Kaba - Slytherin - Gründelbarg
`Nur noch eine Woche´, dachte Flipps und schwamm gleich ein bisschen schneller, ja fast hektisch durch die Nachbarsiedlung. Sein Weg sollte ihn in den nahegelegenen Tausendblattwald führen. Dort hatte er das Geschenk für seine Mutter in Arbeit und er war schier am Verzweifeln. Dass es Brauch war zum Gründelbarg etwas selbst gemachtes zu verschenken, war ja grundsätzlich sehr schön, doch tat er sich in diesem Jahr so schwer wie noch nie. In der Schule hatten sie ein Experiment mit Muraenidae gemacht und Flipps hatte eine richtig böse Verbrennung davongetragen, die ihm das feine Arbeiten nun natürlich erschwerte. Auf dem Weg in den Tausendblattwald, wo er das noch nicht einmal halb fertige Bild versteckt hielt, sammelte er Material ein, mit dem er am Bild weiter weben konnte. `Nur gut, dass ich die Kette nicht noch aufziehen muss, denn diesen Kraftakt würde ich mit diesen Händen nicht schaffen.´ dachte er, als er eine handvoll Fadenalgen auf der einen Wegseite abriss und auf der anderen Seite kurz drauf seinen Arm in einen Busch Rotalgen steckte. Neben den Purpurblatt wird das Rotalgenblatt eine feine Nuance liefern, um noch etwas mehr Farbe in sein Motiv zu bekommen. Endlich am Ziel, setzte Flipps sich erst mal vor sein Bild und schaute es genau an. Wo wollte er jetzt weiter machen? Seine Mutter war eine große Bewunderin der Oberwelt – der Menschenwelt und Flipps hatte sich vorgenommen ihr ein Bild zu weben, dass ihr wie ein Fenster mit Blick auf die obere – die trockene Welt erscheinen wird. Die grüne Wiese hatte er bereits fertig und ebenso den großen Baum, der zentral darauf stand. Mit dem Rotalgenblatt konnte er ein Menschenhaus weben. Mit etwas Braunalge gemischt, gibt eine schöne Ziegelfarbe und für das Dach kann er die Rotalge dirkt nutzen. Er brauchte mehr von dieser roten Farbe! Also schwamm er nochmal los und holte noch einen Arm voll der roten Blätter, die er schon unterwegs versuchte in schmale Streifen zu zerreißen. Mit den voll beladenen Armen ein recht unsinniges Unterfangen, wie er selber auch bald merkte. Als er wieder in seinem Versteck war, setzte er sich vor seine Arbeit und riss schmale Bänder aus dem frischen Algen, die er sogleich in sein Bild webte. Sein künstlerisches Talent war groß und die Arbeit ging ihm nach kurzer Zeit leicht von der Hand – viel leichter, als noch gestern. Die Salbe, die er für seine Verbrennung bekommen hatte, zeigte endlich Wirkung und Flipps hatte Hoffnung doch noch rechtzeitig fertig zu werden. Er hatte heute nur eine knappe Stunde Zeit, um an dem Werk zu arbeiten, denn die Vorbereitungen für das Fest machten sie in der Siedlung alle gemeinsam und jeder hatte seinen Beitrag zu leisten. Flipps hatte in diesem Jahr den Auftrag bekommen, die Girlanden mit den fluoreszierenden Seegurken zusammenzustellen und den Gemeindeplatz damit zu dekorieren. Das war eine Arbeit, die er gern tat, da es unheimlich viel Spaß machte die kleinen Seegurken zum Leuchten zu animieren. Das war schon ein wenig kniffelig, da man die kleinen weichen Objekte mit großer Vorsicht so in den Girlanden einflechten musste, dass sie zwar fest saßen, aber sich eben doch in der Strömung leicht bewegen konnten. Nur durch die Bewegung des Wassers wurde ihre Leuchtkraft aktiviert und je freier die Gürkchen in der Strömung schwingen konnten, desto mehr Licht gaben sie ab. Als Flipps das Geschenk für seine Mutter wieder allein lassen musste, tat es ihm schon etwas leid, weil er gerade wirklich toll voran gekommen war, aber sein Freund Klapps wartete schon auf ihn. Die beiden Jungen hatten gemeinsam die Girlanden zu erstellen und aufzuhängen und Klapps hatte bisher nie mit den zarten Früchten umgehen dürfen und war schon sehr gespannt, wie er sich dabei anstellen würde. Flipps und er waren schnell ein gutes Team. Die Probleme, die Flipps durch seine Verletzung in der feinmotorischen Arbeit hatte, machte Klapps durch sein besonderes Geschick wett und das fehlende Wissen bzgl. des Umgangs mit den Gurken glich Flipps aus. Sie schafften an diesem Tag viel mehr Meter der Girlande, als sie gedacht hatten und da sie auch am nächsten Tag in demselben Tempo weiter machten, hatten sie am kommenden Abend ausreichend Girlanden zusammen, um den ganzen Platz zu schmücken. Flipps Bild war auch fast fertig geworden. Er musste für die restlichen Arbeiten Material von der Oberwelt besorgen, denn klares Blau oder gar Weiß ließ sich hier unten im Wasser nicht auftreiben. Die Farben des Himmels über dem Wasser sind eben etwas ganz besonderes und sie passen eigentlich toll zum Fest, denn der Gründelbarg ist ein Fest des Lichts und der Freude – das Fest des neuen Lebens und der Geburt der Welt. Um weiß zu erhalten, braucht man nur Fadenalgen in der sonne richtig bleichen. Das wusste Flipps schon seit langem und hatte deshalb schon am Vortag einige Streifen ans Ufer geworfen. Auch heute war der Sonnenschein lang und stark gewesen, so dass er Morgen früh, bevor er sich wieder an seine Handarbeit setzen würde, das Material holen konnte. Er würde sehr früh aufstehen müssen, damit er genug Zeit für die Arbeit hatte, bevor er zu Klapps musste, um die fertigen Girlanden aufzuhängen. Die kommenden zwei Tage vergingen wie im Flug, doch die Festvorbereitungen war nun in den Endzügen und Flipps hatte auch das Wandbild für seine Mutter fertig bekommen. Die allgemeine Aufregung hatte ständig zugenommen und hatte seinen Höhepunkt erreicht. Der Vorabend der Festtage von einer solchen Rastlosigkeit geprägt, wie man sie an keinem anderen Abend des Jahres erleben konnte. Es wurden noch Leuchtfische an den Tischen angebunden und Stühle herangeholt. In den Wohnhöhlen wurden noch letzte Köstlichkeiten vorbereitet wurden, denn in den nächsten drei Tagen wurde nicht mehr gekocht oder in irgendeiner Weise gearbeitet. Als es endlich Zeit wurde sich zur Ruhe zu legen, kam endlich auch Ruhe in die Siedlung. Das Wasser war erfüllt von einer gespannten Erwartung, die nun alle erfasst hatte. Jeder, der noch eine letzte Vorbereitung abgeschlossen hatte, verabschiedete sich von den übrigen und schwamm in seine Schlafhöhle. Binnen weniger Minuten lag die Siedlung wie in einem Dornröschenschlaf da. Alle Tische waren gedeckt, alle Lichtgirlanden verströmten ihr sanftes Licht in der Strömung. Der ersehnte Morgen brach an und Flipps war mit dem ersten Sonnenstrahl, der in das Wasser fiel, wach. Ganz leise verließ er sein Bett und schwamm hinaus. Er holte sein Geschenk und kam zurück. Seine Mutter hatte ihn anscheinend doch gehört und war schon aufgestanden. Sie erwartete ihren Sohn mit einem strahlenden Lächeln und wünschte ihm ein tolles Gründelbarg. Sie tauschten ihre Geschenke aus und schauten einander erwartungsvoll beim Auspacken zu. Flipps hat eine wundervolle Weste bekommen, die seine Mutter mit einem sehr feinen Muster gewebt hatte. Die Faser war aus feinster Grünalge gewonnen und weich wie das Wasser selbst. Flipps Mutter war von ihrem Geschenk ebenso begeistert und gemeinsam haben sie das Bild auch gleich an der Wand aufgehängt und davor gefrühstückt. Beide waren glücklich wie selten und genossen die letzten Minuten der innerfamiliären Zweisamkeit. Nach dem Frühstück ging es hinaus auf den Platz, wo sie sich die kommenden zweieinhalb Tag aufhalten würden. Selbst zu Schlafen ging man an Gründelbarg nicht nach Hause, sondern blieb in der Gemeinschaft und feierte und tanzte oder lag ruhend beieinander. Flipps liebte diese Tage und freute sich immer das ganze Jahr darauf und als sie das Frühstück beendet hatten, ließen sie ihre Teller einfach stehen und überließen der Strömung den Abwasch. Gemeinsam gingen sie auf den schön geschmückten Platz, wo bereits viele ihrer Freunde versammelt waren. Flipps hatte für alle kleine Blüten auch Purpuralgen und Zweiglein des Tausendblatts gebastelt und seine Mutter hatte besonderes Kräcker kreiert. Flipps lief zu seinen Freunden und umarmte jeden einzelnen herzlich und überreichte eine Blüte. Auch er bekam von jedem eine Kleinigkeit wie geflochtene Kette aus Algenblättern, besonders weich gestrichene Blätter um darauf schreiben zu können und andere ähnlich praktische oder dekorative Sachen. Sein schönstes Geschenk blieb aber die Weste seiner Mutter, die er mit viel stolz trug. Die restliche Zeit wurde nun gefeiert, gespielt, gelacht und getanzt. Es gab überall Tische mit irgendwelchen Leckereien – mehr, als sie alle in fünf Tagen essen könnten. Nachts lagen sie gemeinsam irgendwo auf dem Platz und redeten und redeten und genossen die Ankunft des neuen Jahres, die mit diesem Fest gefeiert wurde.