Kapitel 2 – Öffis, Punks und andere komische Sachen - -
Wie am Abend zuvor beschlossen, schickte Heribert am nächsten Morgen seine wunderschöne, graue Schleiereule zum Ministerium. In dem Brief, den er ihr ans Bein gebunden hatte, entschuldigte er sich für die nächsten zwei Tage, da ihn eine fiese Magenverstimmung erwischt hätte. So ein Urteil kann ja gut auf den Magen schlagen. Er hoffte nur, dass keiner vom Ministerium kommen würde, um dies zu kontrollieren, denn dann würde sich Heribert zu Mauszahn gleich die nächste Verhandlung einhandeln. Heribert wandte sich von seinem Küchenfenster ab. Er hatte seiner Eule hinterhergesehen und war dann tief in Gedanken versunken. Zum Glück hatte er sich damals eine Wohnsiedlung ausgesucht, in der er, entgegen den gesetzlichen Regeln für Zauberer, unter Muggeln lebte. Dies verschaffte ihm jetzt einen großen Vorteil, denn so konnte er seine Nachbarn beobachten und herausfinden, wie diese zu ihrer Arbeit gelangten. Er ging mit seinem direkten Nachbarn immer ein Stück weit den Weg entlang, ehe zu Mauszahn sich eine abgelegene Stelle suchte, um ins Ministerium zu apparieren. Doch erst einmal gönnte er sich heute ein ausgiebiges Frühstück. Sein Nachbar war bereits auf der Arbeit, doch die Frau des Nachbarn trat gerade aus der Haustür. Schnell warf er seinen abgebissenen Toast auf den Teller, verhedderte sich fast in seinem Mantel, schnappte sich noch schnell seinen Schlüssel und ließ die Tür ins Schloss fallen. Arthurs Frau hatte schon einen ordentlichen Vorsprung, sodass Heribert ihr in großem Abstand folgen konnte. So würde sie keinen Verdacht schöpfen und er in eine brenzlige Lage kommen. Mary hatte es nicht wirklich eilig, dennoch hatte sie einen raschen Schritt. Heribert staunte nicht schlecht wie sie sich, ähnlich einer Gazelle – welche Heribert natürlich nicht kannte - durch die Menschenmasse bewegte. Sie gelangten in eine große Unterführung, in die eine Treppe hinabführte. Dass dies die U-Bahnstation war, wusste Heribert natürlich nicht. Also folgte er ihr in den für ihn dunklen Schacht und ihm wurde leicht übel, als er die typische muffige und abgestandene U-Bahn-Luft einatmete. Der stechende Geruch von Urin und Alkohol verschlimmerte das Ganze noch. Heribert zu Mauszahn wäre am liebsten rückwärts wieder hinausgelaufen, doch er wusste, dass er sich nur noch so helfen konnte. Ein Fluch rutschte ihm über die Lippen, denn während er die Geschehnisse noch verinnerlichte, war Mary aus seinem Blickfeld komplett verschwunden. „Was jetzt?“, dachte er sich leicht panisch. Doch seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als er eine rauchige Stimme links neben ihm vernahm: „Tschuldigen Sie, hätten Sie vielleicht ein paar Pence?“ Heribert drehte sich zu der Person und ihm verschlug es erneut den Atem. Abgewetzte, ranzige Kleidung klebte an dem dünnen Mann. Das fettige Haar hing ihm strähnig im Gesicht und erst sein Atem. Heribert hielt seinen Mantelärmel schützend vor Mund und Nase. Nicht nur, dass in seinem Mund nur noch ein paar Stummel standen, die wohl mal Zähne gewesen waren, die Heribert richtig anwiderten. Nein, auch sein Atem roch widerlich und er wusste, dass er diesen Geruch schon beim Betreten der Station gerochen hatte. Heribert würgte ein: „Ich kenn dieses Geld nicht und jetzt verschwinde!“ hervor und wollte sich abwenden, doch die schnellen Finger grabschten nach seinem Arm. Ihm wurde fast schwarz vor Augen, als er aus dem Augenwinkel die Hände und Finger des Obdachlosen bemerkte. Der Griff wurde fester und der widerliche Geruch beraubte ihm die Sinne. Heribert wusste sich nicht besser zu helfen, als im Stillen einen »Petrificus Totalus« gegen diese Person zu gebrauchen. Danach schritt er mit schnellen Schritten aus der Station. „Das war dann doch ein wenig zu viel“, murmelte er vor sich hin. Doch eines war ihm bewusst geworden. Damit er zu Arbeit kam, brauchte er wohl etwas von diesem »Pence«. „Da frag ich am besten meinen Großonkel, ob er mir davon etwas geben kann.“ Dass sich Heribert noch auf der Straße befand und Selbstgespräche führte, bemerkte er nicht. Er beschleunigte seine Schritte und hoffte, dass seine Schleiereule mittlerweile wieder zu Hause angekommen war. Denn dann konnte er seine Schleiereule zu seinem Großonkel schicken und ihm die brenzlige Lage erklären. Heribert trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Fensterbrett. Vor zwei Stunden hatte er seinem Großonkel, mithilfe seiner Eule, einen Brief zukommen lassen. „Hoffentlich hat er mir etwas mitgeschickt.“ „Hoffentlich hat meine Eule den Weg überstanden.“ Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf, und bevor ihm die Decke auf den Kopf fiel, schnappte er sich seinen Mantel und seine Schlüssel. Heribert wollte noch einmal zu dem dunklen Schacht und sich genauer umsehen. Diesmal traf ihn die Geruchswolke, die aus der Station kam, nicht ganz so extrem wie beim ersten Mal. Erst jetzt fiel ihm auf, wie verwinkelt das Ganze war. Hier blinkte ein „geöffnet“ Schild, da klapperten Münzen in einem Automaten. Glücklicherweise fuhren nur zwei Linien durch diese Station. Heribert zu Mauszahn beschloss, sich einen dieser komischen geldfressenden Automaten mal genauer anzuschauen. Er trat auf einen Unbenutzten zu und blickte irritiert auf ein buntes Bild. „Bitte berühren“, stand dort. Vorsichtig, als ob er sich verbrennen könnte, berührte Heribert das Bild. Es verschwand und diverse andere bunte, beschriftete Balken erschienen. Daneben erschien ein Preis, zumindest erschloss sich das Heribert. Er pfiff leise durch die Zähne. Doch zumindest wusste er jetzt, wie er diesen Automaten bedienen musste. Da sich der Schacht wieder füllte, entschloss sich Heribert wieder nach Hause zu gehen. Was er dann dort machte, wusste er noch nicht. Aber dann fiel ihm ein, dass er ja noch den Streifen Papier besaß, den er sich von der Information geholt hatte. Dort sollte er ja dann herausfinden können, wie er zum Ministerium kam. Die Sonnenstrahlen kitzelten Heribert in der Nase. Gestern hatte er noch öfter den Schacht besucht und ihm war erst beim fünften Mal aufgefallen, dass von außen etwas auf der Fassade stand. Innerlich jubilierend war er dann wieder nach Hause gegangen und hatte den Streifen Papier begutachtet. Er hatte sich einen Plan zurecht gelegt doch jetzt, wo er gerädert seine Morgentoilette erledigte, schnell frühstückte und dann die Haustür ins Schloss zog, war er sich nicht mehr so sicher. Doch er konnte sich nicht vor der Arbeit drücken und schloss mit seinem Nachbarn auf. Dieser versuchte Heribert in ein Gespräch zu verwickeln, doch er merkte schnell, dass dies nicht zustande kommen würde. Heribert zu Mauszahn ließ sich mit dem Strom mitschieben. Er legte einen kleinen Umweg an den Automaten ein und drehte sich danach sichtlich mit seiner Fahrkarte in der Hand, zu einem komischem, metallenem Kreuz. Er beobachtete zwar die Leute vor ihm, doch als er seine Karte in die Rinne schob und sich gegen das Kreuz lehnte, verhedderte er sich und landete schließlich unsanft auf seinem Hintern. Schnell rappelte er sich wieder auf und folgte den Nachzüglern zu den Gleisen. Als ein metallener Zug vor ihm stehen blieb, er schloss daraus, dass dies wohl die U-Bahn sei, stieg er glücklich ein. Doch bereits nach drei Stationen hatte er ein unwohles Gefühl im Bauch. An der vierten Station stieg er aus, suchte dann nach einem Stadtplan und stellte fest, dass er sich verfahren hatte. „So viel zu meinem Plan“, rügte er sich selbst. „Heribert du musst etwas für deine grauen Zellen tun.“ Da er sich aber jetzt mit den Plänen auskannte, suchte er die richtige Linie, wartete auf diese und fuhr wieder zurück. Nach einer unendlich langen Fahrt erkannte er die Seitengasse wieder und dort fand er auch die rote Telefonzelle. Nachdem er die Anweisungen befolgt hatte, war er erleichtert, als er sich im Atrium wiederfand, denn hier kannte er sich aus. Ob er daran noch Spaß finden würde, konnte sich Heribert nicht erklären. Denn das wird eine andere Geschichte sein …