Prolog - -
Helena Ravenclaw war nun schon sehr, sehr lange Geist in Hogwarts. Schön, kühl, elegant und besonders scheu verbrachte sie ihre Zeit bevorzugt in den ruhigen Bereichen des Schlosses. Selten sah man sie mit jemandem sprechen und wenn, dann war es etwas Belangloses. Graue Dame, so wurde sie genannt. Obwohl ihr dieser Name Anonymität sicherte, verabscheute sie ihn. Wenn jemand auf diese Weise nach ihr rief, ignorierte sie den Ruf. Schon zu Lebzeiten war Helena schwermütig gewesen. Sie hatte immer im Schatten ihrer geradezu übermächtigen Mutter gestanden. Rowena Ravenclaw war klug, schön und über alle Maßen begabt gewesen. Als Tochter dieser Frau hatte Helena nie eine Chance gehabt, zu eigener Größe heranzureifen, zumindest glaubte sie das selbst. Und dann, eines besonders einsamen Tages, als ihr Ärger, ihr Neid, ihr Schmerz unerträglich geworden waren, hatte sie das magische Diadem ihrer Mutter gestohlen und war nach Albanien verschwunden. Ob sie hoffte, das magische Diadem würde sie klüger machen, talentierter, erfolgreicher? Sie wusste es nicht mehr. Manchmal fragte sie sich, ob es ihr helfen würde, mit jemandem darüber zu sprechen. Aber würde das nicht ihre Würde, ihren Stolz beschädigen? Das war doch das einzige, was Helena noch geblieben war – ihr Stolz. Sie war noch immer eine Ravenclaw. Rowenas Tochter. Helena seufzte. Kurz nach dem Verlust ihres magischen Diadems war Rowena schwer erkrankt. Helenas schlechtes Gewissen und ihre Schuldgefühle hatten sie davon abgehalten, zu ihrer Mutter zurückzukehren, um sie um Vergebung zu bitten. Rowena Ravenclaw hatte ihre Tochter unbedingt noch einmal sehen wollen. Sie hatte einen jungen Baron geschickt, der sie zurück holen sollte. Helenas Stolz und Verzweiflung kosteten schließlich drei Menschen das Leben. Zuerst Helenas, erstochen von dem jungen Baron. Dieser nahm sich danach selbst das Leben, als Sühne für den Mord an Helena. Und schließlich Rowenas, die sich nach diesem Schlag nicht mehr erholte und ebenfalls vor ihrer Zeit starb. Helena kehrte nach ihrem Tod als Geist nach Hogwarts zurück, um Buße zu tun. Um immer daran erinnert zu werden, was sie angerichtet hatte. Für alle Zeiten wollte sie gewahr sein, wie gefährlich Neid und Anmaßung sein konnten. Natürlich wurde sie der Hausgeist von Ravenclaw. Wer sonst hätte diese Funktion besser ausfüllen können? Allerdings zog Helena sich mehr und mehr zurück. Selbst die Schüler ihres eigenen Hauses bekamen nur sehr selten die Gelegenheit, ihr zu begegnen. Viele hundert Jahre gingen ins Land. 1943 tobte in Muggel-Europa ein Krieg, von dem sogar Helena gehört hatte.