses so wichtige Ritual ebenfalls ernstnahmen. Das Feld war inzwischen über Hopkins Gedanken über das Ritual fertiggeworden und er sah sich noch ein letztes Mal in Haus und Hof um. Ja, alle Vorbereitungen waren bis auf das letzte Krümelchen abgeschlossen. Die Gäste konnten kommen.