Anjalina, Gryffindor zu Lily Star - 3. Platz
  Muggelaufstand oder wie Muggel in kurzer Zeit ein Schloss zerlegen Müde und unausgeschlafen stieg Caja aus ihrem Bett, suchte ihren hellblauen Schulumhang, zog sich an und schlich leise aus dem Schlafraum. Ihre beiden Mitstreiterinnen schliefen noch und sie wollte sie nicht aufwecken, denn bis zum ersten Wecken war es immerhin noch eine ganze Stunde. Dennoch konnte Caja nicht schlafen. Eigentlich schlief sie die ganze letzte Zeit nicht besonders gut und keiner wusste genau, woran das lag. Die Heilerin der Schule hatte keine Krankheit feststellen können, Caja hatte keine Albträume – wenn sie so darüber nachdachte, konnte sie sich nicht einmal an einen guten Traum erinnern – und sie war fit und munter, wenn der Tag sich dem Ende neigte. Nur morgens früh war sie müde und unausgeschlafen – kein Wunder, wenn sie jeden Morgen ein bis zwei Stunden früher als die anderen aufstand. Im Aufenthaltsraum des höchsten Turmes, der für die Sechstklässler reserviert war, ließ sie sich in einen Sessel fallen und blickte sich nachdenklich um. Wieso war sie schon wieder aufgewacht? Sie wusste es nicht und konnte sich keinen Reim darauf machen, was passiert war. Aber genauso wenig konnte sie jetzt, hier in diesem Zimmer, Ruhe und Entspannung finden. Sie merkte förmlich, wie ihr Körper innerlich nach Bewegung schrie. Also stand sie schweren Herzens wieder auf, schnappte sich ihre Schultasche und ihren Zauberstab und ging die enge Wendeltreppe hinunter bis in die große, lichtdurchflutete Vorhalle. Natürlich war auch hier noch niemand zu sehen, denn alle Bewohner Salenias schliefen noch, um möglichst viel Schlaf vor dem täglichen Unterricht zu bekommen. Nur der Hausmeister, der einzige Mann, der im Schloss übernachtete, würde sicherlich schon auf den Beinen sein und Caja erschauderte, sobald sie an ihn dachte. Sie hasste ihn. Alle Schülerinnen der Zauberschule Salenia hassten ihn, was angesichts seiner stierenden Augen auch kein Wunder war. Er schaute einfach gerne jeder Schülerin nach und davon gab es im Schloss reichlich, denn es handelte sich um eine reine Mädchenschule. Das war wohl auch der Grund, warum niemand ihn unter seinem richtigen Namen kannte. Alle nannten ihn nur Peer und niemand wusste, ob nun der Ausdruck an sich, die Tatsache, dass er mit einem englischen Ausdruck mitten in Paris bedacht war oder, ob es die Kombination aus beidem war, die ihn jedes Mal zur Weißglut brachten, wenn er diesen Namen hörte. Caja seufzte und beeilte sich in den Frühstücksraum zu kommen, dort hatte der Hausmeister keinen Zuritt. Frühstück gab es zum Glück bereits schon – die französischen Hauselfen waren Frühaufsteher, genau wie sie selbst und so konnte sie sich um diese Zeit frei ihren Platz in dem großen Saal suchen. Kleine Tische standen dort verstreut und an jedem fanden vier bis sechs Schülerinnen Platz. Caja setzte sich an ihren Lieblingstisch direkt neben dem großen Kamin und orderte bei ihrem Teller einen großen Pott Kaffee und ein Toast mit Butter – ihr übliches Frühstück. Mehr konnte sie einfach nicht essen. Sie würde erst beim Mittagessen richtig zulangen. Caja wollte gerade ihr Tagebuch aus der Schultasche ziehen und eine Feder hervorkramen, als sich die Tür des Saals öffnete und ein Windstoß ihre langen, braunen Haare zerwühlte. Sie blickte auf, doch der Saal war leer. Auch in der Vorhalle, die sie von ihrem Platz aus gut sehen konnte, befand sich offenbar niemand. Nur, wie hatte sich die Tür öffnen können? Caja war sich sicher, sie richtig verschlossen zu haben. Ihren Kaffee und das Toast links liegen lassend, stand sie neugierig auf und ging zur Tür. Suchend blickte sie sich um, doch noch immer war niemand zu sehen. „Caja, alles in Ordnung?“, fragte auf einmal eine Stimme. Caja sah auf und erblickte ihre beste Freundin Monique, die gerade die Treppe hinunterkam. „Weiß ich nicht“, antwortete sie und begrüßte ihre Freundin. „Die Tür ging plötzlich auf, aber es war niemand zu sehen. Keine Ahnung, was da los war.“ „Ach, da war bestimmt nichts. Ich wette, Peer wollte dir nur einen Streich spielen. Beruhige dich wieder.“ „Schon möglich.“ Achselzuckend folgte sie Monique zurück in den Saal, schloss mit einem Schwenker ihres Zauberstabes die Tür hinter sich und setzte sich zu ihrer Freundin, die bereits Kaffee und Brötchen geordert hatte und kräftig zulangte. Caja grinste. Seit nunmehr fast sechs Jahren war es jeden Tag dasselbe Spiel. Monique aß für drei und sie selbst fast gar nichts. Beim Mittagessen würde es dann genau andersherum sein. „Wie viel Uhr ist es?“, fragte Monique, nachdem sie ein wenig schweigsam gegessen hatten und nach und nach die anderen Schülerinnen eintrödelten. Alle hatten bereits ihre hellblauen oder rosafarbenen Schulumhänge an, je nachdem welcher Förderungsklasse sie angehörten. „Es ist fast neun“, antwortete Caja und schob direkt die unausgesprochene Frage der Freundin hinterher. „Meinst du, wir hören heute wieder die Muggel von unten?“ Unten – das bezog sich auf die Lage der Schule. Mitten in Frankreichs größtem Vergnügungspark in Paris gelegen, teilte sich das Schloss in Souvenierläden für Muggel im Erdgeschoss und die Räumlichkeiten für den Unterricht, Unterkunft und so weiter in den oberen Stockwerken auf. Normalerweise war von den Muggeln nichts zu hören und erst recht nichts zu sehen, dafür sorgten die Schutzzauber, doch seit einiger Zeit drang der Lärm der Schnäppchen suchenden Muggel jeden Morgen kurz nach Öffnung des Parks bis zur Schule vor. Caja machte das immer etwas nervös, doch sonst schien niemand diese Anspannung zu verspüren, auch nicht die Lehrer. „Mach dir keine Sorgen“, versuchte Monique ihre beste Freundin zu beruhigen. „Die Schule ist ausreichend geschützt.“ Caja nickte und versuchte zu lächeln, doch so ganz gelang ihr das nicht. Irgendetwas stimmte nicht, sie konnte es spüren. Caja hatte keine Angst wegen der Muggel. Sie liebte die Muggelwelt und erinnerte sich nur allzu gut an den letzten Schulausflug in den Vergnügungspark. Normalerweise war er für Schülerinnen von Salenia verboten, aber zum Jubiläum der Schule gab es einen gemeinsamen Ausflug dorthin. Dort hatte sie auch Jules kennengelernt, doch bis auf ein paar Treffen an den wenigen freien Wochenenden war daraus nichts geworden. Caja bereute es, denn sie mochte ihn, aber es war schwierig eine Muggel-Zauberer-Beziehung zu führen, wenn der andere in der Muggelwelt lebte und sie in der Zaubererwelt, die sie nur an freien Schultagen verlassen konnte, weil die Schulregeln es so vorsahen, auch wenn er wusste, was sie war. Nein, um die Muggel machte Caja sich keine Sorgen, eher um die Schule. Was würde passieren, wenn die Muggel herausfänden, dass sie existierte? Das Ministerium von Frankreich hatte schon einmal vor, sie zu schließen, damals, als ein Tarnzauber versagte und das Licht aus den Schlafzimmern der Mädchen in die Muggelwelt drang – Licht aus Fenstern, die es gar nicht gab für die Muggel. „Caja …?“ „Caja!“ Caja schreckte hoch und sah in das belustigte Gesicht von Lina. „Wo warst du denn gerade mit deinen Gedanken?“, kicherte sie. „Los, kommt schon ihr zwei, wir müssen zur ersten Stunde.“ Caja schüttelte sich, sah Monique an und stimmte in das Lachen der beiden anderen Mädchen ein. Da hatte sie wirklich die ganze letzte Viertelstunde von der Muggelwelt geträumt. Schnell packte sie ihre Tasche und folgte ihren Freundinnen zur ersten Stunde. Eigentlich mochte Caja das Fach der Alten Schriften und Weisheiten, doch heute konnte sie sich nicht konzentrieren. Noch immer hatte sie das dumpfe Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, doch sie konnte auch nicht klar sagen, was es sein könnte. Ohne sich zu beteiligen, schrieb sie die Tafelbilder ab und schreckte immer wieder hoch, wenn eine neue Welle dieses befremdlichen Gefühls sie überkam. „Caja, was ist denn los?“, flüsterte Lina, doch Caja schüttelte bloß den Kopf. „Ich weiß es nicht, aber etwas stimmt wirklich nicht“, antwortete Caja knapp, erntete damit aber nur einen mitleidigen Blick. Sie hatte auf dem Weg zur ersten Stunde ihren beiden Freundinnen von ihren Sorgen erzählt, doch beide hatten nur versucht sie beruhigen und ihr gesagt, es sei alles in Ordnung. Sie glaubten ihr nicht – wie sie es schon so oft nicht glauben wollten, wenn sie eine Vorahnung beschlich. „Komm schon, konzentrier dich“, gab Lina zurück. „In einer Woche sind Prüfungen.“ Caja nickte und widmete sich wieder dem Abschreiben, als plötzlich draußen auf dem Flur Lärm aufbrandete und etwas Schweres mit einem lauten Krachen gegen die Klassenzimmertür geschleudert wurde. Mit einem Satz war die gesamte Klasse auf den Beinen und rannte zur Tür. Madam Decour versuchte vergeblich für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dafür war es jedoch bereits zu spät. Monique erreichte die Tür als Erste, riss sie auf und wäre fast über den Tisch gefallen, der quer vor der Tür lag und den Weg versperrte. Ein schneller Schwebezauber einer Mitschülerin beseitigte das Hindernis und alle drängten nach draußen, doch schon nach wenigen Schritten blieben die vorderen Schülerinnen abrupt stehen und versperrten den Weg nun selbst. Caja und Lina drängelten sich unter Protestgeschrei der anderen zu Monique durch und erstarrten. Der Flur sah aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Tische und Stühle aus anderen Klassenzimmern lagen auf dem Boden verstreut, viele davon zerbrochen, Türen waren aus den Angeln gehoben, Vasen und Skulpturen umgestürzt und eine Etage tiefer schien eine Schlacht zu toben, so laut war es dort. „Was … was ist passiert“, fragte Madam Decour ganz aufgeregt, als sie das Chaos entdeckte. Die drei Freundinnen gaben keine Antwort, sahen sich kurz an und liefen dann mit gezückten Zauberstäben dem Lärm entgegen. Nun war auch Lina und Monique klar, dass etwas nicht stimmte. Und wo waren vor allem die anderen Schülerinnen? Was um alles in der Welt war bloß passiert? Die Rufe ihrer Lehrerin ignorierend, sprangen sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinunter und landeten mitten in einer Schar aufgeregter Erstklässlerinnen, die sich ängstlich vor den Stufen herumdrückten, nicht wissend, ob sie wieder zurück nach oben oder einfach an Ort und Stelle stehen bleiben sollten. „Was ist passiert?“, fragte Emma, die sich den dreien unbemerkt angeschlossen hatte, eine der Erstklässlerinnen, doch sie bekam keine Antwort. Das Mädchen stand zu sehr unter Schock. „Emma, komm weiter, wir schauen selbst nach!“, rief Caja und schon rannten die vier weiter den Gang entlang in Richtung der großen Vorhalle, aus welcher der Lärm zu kommen schien. Auf dem Weg dorthin sahen sie noch mehr Chaos. Sogar Teile des Wandverputzes lagen im Weg und die vier Mädchen mussten immer wieder ihre Zauberstäbe nutzen, um schneller voranzukommen. Doch mit vereinten Kräften brauchten sie keine fünf Minuten und schon standen sie mitten in der Vorhalle unter … Muggeln?! „Was zum …“, entfuhr es Monique und auch die anderen sahen sich ungläubig um. In der Vorhalle stand eine riesige Menschenmenge und die Halle war bis zum Bersten voll mit Männern, Frauen und Kindern aller Altersstufen, die sich lauthals über alles mögliche in vielen Sprachen zu beschweren schienen, so dass kein Wort zu verstehen war. Dabei hatten einige noch immer Arme von Statuen in der Hand und schienen jeden erschlagen zu wollen, der ihnen zu nahe kam. „Was ist denn hier los? Warum rasten die so aus? Was soll das Ganze?“, fragten Lina und Caja gleichzeitig. „Oh mein Gott“, riefen Monique und Emma fast im selben Moment und deuteten auf die andere Seite der Halle, wo sich einige Lehrer versammelt hatten und an deren Minen abzulesen war, dass sie genauso ratlos waren, wie die vier Schülerinnen. „Wir müssen da rüber! Schnell!“, rief Caja und versuchte so den Lärm der Menschenmenge zu übertönen. „Vielleicht können wir helfen.“ Das Vorhaben, auf die andere Seite zu gelangen, gestaltete sich jedoch als äußerst schwierig. Immer wieder wurden sie von Muggeln aufgehalten, die sie anschrieen oder einfach nur beschimpften, da sie erkannten, dass die Mädchen offenbar dazugehörten – wozu auch immer sie gehören mochten – , doch die vier halfen sich gegenseitig, auch wenn sie mehr als einmal einen Zauber verwenden mussten. Etwa zwanzig Muggel trennten sie noch immer von den Lehrern, als Monique plötzlich aufschrie. Caja wirbelte herum, doch sie konnte nichts mehr unternehmen. Monique wurde von zwei stark aussehenden Muggeln gehalten, die beide wütend dreinschauten. Neben ihnen stand eine kleine, recht korpulente Frau, die sich die Seele aus dem Leib schrie und sich jetzt, wo sie eine Geisel hatte, an die Freundinnen direkt wandte. Sie sprach Französisch und die drei konnten endlich verstehen, um was es hier ging. „Endlich haben wir eine dieser Gören. Jetzt erklärt uns endlich mal, wer zum Teufel ihr seid. Warum sind hier oben in den Türmen Klassenräume? Warum sind hier Schlafzimmer? Wo sind wir? Wurde uns etwa all die Jahre eine Attraktion vorenthalten? Warum wurde uns nie etwas gesagt und warum zum Teufel wurden wir angegriffen?“ Sie blutete aus einer kleinen Wunde oberhalb ihrer linken Augebraue, wo sie ganz offensichtlich von einem Zauber getroffen worden war. Dass es hier um Zauberei ging, hatte bisher anscheinend keiner der Muggel bemerkt. „Los! Redet schon! Wer seid ihr? Wo sind wir? Wieso konnten wir auf einmal eine Treppe sehen, die vorher nicht da war und die hier herauf führte? Mitten in einem der Souvenirshops? Was soll das? Zahlen wir etwa schon seit Jahren mehr Geld für eine Attraktion, die wir nicht benutzen können? Oder was ist das hier? Ist das hier eine Schule? Ja? Ist es das? Meine Tochter soll auch hier hin gehen. Ich will, dass sie sofort angemeldet wird. Sofort!“. Die Frau schrie weiter und stellte eine Unmenge an Fragen ohne eine Atempause zu machen oder den Mädchen auch nur den Hauch einer Chance zur Erklärung zu geben. Monique wehrte sich unterdessen vehement mit all ihren Kräften gegen den Griff der beiden starken Muggel, doch sie konnte sich nicht losreißen und die Freundinnen wollten keine Zauber verwenden, aus Angst, das Mädchen selbst zu treffen oder die drei Muggel noch wütender zu machen. Sie konnten ihr auch nicht zu Hilfe kommen, denn mittlerweile waren noch mehr Muggel auf das Geschehen am Rand aufmerksam geworden und hatten einen Kreis um die Beteiligten gebildet, so dass sie sich kaum noch bewegen konnten. Sie waren umzingelt und die Lehrer hatten sie offensichtlich nicht bemerkt, denn diese diskutierten nun selbst mit einigen Muggeln, während andere versuchten sich zu den Türen und Treppen, die von der Vorhalle abzweigten, durchzukämpfen. Die vier waren auf sich gestellt und keiner fiel eine Lösung ein. Vorsichtig versuchte Caja schließlich ein paar Schritte vorzugehen, doch sofort schloss sich der Kreis der Muggel enger um sie. „Was ist hier los?“, fragte Emma die Freundinnen noch einmal leise. „Wieso sind die Muggel so verwirrt?“ Caja blickte sich zum ersten Mal seit dem Ausbruch des Chaos‘ etwas genauer um. Jetzt, als Emma es erwähnte, bemerkte auch sie den merkwürdigen Ausdruck in den Gesichtern der Muggel. Alle wirkten gehetzt und ihre Augen sahen merkwürdig glasig aus, fast so, als hätte ein Zauber wirken sollen, welcher jedoch seine Kraft verfehlte. Sie schauten sich immer wieder verwirrt um und die Fragen der Frau trugen nur zu der Annahme bei, dass die Muggel unter einer Art Verwirrungszauber standen, der aber gründlich schief gegangen zu sein schien. Doch woher kam dieser Zauber? Caja wusste es nicht. „Die Abwehrzauber“, brachte Monique in diesem Moment mühsam hervor. Sie bekam kaum noch Luft, denn der Kerl hatte sie mittlerweile in den Schwitzkasten genommen, weil das für ihn offensichtlich einfacher war. „Lass sie los, du Riesenvieh!“, schrie Caja und versuchte wieder zu Monique durchzukommen, doch erneut hatte sie keine Chance. „Hast du nicht gehört, was die Lady gesagt hat?“, schrie auf einmal eine andere Stimme, kämpfte sich unter Ellenbogeneinsatz an den Mädchen vorbei und verpasste dem Riesen, der Monique festhielt, einen Tritt vors Schienbein. Dieser schrie auf, ließ Monique los, der Muggel packte sie am Handgelenk und führte sie zielsicher aus der Menge heraus. Verdutzt folgten die anderen Mädchen den beiden. „Alles in Ordnung mit euch?“, fragte der Muggel und drehte sich zu Caja um. „Jules?!“, rief sie und blickte in das Gesicht des Jungen, den sie vor einiger Zeit kennen gelernt hatte. „Was machst du denn hier?“ „Wieso bist du nicht genauso verwirrt wie all die andern?“, fragte Emma gleichzeitig. „Langsam, langsam“, sagte Monique in dem Moment. „Lasst uns erst einmal hier verschwinden. Gehen wir zum Lehrerzimmer, vielleicht finden wir dort Antworten.“ Die fünf machten sich auf den Weg und klopften an die Tür, die prompt aufgerissen wurde. „Du liebe Zeit, wie seht ihr denn aus?“, wurden sie von Madam LaBonne, der Schulleiterin begrüßt und hinein gewunken. Verdutzt sahen die Freunde sich an und erst jetzt bemerkten sie, wie abgekämpft, müde und zerzaust sie alle aussahen. Emma blutete aus einer kleinen Wunde am Handgelenk, Linas Umhang war zerrissen, Moniques Hals vom Würgegriff des Muggels blau und geschwollen und Caja bemerkte auch erst jetzt, dass sie ihren Spitzhut verloren hatte und sie offensichtlich von einer Faust getroffen worden war, denn eine große Beule machte sich oberhalb ihres Auges breit. Nur Jules, der sich offenbar aus dem Gröbsten hatte raushalten können, sah einigermaßen in Ordnung aus, sah man einmal von seinen zerzausten Haaren und dem müden Blick ab. Mit einem Schlenker ihres Zauberstabs heilte Madam LaBonne die Wunden und sorgte dafür, dass Linas Umhang sich wieder zu einem Ganzen zusammenfügte. „Setzt euch, setzt euch“, sagte die Schulleiterin dann und die fünf ließen sich auf freie Stühle in der Nähe der Türe fallen. „Was ist mit euch passiert?“ Caja fing an zu erzählen. „Dann kam Jules hier und hat Monique geholfen. Allerdings weiß ich nicht, warum er nicht verwirrt ist wie die anderen. Ich weiß nicht einmal, warum die Muggel sich so aufführen“, schloss sie schließlich ihre Ausführungen. „Aber ich“, mischte sich Monique ein. „Offenbar sind nur die Tarnzauber ausgefallen. Da diese aber in Kombination mit den Schutzzaubern stehen, konnten Letztere wohl auch nicht mehr ganz standhalten – jedenfalls nicht gegen eine so große Muggelmenge. Ich vermute, einer der Schutzzauber dient dazu, dass den Muggeln etwas Wichtiges einfällt, was sie vergessen haben zu tun und deshalb wieder gehen, oder?“ Fragend blickte sie zu den wenigen Lehrern, die im Raum waren und vereinzelt nickten. „Der Schutzzauber sorgt offensichtlich nur noch für eine große Verwirrung, wird aber nicht mehr korrekt ausgeführt. Deshalb veranstalten diese Muggel hier solch ein Chaos.“ „Monique hat Recht“, antwortete Madam LaBonne. „Wir sind bereits in Gruppen unterwegs und heben die Zauber bei den Muggeln auf, verändern ihre Gedächtnisse und führen sie aus der Schule. Doch bei einer solch großen Menge dauert das leider etwas. Wir haben daher beschlossen uns erst zum Schluss um die Menge in der Vorhalle zu kümmern. Vorerst sind sie mit Schildzaubern dort eingesperrt. Sie können nicht gehen, bemerken dies auch, aber wissen in ihrem verwirrten Zustand nicht, warum.“ Die Freundinnen nickten, doch Caja gab sich so schnell nicht zufrieden. „Aber, das erklärt immer noch nicht, warum Jules nicht verwirrt ist“, sagte sie und sah den Muggel an. „Ich bin ein Squib“, sagte er schlicht. „Die Zauber wirken bei mir nicht, da ich von der Existenz der Zauberwelt weiß.“ Caja riss erstaunt die Augen auf. „Ich hätte es dir schon noch gesagt“, entschuldigte er sich mit einem Achselzucken. Caja wollte gerade etwas erwidern, doch die Schulleiterin ging dazwischen. „Wäre es möglich, dass ihr beiden das später ausdiskutiert? Wir haben hier erst einmal andere Probleme zu lösen.“ Caja nickte. „Wo sind die anderen Schülerinnen?“, fragte Emma. „Wir konnten die meisten in dem großen oberen Turm, wo sich die Astronomieräume und die Räume der Schulleiterin befinden, in Sicherheit bringen. Alle anderen verstecken sich in den Klassenräumen. Die Älteren helfen den Lehrern bei der Umkehr der Zauber“, antwortete Madam Decour. Caja bemerkte die Lehrerin erst jetzt. „Können wir irgendwie helfen?“, fragte Lina. Bevor die Schulleiterin antworten konnte, stürmte Monsieur Mathis, der Lehrer für Zaubertränke, ins Lehrerzimmer. „Wir konnten soweit alle Muggel im Schloss aufspüren, die Zauber umkehren und sie nach draußen bringen. Es fehlen nur noch die in der Vorhalle.“ Außer Atem ließ er sich auf den nächsten Stuhl fallen und atmete tief durch. „Gut. Dann sind wir jetzt dran“, sagte Madam LaBonne zu den anwesenden Lehrern. An Caja und ihre Freunde gewandt sagt sie: „Wenn ihr helfen wollt, dann helft doch bitte beim Aufräumen. Ihr seid alt genug, um die Zauber zu kennen und wir benötigen jede Hilfe.“ Caja nickte und sah aus den Augenwinkeln, dass auch die Anderen bereit waren zu helfen. „Jules, du kannst sie begleiten, wenn du willst, denn so wie es aussieht, hast du Monique gerettet“, fügte die Schulleiterin im Hinausgehen noch hinzu und ließ die Freunde alleine. Caja sah die anderen an und schüttelte ungläubig den Kopf. „Ist das nur ein Traum oder wie? Irgendwie kann ich es immer noch nicht fassen, was hier geschehen ist.“ Monique nickte und antwortete: „Ich weiß, was du meinst. Mir geht es genauso. Aber leider ist es kein Traum.“ „Caja, es tut mir leid“, sagte Jules in diesem Moment. „Ich hätte dir sagen sollen, dass ich ein Squib bin, als du mir erzählt hast, dass du eine Hexe bist. Es hätte vieles sicherlich vereinfacht.“ Caja winkte ab. „Jules, ist schon in Ordnung. Ich hätte es an deiner Stelle auch nicht gesagt. Ich mach dir keinen Vorwurf. Aber, vielleicht können wir uns jetzt ja mal öfter sehen?!“, fragte sie. Jules nickte mit einem Lächeln auf den Lippen. „Wo um alles in der Welt sollen wir bloß anfangen aufzuräumen?“, fragte Lina in diesem Moment vom Fenster aus und blickte gedankenverloren auf den Vergnügungspark der Muggel. Sie drehte sich mit einem fragenden Blick zu den anderen um. „Ihr habt das Chaos doch gesehen.“ „Keine Ahnung“, stimmte Monique ihr zu. Emma, die bisher nichts gesagt hatte, stand auf, drehte sich zu den Freunden um und sagte mit entschlossener Stimme: „Wie wär´s, wenn wir bei den Klassenräumen anfangen. Wir wissen, wie es dort vorher ausgesehen hat und dort scheint ja alles mehr oder weniger an einem Fleck geblieben zu sein. Ich möchte nämlich ungerne im Schloss umherlaufen und Einzelteile von Bildern oder Statuen zusammensuchen müssen. Ich glaube, das könnend die Lehrer mit ihren Zaubern besser als wir.“ Die andern nickten und folgten Emma hinaus. Erst jetzt bemerkten sie die absolute Ruhe, die sich über das Schloss gelegt hatte. Die Muggel waren offensichtlich alle verschwunden. Als sie in die Vorhalle kamen, sahen sie nur noch die Überreste der Schlacht, die hier stattgefunden hatte. Zerbrochene Bilder, Müll, umgekippte Statuen, aber kein Muggel weit und breit. So gut es ging richteten die Freundinnen mit ihren Zauberstäben die Halle wieder her und machten sich auf den Weg zu den Klassenräumen, von wo aus sie Stimmen vernahmen. Andere Schülerinnen waren bereits vor Ort und halfen den Lehrern beim Aufräumen. „Da seid ihr ja“, rief ihnen von Weitem Clara zu. „Wo wart ihr denn?“ Schnell erzählten die Freundinnen ihr die Geschichte, während sie mit ihren Zauberstäben Stühle an den richtigen Platz stellten. „Und wer ist das?“, fragte Carla neugierig und deutete mit ihrem Zauberstab auf Jules, der gerade das Lehrerpult zurück ins Klassenzimmer schob. „Cajas Freund“, antwortete Monique und kicherte. Caja wurde rot, fiel aber in das Kichern der anderen ein und blickte heimlich zu Jules hinüber. „Er ist ein Squib, deshalb darf er uns helfen“, fügte sie leise hinzu. Die Aufräumarbeiten dauerten fast den gesamten Abend, denn einer hatte in dem Chaos bemerkt, dass es bereits später Nachmittag war, als endlich die Muggel wieder an ihrem angestammten Platz waren. Müde und erschöpft fanden sich schließlich alle in der Vorhalle ein und Madam LaBonne erklärte allen den Vorfall erneut, da vor allem die jüngeren Schülerinnen das meiste nicht mitbekommen hatten. Sie hatten bis zum Schluss im hohen Turm ausgeharrt. „Die Tarn- und Schutzzauber sind nun aber alle wieder intakt und werden es auch hoffentlich für die nächsten Jahre bleiben. Leider kann so etwas immer wieder einmal passieren, denn unter unserer Schule sind nun einmal ungewöhnlich viele Muggel unterwegs. Da kann es zu Ausfällen kommen. Deshalb habe ich mich in der Zwischenzeit mit dem Ministerium in Verbindung gesetzt. Ab morgen werden wir einen Angestellten zugeteilt bekommen, der die Schutzzauber wöchentlich überprüfen wird. Erst einmal ist aber alles wieder in Ordnung. Am besten geht ihr jetzt alle in eure Aufenthaltsräume, ihr werdet dort etwas zu Essen vorfinden und dann geht ihr schlafen. Für die meisten von euch war es ein anstrengender, aufregender Tag.“ „Wem sagen Sie das“, murmelte Caja und ihre Freundinnen lachten. „Ich muss dann jetzt gehen“, sagte Jules. Caja nickte. „Wir sehen dich oben“, sagte Monique und stieg mit Emma und Lina die Treppe hoch. „Danke“, sagte Caja an Jules gewandt. „Keine Ursache. Ich helfe doch gerne, vor allem, wenn ich dir helfen kann.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Meinst du, du bekommst für Sonntag die Genehmigung rauszugehen?“ Caja grinste und sagte: „Ich werd´s versuchen. Ich schick dir meine Eule, sobald ich es weiß. Sie findet dich.“ Jules nickte, umarmte Caja und ging zu Monsieur Yanis, dem Zauberkunstlehrer, der ihn hinausbegleiten würde. Caja stieg die Treppe hinauf, drehte sich aber noch einmal um und sah Jules hinterher. Vielleicht würde es ja doch noch etwas werden. Caja ging zurück in den Aufenthaltsraum und fand ihre Freundinnen beim Kamin. Erschöpft ließ sie sich in einen Sessel sinken. „Und?“, fragte Lina und sah sie gespannt an. Caja sagte nichts, sondern grinste nur. Die Freundinnen fingen an zu kichern und warfen sich vielsagende Blicke zu. Eine Zeitlang sagte keiner etwas. Alle hingen nur ihren Gedanken nach, bis Caja schließlich meinte: „Ich hab´s euch ja gesagt. Ich hab euch gesagt, dass etwas nicht stimmte.“ Monique nickte. „Stimmt, hast du. Nur woher wusstest du das?“ Caja zuckte mit den Schultern. „Madam LaBonne meint, es könnte sein, dass ich sehen kann und sich meine Kräfte diesbezüglich erst jetzt ausbilden. Das kann manchmal erst so spät der Fall sein, meinte sie. Ich kann nichts tun, außer abzuwarten, aber sie meinte auch, dass das wohl der Grund für meine Schlafprobleme die letzte Zeit sei, weil ich gerade in der Ruhephase anfällig für Gefühle und Visionen bin. Sie meint, das würde sich wieder legen. Ich hoffe es.“ Dann fügte sie mit einem Blick an Carla gewandt hinzu: „Sag mal Carla, du warst doch als Aufsicht mit einigen der Erstklässler im Zimmer von Madam LaBonne. Wie sieht es denn da aus?“ Carla fing an zu kichern. „Ihr werdet es nicht glauben, aber auf ihrem Bett liegt ein Teddy mit Umhang und Zauberhut und sie liest gerade das Buch „How to become a good headmistress in only 15 days“. Ich wollte schon reinschauen, aber ich dachte, das merkt sie nur, deshalb hab ich´s lieber gelassen.“ Die Freundinnen sahen sich an und prusteten los. „Das sieht ihr ähnlich“, meinte Emma und alle lachten herzhaft. Als Caja eine Stunde später in ihrem Bett lag, dachte sie über den Tag nach. So etwas Verrücktes hatte sie hier im Schloss in ihrer Schullaufbahn noch nie erlebt – und sie hatte bereits einiges erlebt, wie das nun einmal in der Zauberwelt des Öfteren der Fall war. Aber irgendwie mochte sie diesen Tag auch. Sie konnte nicht sagen warum, es war wieder einmal nur so ein Gefühl, doch sie glaubte zu wissen, dass nun einiges anders werden würde. Mit diesem Gedanken und mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie schließlich tief und fest ein. ENDE