1960 - -
Tom Riddle war in der Schule gewesen. Helena war aufgeregt. Er hatte Albus Dumbledore besucht und war in den Raum der Wünsche gegangen. Was hatte er dort getan? Sie hatte keine brauchbare Idee, sosehr sie auch grübelte und sich den Kopf zerbrach. Also machte auch sie sich auf den Weg zum Raum der Wünsche, um nachzuschauen. Als sie sich näherte, bekam sie ein mulmiges Gefühl. Irgendetwas war hier. Eine Kraft, eine Magie lag in der Luft, spürbar. Fast glaubte Helena, sie würde ein leises Geräusch hören. Eine Art Wispern. Je mehr sie sich näherte, desto greifbarer wurde es. Das war dunkle, sehr starke Magie, die ihr da entgegen strömte. Helena betrat den Raum und näherte sich vorsichtig. Das waren merkwürdige Geräusche, fast wie ein Zischen. Es erinnerte sie an etwas, etwas das sie vor sehr langer Zeit einmal gehört hatte. Aber was war es nur? Und dann durchfuhr es sie wie ein Donnerschlag. Das war Parsel! Die Sprache Salazar Slytherins. Vor vielen hundert Jahren hatte sie Slytherin persönlich so mit Schlangen sprechen hören. Das hatte sie fast völlig vergessen. Und was lag da? Es war das Kästchen mit dem Diadem ihrer Mutter! Wie kam es hierher? Was hatte Tom getan? Was hatte er mit dem Diadem ihrer Mutter gemacht? Ihre zitternden geisterhaften Hände glitten durch das Kästchen hindurch. Sie spürte es sofort. Ein mächtiger, großer Zauber lag auf dem Diadem, hatte sich mit ihm verbunden und verwoben. Das Diadem vibrierte ein wenig und Helena wusste instinktiv, dass nur sie dieses Vibrieren fühlen konnte, weil sie ein Geist war. Ein Mensch hätte es nicht gespürt. Eine Bewegung hinter ihr ließ sie herumfahren. Da stand Tom Riddle und grinste sie an. Sie schrie mit verzerrter Stimme: „Was haben Sie mit dem Diadem meiner Mutter getan?“, doch Tom grinste einfach weiter. Helena tobte und schimpfte. Sie drohte, zum Schulleiter zu gehen, wenn er den Fluch nicht aufheben würde. Schließlich sprach Tom: „Das, liebe Helena, würde bedeuten, dass Sie Ihr Fehlverhalten endgültig für alle Welt offenbaren müssten und gerade das war Ihnen doch so wichtig, dass Sie weiterhin die schöne, unnahbare Tochter Rowena Ravenclaws bleiben.“ Helena war fassungslos. Mühselig rang sie um Haltung und flüsterte: „Sie haben mein Vertrauen missbraucht, Tom.“ „Ja, das habe ich“, antwortete Tom, „denn ich brauchte einen perfekten Platz für meinen fünften Horkrux. Was eignete sich da besser als das verschollene Diadem von Ravenclaw. Wer sucht schon nach einem verschollenen Diadem? Ihre Vertrauensseligkeit hat mich auf meinem Weg zur Unsterblichkeit einen großen Schritt vorangebracht und ich werde Ihnen dafür immer dankbar sein.“ Sein Grinsen hatte jetzt etwas schmierig Herablassendes. Helena schrie ihn an: „SIE HABEN DAS DIADEM MIT DUNKLER MAGIE BESUDELT!“ „Das würde ich so nicht sagen, Helena. Es ist nun ein ausgesprochen wertvoller Behälter. Es beherbergt einen Seelensplitter von Lord Voldemort. Ja, das ist mein neuer Name. Das Muggelerbe habe ich aus meinem Namen getilgt! Ich bin der letzte lebende Nachfahre von Salazar Slytherin! Ich bin der Zauberer, den die Welt nie mehr vergessen wird. Und ich werde ewig leben!“ Seine Augen leuchteten rot, sein Gesicht war verzerrt in einem grauenhaften Lachen, das Helena sich von ihm nie hätte vorstellen können. Sein hämisches Gelächter hallte durch den Raum und in Helena Ravenclaw brannte die alte Scham, gepaart mit einer neuen. Erneut hatte sie einen großen Fehler begangen und auch diesmal hatte sie keine Chance, es wieder gutzumachen. Sie floh. Floh vor dem Gelächter, vor Lord Voldemort, der eigenen Scham und dem Schmerz. Sie versteckte sich und wurde für lange Zeit tagsüber in Hogwarts nicht mehr gesehen, obwohl sie immer da war. Nur des Nachts glitt sie schmerzerfüllt durch die Gänge des Schlosses. Es dauerte Jahre, bis sie ihren alten Platz im Kreuzgang wieder regelmäßig besuchte. Zum Diadem im Raum der Wünsche kehrte sie nicht mehr zurück. Sie versuchte, es zu vergessen.