Gegenbesuch - -
Mitternacht war längst vorbei, aber ich lag immer noch wach in meinem Bett. Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere und konnte nicht zur Ruhe kommen. Die Ereignisse in der „Veltins-Arena“ und das ganze Drumherum hatten mich so beeindruckt, dass ich immerzu daran denken musste. Ich ließ die Gedanken schweifen. Die vielen Fans, die großen Fahnen, die Lieder und vor allem das Spiel. Alles zog noch einmal an mir vorbei. Ich dachte an „meine“ Mannschaft, die schwarz-gelben Dortmunder. Sie hatten eine Stimmung in mir ausgelöst, die ich beim Quidditch nie so stark empfunden hatte. An den Farben konnte es nicht liegen, denn beim Quidditch spielte meine Hausmannschaft auch in schwarz-gelb. Was also hatte mich so beeindruckt? Ich kam zu dem Schluss, dass es an der ganzen Atmosphäre in der Arena gelegen haben musste. Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf und ich setzte mich ruckartig auf. Ob es in der Dortmunder Arena auch so zuging? Schließlich waren bei dem Spiel viele Fans gewesen, die sich lautstark bemerkbar gemacht hatten. Während ich noch darüber nachdachte, kam mir eine, wie ich fand, super Idee. Ich wollte in die Dortmunder Arena und das Spiel gegen die blau-weißen Schalker von der „anderen Seite“ aus erleben. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr war ich dazu entschlossen. Das musste ich morgen früh gleich EULE erzählen. Mit diesen Gedanken schlief ich dann ein. Am anderen Morgen weihte ich EULE in meinen Plan ein. Sie war sofort Feuer und Flamme, bis ihr einfiel, dass wir ja gar nichts über die Dortmunder wussten. Wo war deren Arena und wie kam man an die Karten? Bei dem Schalkespiel hatte uns ja Marcel die ganze „Arbeit“ abgenommen und wir mussten nur noch alles so machen, wie er es uns gesagte hatte. „Vor allem, wo ist Lüdenscheid-Nord?“, murmelte ich, denn mir war eingefallen, dass Marcel davon gesprochen hatte. Leider reagierte er sehr unwirsch auf unsere Fragen. Wie immer eigentlich, wenn das Gespräch auf die „Kartoffelkäfer“ kam. Über diese Mannschaft wollte er sich nicht mit uns unterhalten. „Na gut“, sagte ich zu EULE, „dann machen wir das halt auf unsere Art. Wir nehmen den Zauberstab und schwupp di wupp, ist alles erledigt.“ Während ich das noch sagte, kam Mathias zu uns. „Was ist mit den Kartoffelkäfern und was macht ihr mit dem Zauberstab?“, sprach er uns an. Wir erzählten ihm von unserem Plan und dass wir jetzt nicht wüssten, wie wir das in die Wege leiten sollten. „Oh, Dortmund gegen Schalke. Da werdet ihr keine Karten mehr bekommen. Das Derby ist immer ausverkauft. Andererseits könnt ihr es ja mal versuchen.“ „Wieso bist du dir so sicher, dass es ausverkauft ist?“, fragte EULE ihren Kollegen enttäuscht. „Ganz einfach“, schmunzelte er, „ich bin ein Fan der Mannschaft und gehe zu jedem Spiel ins Stadion“. Na, das war ja eine Überraschung! Wir erzählten ihm ausführlich, was wir auf Schalke erlebt hatten und dass wir den Tag bei den Dortmundern genauso verbringen wollten. Als er meinte, dass es dort keine Führungen gäbe und wir alles selbst organisieren müssten, waren wir enttäuscht. Nur zum Spiel zu fahren, war nicht das, was wir uns vorgestellt hatten. Mathias sah uns die Enttäuschung an und sagte: „Ist doch nicht so schlimm. Ich erkläre euch, was ihr machen müsst. Schließlich freut sich der Verein über jeden neuen Fan.“ Das konnte EULE nicht so stehen lassen. „Ich bin aber ein Schalke-Fan“, sagte sie so resolut, dass Mathias laut herauslachte. „Na, du bist uns natürlich auch willkommen, denn wir mögen es, wenn wir viele Schalker besiegen können.“ Sprach’s und verschwand eilig, bevor EULE etwas erwidern konnte. Beim Abendessen steckte er mir einen Zettel zu. „Hier, das ist die Adresse vom Verein. Schreibe dorthin und bestelle die Eintrittskarten. Vielleicht habt ihr ja Glück.“ Als ich die Anschrift las, stutzte ich. „Die kann nicht stimmen, da steht Dortmund und nicht Lüdenscheid-Nord drauf.“ Mathias brach in schallendes Gelächter aus, sodass er sich an seinem Brot verschluckte. „Das ist ja köstlich!“, rief er so laut, als wäre er vom „Sonorus-Zauber“ befallen. Wir verstanden gar nicht, was daran so lustig sein sollte. Immerhin würde der Brief ja nicht ankommen. Ob er uns wohl auf dem Arm nehmen wollte? Ich war drauf und dran, ihn mit dem „Silencio-Fluch“ zum Schweigen zu bringen, aber dann überlegte ich es mir anders. Schließlich hing der Erfolg unserer Mission von ihm ab. Nachdem Mathias Luft geholt hatte und wieder sprechen konnte, klärte er uns auf: „Lüdenscheid-Nord sagen nur die Schalker, weil sie das Wort „Dortmund“ nicht in den Mund nehmen wollen. Die Anschrift ist schon richtig“. Peinlich berührt und mit hochrotem Kopf wandte ich mich meinem Essen zu. Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken, so habe ich mich geschämt. EULE und ich konnten es kaum erwarten, die Große Halle zu verlassen. Wir wollten endlich den Brief auf den Weg bringen, damit wir noch eine Chance auf Karten hatten. „Eigentlich lasse ich meine Eule so spät abends nicht mehr raus“, sagte ich, „sie ist noch jung und wird vielleicht den Weg nicht finden.“ „Wir können doch gar keine Eule losschicken“, meinte EULE, „die Muggel würden sich sehr wundern und wir müssten ellenlange Erklärungen abgeben. Außerdem können wir auch nicht die Adresse von Hogwarts angeben.“ Daran hatte ich im Eifer gar nicht gedacht. Was nun? Zum Glück war meine Oma bereit, ihre Adresse anzugeben und so konnten wir die Bestellung abschicken. Tag für Tag meldete ich mich bei ihr und fragte, ob sie schon Post aus Dortmund bekommen hätte. Immer verneinte sie, sodass wir langsam die Hoffnung aufgaben. Auch Mathias glaubte nicht mehr an einen Erfolg, als endlich der erlösende Brief kam. Ich rannte zu EULE und wedelte mit den Karten vor ihrem Gesicht herum. „SIE SIND DA!! SIE SIND DA!!!“, rief ich außer Atem quer durch die Große Halle, „endlich hat es geklappt.“ Alle anderen Schüler sahen mich mit großen Augen an und ich konnte das Getuschel hinter meinem Rücken hören. Aber das war mir egal. Wir würden zum Quidditch der Muggel fahren. Stolz erzählten wir es Mathias. „Gut, dann können wir ja den Tag planen. Ich habe da einige Vorschläge für euch“, sagte er. Wir verabredeten uns für den nächsten Abend und waren gespannt, was er uns erzählen würde. Mathias genoss es sichtlich, uns auf die Folter zu spannen. Er tat so, als müsse er überlegen, was er uns raten sollte und holte dann tief Luft: „Also, ich habe gedacht, ich erzähle euch einfach mal, wie wir Dortmunder Fans uns auf ein Spiel vorbereiten.“ Das war eine gute Idee und wir waren ganz Ohr. Schließlich musste er ja wissen, wie man einen solchen Tag richtig „begeht“. „Am Spieltag muss man natürlich das Trikot und den Schal parat liegen haben, denn …“ „Wir haben gar keine Dortmund-Trikots und –Schals“, unterbrach EULE ihn, „was machen wir denn da?“ „Kein Problem“, erwiderte Mathias, „das kann ich euch ausleihen. Aber wagt ja nicht, das Teil zu waschen. Das bringt Unglück.“ Wie?? Das Trikot ist dreckig??? „Iiieh, das zieh ich auf keinen Fall an“, rief ich unvermittelt aus. Mathias war fast beleidigt: „Das Trikot ist nicht dreckig, da ist die Aura der Spiele drin. Es zu waschen, bringt Unglück.“ „Ach so“, sagte ich erstaunt. Ich blieb aber trotzdem dabei, das Trikot nicht anzuziehen. Mathias fuhr fort: „Also, gegen 11 Uhr fahrt ihr mit dem Zug nach Dortmund. Unterwegs werdet ihr schon viele Fans sehen, die auf dem Weg zum Stadion sind. In der Bahnhofshalle in Dortmund ist ein kleines Lokal, der „City-Treff“. Dort treffen sich die Fans vor dem Spiel.“ „Ich weiß“, rief ich aufgeregt, „das ist die Vorbesprechung.“ Mathias grinste: „Na ja, manchmal artet sie auch aus und mancher kommt nicht mehr zum Spiel, weil er die Vorbesprechung zu intensiv betrieben hat. Am besten fahrt ihr dann gegen 13 Uhr mit der Bahn zum Stadion, denn später wird es zu voll und ihr würdet vielleicht Platzangst bekommen.“ „Ha, wir und Platzangst, da haben wir schon ganz andere Situationen überstanden,“ murmelte ich und EULE nickte zur Bestätigung. Aber das konnte Mathias ja nicht wissen. „Bevor ihr dann in den Signal-Iduna-Park geht …“- „Wieso Park?? Wir wollen doch ins Fußballstadion“, sagte ich überrascht. „Ja“, meinte Mathias, „so heißt unser Stadion.“ „Die Muggel sind komisch. Mal sagen sie Stadion, dann Arena und dann wieder Park. Wie soll man sich als Hexe da auskennen“, flüsterte mir EULE zu. Ich bestätigte ihre Worte durch ein heftiges Kopfnicken, da Mathias weiter erzählte. „Also, den Weg zum Stadion könnt ihr nicht verfehlen. Ihr müsst nur den schwarz-gelben Fans hinterherlaufen. Vor dem Drehkreuz steckt ihr eure Eintrittskarten in den Apparat und dann könnt ihr hineingehen.“ „Genauso wie bei Schalke“, sagte EULE. „Dann wissen wir schon Bescheid und kommen selbst klar.“, Das dachten wir zumindest, aber die Muggelwelt ist immer für eine Überraschung gut. Wir bedankten uns bei Mathias für die Informationen und Ratschläge. Jetzt mussten wir nur noch die entsprechende Fan-Kleidung bekommen. EULE entschied sich für das Trikot. Ich musste grinsen, denn ich ahnte, wie schwer es ihr fiel. Schließlich hatte sie ja ihr Fußballherz für Schalke entdeckt. Ich blieb bei einem dezenten, schwarz-gelben Halstuch, das gefiel mir besser und das durfte man auch waschen. So waren wir gut gerüstet. Einige Tage später war es dann soweit. Der „Gegenbesuch“ in Dortmund stand an und wir waren entsprechend aufgeregt. Würde dieser Tag auch so schön werden wie damals in der Veltins-Arena? Wie sieht das Dortmunder Stadion überhaupt aus? Frohgemut, voller Vorfreude und Neugierde machten wir uns an einem sonnigen Samstagmorgen auf den Weg. Schon auf dem Bahnsteig warteten viele Dortmund-Fans, ausgerüstet mit großen Fahnen und unzähligen Schals und Kappen. Auch sie hatten gute Laune und sangen ihre Fanlieder. „Heya, BVB, heya, BVB“ und „Boorussiiiaaa“ klang es durch den Zug. Ich war einfach hin und weg. So viele Huffle-Farben auf einmal habe ich noch nie gesehen und ich genoss diesen Anblick. So verging die Zeit bis zur Ankunft am Dortmunder Hauptbahnhof wie im Flug. Plötzlich blieb EULE wie angewurzelt stehen. „Da, schau mal“, flüsterte sie mir zu und hielt mich am Arm fest. Ich schaute in die angezeigte Richtung und musste schlucken. Dort standen so viele Muggel-Polizisten zusammen, wie ich es noch nie erlebt habe. Was war geschehen? Waren wir enttarnt worden? Aber wir konnten uns beim besten Willen nicht vorstellen, irgendeinen Fehler gemacht zu haben. Unsicher und ein wenig zitterig setzten wir unseren Weg fort. Als wir an den Polizisten vorbeikamen, konnten wir ihrer Unterhaltung entnehmen, dass sie keineswegs auf der Suche nach zwei Hexen waren. „Puhh“, kam es EULE und mir gleichzeitig über die Lippen. Uns stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Die Polizisten sollten darauf achten, dass die Dortmunder Fans nicht mit denen von Schalke zusammentrafen, denn das könnte eine Riesenrauferei geben. Erleichtert betraten wir den „City-Treff“ und nahmen am Fenster Platz. Auch hier wimmelte es nur so von Fans, die ihre „Vorbesprechung“ abhielten. Wir bestellten eine Cola - ein Getränk, das bei den Muggeln sehr beliebt ist - und vertrieben uns die Zeit mit schauen und genießen. Gegen 13 Uhr leerte sich das Lokal zusehends und uns fiel ein, dass wir ja um diese Zeit zum Stadion fahren sollten. Gesagt, getan. Als wir auf dem Bahnsteig ankamen, stockte uns der Atem. „Boah!“, rief ich aus, „wenn die alle in die Bahn wollen, werden wir wohl keinen Platz finden.“ Da wir aber nicht warten wollten, quetschten wir uns mit den anderen in den Zug, denn die Fahrt sollte ja nicht so lange dauern. Noch nie war ich den Muggeln so nah gekommen! „Wo müssen wir denn raus? Ich sehe gar nichts“, rief EULE mir zu. „Ich auch nicht“, antwortet ich ein wenig gequetscht. „Steigt da aus, wo alle Schwarz-Gelben aussteigen“, meinte der junge Mann neben mir lakonisch. Ich glaube, der hielt uns für ziemlich einfältig, denn sein Blick kam mir sehr geringschätzig vor. Am Ziel angekommen, schnappten wir erst einmal nach Luft. Ein Glück, dass wir das heil überstanden hatten. Selbst in der Bahn damals in Gelsenkirchen war es nicht annähernd so eng gewesen wie hier. Scheinbar hatten die Dortmunder mehr Fans als die Schalker. Den Weg zum Stadion konnte man nicht verpassen, denn überall standen entsprechende Schilder, denen auch die anderen Fans nachgingen. Und dann waren wir da. Staunend standen wir vor dem Stadion. „Ui, ist das groß“, sagte ich überwältigt. „Und sooo hoch. Ob man da oben überhaupt noch was sehen kann?“, meinte EULE. Auf diese Frage sollten wir später eine Antwort bekommen, die uns absolut nicht gefallen würde. Mit dem Drehkreuz hatten wir keine Schwierigkeiten, da wir das ja von Schalke kannten. Eine junge Frau tastete mich nach Waffen ab. Ich hoffte, dass sie meinen Zauberstab nicht fand, denn wie sollte ich das erklären?! Zum Glück hatte sie ihn wohl nicht bemerkt und ich konnte durchgehen. Auch EULE musste diese Prozedur über sich ergehen lassen, hat sie aber ebenfalls schadlos überstanden. Wir betraten ehrfürchtig das Stadion. Gut, die Arena von Schalke war sehr viel schöner, aber dafür war der Signal-Iduna-Park größer und imposanter. Zunächst wollten wir schauen, auf welchem Platz wir denn sitzen würden. Anhand der Angaben auf der Eintrittskarte und der Hinweisschilder konnte man sich gut zurechtfinden. Zunächst dachten wir uns nichts dabei, dass wir etliche Stufen aufwärts nehmen mussten. Auf jeder Etage glaubten wir, jetzt sind wir da. Pustekuchen. Es ging immer höher und uns wurde langsam mulmig. Wir sind ja beide nicht schwindelfrei und ein Platz ganz oben wäre fatal. Es kam, wie es kommen musste: Als wir unsere Etage endlich erreicht hatten, befanden wir uns unterhalb des Daches. Während wir auf unseren Block zugingen, erhaschte ich einen Blick in den Innenraum des Stadions. Ich blieb stehen und mir wurde fast schlecht. Auf Augenhöhe zu mir befand sich eine dicke riesige Stahlkonstruktion, die das Dach hielt. „Da geh ich auf keinen Fall rein. Das geht gar nicht“, brachte ich mühsam hervor. „Auf Schalke würden wir auf dem Dach sitzen“, bestätigte EULE zitternd und blass. Damit hatten wir nun gar nicht gerechnet. Nachdem wir uns von dem Schock erholt hatten, stellte sich die Frage, was wir nun machen sollten. Fest stand, dass wir diese Plätze auf keinen Fall einnehmen konnten. Andererseits wollten wir auch nicht auf das Spiel verzichten. Wir entschieden, einige Blocks nach unten zu gehen und zu schauen, ob irgendwo freie Plätze waren. Drei Etagen tiefer trafen wir einen Ordner. Das ist ein Muggel, der die Eintrittskarten kontrolliert, damit sich niemand auf den falschen Platz setzt. Wir schilderten ihm unser Problem. Er war sehr freundlich, machte uns aber klar, dass es wohl keine freien Sitzplätze geben werde und auf die Treppen dürfe sich aus Sicherheitsgründen niemand setzen. „Vielleicht tauscht jemand mit euch. Das wäre die einzige Möglichkeit, die ich für euch sehe.“ Da es bis zum Spielbeginn noch dauerte, schauten wir uns im Stadion um. Die Aufregung war uns so auf den Magen geschlagen, dass wir erst einmal etwas essen und trinken mussten. Wir beobachteten, dass die Fans mit Muggelgeld bezahlten. Hier gab es also keine sogenannte „Knappenkarte“, auf die man einen Betrag buchen lassen konnte. Wir suchten unser Muggelgeld heraus und holten uns eine Cola. Unsere Gedanken kreisten um das Problem, wie wir nun passende Plätze finden könnten und ob wohl jemand mit uns tauschen würde. Aber davon wollten wir uns den Spaß am heutigen Tag nicht verderben lassen. „Wir werden schon eine Lösung finden“, machte ich uns Mut. Eine Stunde vor Spielbeginn gingen wir wieder in den Block zurück und nahmen die Plätze ein. Wir wollten einfach hierbleiben und abwarten, was auf uns zukommen würde. So nach und nach erschienen immer mehr Fans auf den Zuschauerrängen und hingen ihre Fahnen auf. Man konnte die Namen der Fanklubs lesen und auch Sprüche, die gegen den heutigen Gegner gerichtet waren. Uns gegenüber befand sich die Südtribüne. Das ist das Zentrum der treuesten Fans und dort wurde am lautesten gesungen. Darüber hing ein großes Transparent, auf dem stand: „Südtribüne – die schwarz-gelbe Wand“. Das stimmte sogar. Vor lauter schwarz-gelb hatte man wirklich den Eindruck, auf eine Wand zu schauen. Wir waren sehr beeindruckt und hatten unser Problem schon fast vergessen. Bisher hatte noch niemand unsere Plätze beansprucht und wir hofften, dass es so bleiben würde. Dann war es soweit. Viele Fans stellten sich rund um das Spielfeld auf und schwenkten riesige Fahnen hin und her. Dazu ertönte aus den Lautsprechern das Borussia-Lied „Geh auf mein Stern Borussia“ und alle sangen kräftig. Das Lied war so schön, dass es uns die Tränen in die Augen trieb. Das ganze Stadion sang mit. Es war sehr beeindruckend, und wir ließen uns von dieser Stimmung anstecken. Die Fahnenträger stellten sich zu einem Spalier auf und warteten auf die Spieler. Gerade, als diese auf das Spielfeld liefen, sagte jemand neben mir: „Ey, das ist unser Platz!“ Erschrocken blickte ich auf die Männer, die vor mir standen. Sie schauten mich so böse und missmutig an, dass mir erst einmal die Sprache wegblieb. EULE schaltete schneller. Sie schilderte ihnen unser Problem und bot ihnen unsere regulären Sitzplätze an. Sie sträubten sich und waren erst zu einem Platzwechsel bereit, als EULE ihnen noch Muggelgeld anbot. Endlich konnten wir uns auf das Spiel konzentrieren, das schon seit einigen Minuten lief. Es war ein gutes und temporeiches Spiel. Schalke und Dortmund schenkten sich nichts. Es gab auch viele Fouls, die aber vom Schiedsrichter bestraft wurden. Auf beiden Seiten gab es viele Chancen, die leider nicht genutzt wurden. Jedes Mal, wenn ein schwarz-gelber Spieler aufs Tor schoss, sprangen alle neben uns auf. Der Ball ging daneben und durch das Stadion ging ein großes Raunen und „OH“. Das machte einem eine richtige Gänsehaut. 80.000 Muggel im Stadion sind schon ganz schön viel. Die Dortmunder feuerten ihre Mannschaft an und die Schalker riefen dagegen. Das war sehr lustig anzuhören und zu erleben. Als wir uns schon auf ein erneutes Unentschieden eingerichtet haben (das Spiel in der „Veltins-Arena“ war ja bekanntlich 1:1 ausgegangen), schoss Schalke das Siegtor. EULE war ganz aus dem Häuschen und jubelte laut. Sie bemerkte gar nicht, dass die Leute neben ihr sie komisch anschauten, denn immerhin bejubelte sie einen Schalke-Sieg im Dortmund-Trikot. Als ich sie darauf aufmerksam machte, wäre sie gern in einem Mauseloch verschwunden oder hätte sich durch den Verschwinde-Zauber unsichtbar gemacht. Auf dem Weg zur Bahn entschlossen wir uns, noch in Dortmund essen zu gehen. Von der Stadt hatten wir ja außer dem Bahnhof noch nichts gesehen. Auch auf der Rückfahrt war es wieder ziemlich eng, aber dieses Mal machte es uns weniger aus und wir unterhielten uns über das Spiel. In der Innenstadt sahen wir ein Lokal, das uns ansprach, aber es fehlte das gelbe M. „Komisch“, sagte ich zu EULE, „da steht Burger King drauf, sieht aber so aus wie das gelbe M.“ „Lass uns mal reingehen“, meinte sie. Gesagt, getan. Zum Glück gab es auch hier Bildchen, die anzeigten, was man zu Essen bekam. So fiel uns die Auswahl viel leichter. Das Essen war sehr lecker und wir ließen noch einmal den ganzen Tag an uns vorbeiziehen. Wieder am Bahnhof angekommen, schauten wir auf den Fahrplan, um das richtige Abfahrtgleis zu finden. Wir hatten noch eine halbe Stunde Zeit und so gingen wir gemütlich auf den Bahnsteig. Überall sah man deprimierte schwarz-gelbe Fans, die ihre Fahnen eingerollt hatten und trübe vor sich hinblickten. Ich konnte ihre Enttäuschung gut nachvollziehen. Während wir warteten, kam eine Lautsprecherdurchsage: „Der Zug auf Gleis 8 hat zehn Minuten Verspätung. Er rollt gegen 19:58 Uhr ein.“ Wir wurden stutzig, denn unser Zug sollte doch um halb acht losfahren. Wir schauten nochmals auf den Fahrplan. Dort stand eindeutig halb acht. Ich ging mit dem Finger etwas tiefer und EULE rief aus: „Was ist das denn für ein Zeichen?“ Ich schaute in der Legende nach und wir stellten fest, dass der Zug samstags nicht fuhr. Ich hatte die ganze Zeit den Finger darauf gehabt. Nun hatten wir mal wieder ein Problem. Wie sollten wir jetzt nach Hause kommen? Es fuhr kein Zug mehr bis in unsere Stadt. Einen Moment lang zogen wir in Erwägung zu apparieren, aber am Bahnhof standen so viele Leute, dass es garantiert einen Muggelauflauf gegeben hätte. Schweren Herzens verzichteten wir also darauf. Wir beschlossen, meinen Vater anzurufen, damit er uns mit dem Auto abholen konnte. Wir hatten zum Glück das Minitelefon mitgenommen. Da saßen also nun zwei müde Hexen in der Muggelstadt Dortmund auf einer Mauer und warteten darauf, abgeholt zu werden. Nach ungefähr einer Stunde befanden wir uns auf dem Heimweg und wir waren froh, endlich in unsere Betten fallen zu können. Uns hat der Tag bei den Schwarz-Gelben sehr gut gefallen, auch wenn er mehr Aufregung bot, als uns lieb war. Fazit: Schwarz-Gelb und Blau-Weiß sind beide einen Besuch wert.