Caxirta, Ravenclaw zu Emilia Ollivander - 2. Platz
  Friedhofsstimmung Langsam ging die Sonne über dem kleinen irischen Dorf Ballyduff auf. Doch sie stieg noch nicht über die Mauer, die die Zauberergemeinschaft von den Muggeln trennte. Die Muggel wussten nichts von ihren magischen Einwohnern, die sich in einer kleinen Siedlung bedeckt hielten. Gut getarnt, als alter Friedhof, kamen nur selten Besucher zu ihnen, und selbst wenn sich ein paar Muggel aus kulturellem Interesse zeigten oder ein paar Jugendliche aus den größeren Nachbarorten eine Mutprobe veranstalteten, so waren sie schnell wieder verschwunden. Sie fühlten sich auf dem Friedhof, mit den eindrucksvoll errichteten Grabbauten überhaupt nicht wohl. Es war nicht der angrenzende Wald, jenseits der gegenüberliegenden Mauerlänge und eigentlich waren es auch nicht die Gräber selbst, obwohl man es wohl selten sah, dass die letzte Ruhestätte an ein kleines Häuschen erinnerte. Doch es lag ein Zauber über diesem Fleckchen Erde, der in den Muggel die Angst vor dem eigenen Lebensende schürte und bevor sie zu viel darüber nachdenken mussten, schossen sie lieber schnell ein Foto und verschwanden wieder. Sie konnten nicht ahnen, dass gerade dieser Ort voller Leben war und auf engstem Raum Zauberfamilien verbarg. Denn tatsächlich war es so, dass jedes Grab ein Haus war. Man sah nur das Dach, und wenn man ganz genau hinsah, vor allem im Sommer, würde man die kleinen Rauchschwaden erkennen können, die aus den versteckten Rauchfängen kamen. Doch Muggel sind bekannt dafür, dass sie nicht genau genug hinsahen. Außerdem könnten sie sich sowieso nicht vorstellen, wie man auf so engen Raum wohnen sollte. Sie haben keine Ahnung von Magie und dass die Gebäude unterirdisch magisch vergrößert waren und jede Familie wahrlich ausreichend Platz für sich hatte. Aber es wäre nicht klug, sich über diese Unwissenheit zu beschweren. Immerhin war es das Ziel der Zauberer im Verborgenen zu bleiben und die Tarnung ihrer Ballyduff-Häuser war bisher einwandfrei. Natürlich mussten sich die Einwohner hin und wieder in der Ortschaft der Muggel blicken lassen, wenn sie etwas von den handgemachten Muggelgegenständen brauchten oder sich einfach umhören wollten, ob ihr Versteck immer noch ein gut gehütetes Geheimnis war. Es war nicht schlecht, manchmal nachzufühlen und ein neues schauriges Gerücht über den Friedhof in die Welt zu setzen. Bei diesen Ausflügen gaben sich die Zauberer und Hexen die größte Mühe, sich wie Muggel zu kleiden, was ihnen aufgrund des nahen Wohnverhältnisses problemlos gelang, und mimten meistens Besucher aus Nachbarorten oder Touristen, die durch einen Geheimtipp in einem Reiseprospekt auf das beschauliche Ballyduff gestoßen waren. Doch all diese Schutzmaßnahmen waren für die jüngsten Bewohner der Zauberersiedlung noch von keinerlei Bedeutung. Vor allem dann nicht, wenn sie ihrem Geburtstag und der dazugehörenden Feier entgegen fieberten und in aller Frühe wach wurden. Obwohl sie vom Morgengrauen außerhalb der Mauer, in dessen Schatten das Haus ihrer Eltern stand, nichts mitbekommen konnte, schlug Susan kurz nach sieben Uhr die Augen auf und war hellwach. Endlich war es so weit: sie hatte Geburtstag! Sie wollte schon mit einem Freudenschrei aus dem Bett springen, doch überlegte es sich noch einmal anders und ließ sich zurück in ihr Kissen sinken. Sie kniff die Augen zusammen und lauschte konzentriert. War ihre Mutter bereits in der Küche, um letzte Vorbereitungen zu treffen? Susan konnte nichts hören, aber sie hielt es auch nicht mehr in ihrem Bett aus. Deshalb verließ sie es und machte sich möglichst leise und daher barfüßig auf den Weg in die Küche. Zwei Türen und einen Flur weiter, sah sie tatsächlich das übliche morgendliche Bild. Ihr Vater war hinter der aufgeschlagenen Zeitung verborgen und ihre Mutter rührte sorgsam in einer Schüssel, in der sie offensichtlich einen Zaubertrank zubereitete. Ein golden schimmernder Dampf stieg darüber auf und langsam vergrößerte sich eine glänzende Wolke im Raum. "Guten Morgen!" Die Zeitung raschelte. "Oh, guten Morgen, mein großes Mädchen!" Ihr Vater war sofort bei ihr, hob sie hoch und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. "Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!", riefen ihre Eltern nun gleichzeitig und ihre Mutter holte die bisher versteckte Schokoladentorte aus der Vorratskammer. Abgesehen von der großartigen Süßigkeit und weiteren Glückwünschen, war es ein ganz normales Frühstück. Nach und nach kamen Eulen, für die es einen Zugang zu allen unterirdischen Häusern über einen hohlen Baum, der am Rande des Friedhofs stand, gab. Sie brachten Grüße von Freunden und Verwandten, und obwohl sich Susan freute, dass so viele an sie dachten, war sie immer ein wenig enttäuscht von den farbenprächtigen Karten. Sie wartete auf ganz andere Post. Doch die ersehnte Eule kam das ganze Frühstück über nicht und Susan zog sich enttäuscht in ihr Zimmer zurück. Ihre Geschenke würde sie später bekommen und auspacken, sobald die anderen Zauberfamilien von Ballyduff nach und nach zu Besuch kamen. Bis dahin würden noch einige Stunden vergehen und so machte Susan sich daran ihr Zimmer noch etwas aufzuräumen, um Platz für die Präsente zu haben und um sich etwas abzulenken. Die Eulen kamen doch immer in der Früh! Sie hatte es bei den anderen, älteren Kindern immer so gesehen. Vielleicht hatte sie sich verflogen? Nein, das war unmöglich, Eulen mussten ihren Weg immer finden. Bevor sie überlegen konnte, ob es auch wirklich dumme Eulen gab und wie diese überhaupt in den Dienst einer Posteule kommen konnte, wurde sie von ihrer Mutter abgelenkt, die auf einmal ihre Zimmertür aufriss. Susans Mundwinkel zuckten für einen Augenblick nach oben, doch ihre Mutter hielt keinen Brief für sie in ihrer Hand und sie brachte auch keinen geflügelten Boten mit sich. "Hast du Sizzle gesehen? Mir fehlt nur noch ihr Ei, dann kann der Trank auf das Feuer, aber ich finde sie nirgends." Susan schüttelte bloß den Kopf und zuckte mit den Schultern. Sie hatte keine Ahnung, wohin sich die Runespoor ihrer Mutter schon wieder verkrochen hatte. Susan konnte kein Parsel und wusste daher nie etwas mit dem Tierwesen anzufangen. Eigentlich konnte niemand in ihrer Familie die Schlangensprache, doch als ihr Onkel die Runespoor mitgebracht und ihrer Mutter, die eine Zaubertrankexpertin war und in einer Apotheke arbeitete, geschenkt hatte, gab es auch eine Anleitung dazu. Susan konnte die krakelige Schrift nicht entziffern, aber angeblich standen auf dem Pergament alle Befehle, um eine Runespoor problemlos zu halten. Für Susan war das alles ein wenig unheimlich, aber bisher hatte die Schlange noch ihre drei Köpfe und schien sich mit sich selbst und ihrer Besitzerin gut zu verstehen. "Wenn du sie siehst, ruf mich bitte. Der Trank kann so noch etwas stehen, aber bis morgen muss das Ei hinein." "Ja, ich sag Bescheid, wenn ich Sizzle sehe." Damit verschwand ihre Mutter wieder und erlaubte Susans düsteren Gedanken zurückzukehren und weiter in ihrem Kopf zu spuken. Sie beruhigte sich damit, dass sie noch gar keine Geschenke bekommen hatte. Vielleicht würde der Brief dabei liegen und sie zerbrach sich gerade vollkommen umsonst den Kopf. Ja, ganz sicher sogar. Es war doch viel schöner, wenn alle dabei waren, wenn sie ihn öffnete und es nicht still und heimlich in ihrem Kämmerchen machte. Vielleicht haben es ihre Eltern extra so arrangiert, damit es zusätzlich zu ihrem Geburtstag eine große Feier wurde. Susan heiterte sich mit diesen Vorstellungen auf und beschloss, noch einmal ihren Kleiderschrank zu durchwühlen und eine etwas festlichere Kleidung anzulegen. Sie entschied sich schließlich für ein luftiges, zum August passendes Sommerkleid mit Blumenaufdruck. Sie versuchte noch einmal, ihre Haare ein wenig zu bändigen und als sie mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden war, machte sie sich auf den Weg ins Freie. Durch einen Zauberspiegel, der neben der Falltür nach oben an der Wand hing, konnte sie den Friedhof überblicken und stellte zu ihrer Freude fest, dass kein Muggel anwesend war oder vor dem Eingangstor stand. Sie war noch vorsichtig, als sie den geschützten Bereich verließ, und außen um den Friedhof lief, um in dem anliegenden Waldstück zu verschwinden. Hier war nicht nur ein perfekter Ort, um mit den anderen Kindern zu spielen, sondern auch, um einmal das Gefühl zu haben für sich zu sein und nachdenken zu können. Susan brauchte nicht oft Ruhe von den anderen, sie liebte Gesellschaft, aber manchmal machte sie auch gerne eine Entdeckungstour alleine. Zum Beispiel, als sie die alte, umgefallene Buche gleich neben dem, von den Kindern getauften Freshwater-Bächlein, das erste Mal näher erkundete. Alle meinten, dass es nur ein umgefallener Baum war, aber Susan war neugierig hin geklettert, um zu sehen, dass der Stamm hohl war. Deswegen wurde die Buche wochenlang zum vorwiegenden Spielplatz für die fantastischen Abenteuer der Zaubererkinder. Doch das war schon ein Jahr her. Jetzt gab es eine neue Attraktion, ein Baumhaus, das einige Väter in einem Anflug von Kindheitserinnerungen aus den Ästen der dicht beieinanderstehenden Bäumen magisch geformt hatten. Susan kletterte nicht gerne dort hinauf, es war ihr zu umständlich. Sie nahm viel lieber den Besen, um mit ihren Freunden James und Mathilda auf einem brachliegenden Feld, zwei Kilometer weiter, Quidditch zu spielen. Natürlich wurde das Feld vor Muggelblicken geschützt und die Kinder mussten besonders enge Grenzen einhalten, um nicht außerhalb der Schutzzone zu fliegen, doch es war besser als nichts. Als Susan in Erinnerungen schwelgte, fragte sie sich, ob sie ihren Besen wohl nach Hogwarts mitnehmen durfte. Sie hatte zwar von James, der ein Jahr älter war, gehört, dass das leider verboten war, aber vielleicht wurde die Regel inzwischen geändert. Zumindest hoffte sie das, denn wozu konnte man fliegen und hatte einen eigenen Besen, wenn man ihn nicht benutzen durfte? Susan seufzte, als sie wieder zu zweifeln begann. Vielleicht wurde sie gar nicht in Hogwarts genommen. Vielleicht war sie in Wirklichkeit bei der anderen Zauberschule angemeldet worden, zu der ihr Vater gegangen war. Andererseits, ihre Eltern sagten ihr seit Jahren, dass sie ganz sicher in Hogwarts angemeldet war. Sie irrten sich bestimmt nicht, aber was, wenn irgendetwas vertauscht wurde und deshalb kam die Eule einfach nicht? Einen Moment bekam Susan Angst, dass vielleicht ein anderes Mädchen mit dem gleichen Namen ihre Eule bekam, vielleicht sogar ein gewöhnliches Muggelkind ohne Ahnung von der Zauberwelt oder der Magie. Nein, nein, was dachte sie sich da bloß. So ein Fehler konnte sicher nicht passieren, dafür mussten alle viel zu sehr aufpassen, dass Muggel nichts mitbekommen durften. Wahrscheinlich warteten wirklich alle bis zur großen Feier, und falls das nicht zutraf, dann war es sicher eine bescheuerte Eule. Sobald sie wirklich aufgenommen war, würde sie eine Beschwerde schreiben, dass sie den Seelenqualen der Ungewissheit ausgesetzt war, nur weil ein schlechter Vogel geschickt worden war. Susan formulierte den Brief bereits in Gedanken, als sie plötzlich eine Berührung auf der Schulter spürte. Erschrocken fuhr sie herum und sah Mathilda vor sich stehen. "Du hörst wohl schlecht, ich habe dich mindestens zehnmal gerufen!" "Das kann gar nicht sein! Wahrscheinlich hast du wie immer genuschelt", entgegnete Susan etwas schroff. Mathilda zuckte bloß mit den Schultern. "Ich soll dich holen, es gibt schon einen Stau vor eurem Haus, weil dir alle gratulieren wollen." "Ist es schon so spät? Das hab ich gar nicht bemerkt ...", meinte Susan gedankenverloren und folgte Mathilda den Trampelpfad zurück zu ihren Häusern. "Was hast du denn allein im Wald getrieben? Willst du gar nicht mit uns feiern? Dann brauch ich dir auch nicht dein Geschenk zu geben." "Ich hab gewartet, bis ihr endlich alle aufsteht und fertig seid. Ich bin nämlich schon seit der Früh wach und muss mich gedulden." "Na, das hat ja jetzt ein Ende", grinste ihre Freundin. Schon waren sie angekommen und tatsächlich standen ihr Vater und drei weitere Erwachsene vor ihrem Haus und unterhielten sich. "Ah, da ist ja unser Geburtstagskind! Wie fühlst du dich? War die Eule schon da?" Susan lächelte und schüttelte den Kopf. "Na, macht auch nichts. Inzwischen kannst du unsere Geschenke auspacken." Mathildas Vater klopfte ihr auf die Schulter und trat zur Seite, sodass die Mädchen durch die Falltür hinein schlüpfen konnten. Susan wurde mehrstimmig von den anderen Kindern des Dorfs, die in ihrem Zimmer auf sie gewartet oder sich in der Küche mit Kürbissaft gestärkt hatten, empfangen. Ihr wurden mehrere Lieder gesungen. Als schließlich elf gute Gründe vorgetragen wurden, warum Susan eine großartige Hexe war, kamen ihr ein paar Tränen. Doch die blinzelte sie schnell weg und machte sich daran den Geschenkberg auseinanderzunehmen. Unter all dem Papier verbargen sich fünf Romane für junge Leser, zwei Bücher über magische Pflanzen, für die Susan ein besonderes Interesse hegte, Spielkarten, ein neues Zauberschachspiel, ein Eulenpflegset mit speziellen Leckerlies nach Langstreckenflügen und "Dreh den Zauberstab", das neue, populäre Spiel, das sie sich so sehr gewünscht hatte. Sie bedankte sich bei allen, auch den Eltern, die nach und nach die Köpfe ins Zimmer steckten und ihr gratulierten, und begann Tortenstücke an ihre Gäste zu verteilen. Danach musste natürlich sofort das neue Spiel ausprobiert werden. Natürlich verflog dabei die Zeit und Susan war enttäuscht, als sich nach und nach immer mehr Kinder verabschiedeten, weil sie selbst noch etwas zu tun hatten. "Heute ist Späteinkauf in der Winkelgasse. Ich hab schon die Utensilienliste für das kommende Jahr bekommen und Mum mag alles so schnell wie möglich einkaufen", erklärte James bevor er verschwand. Als Letzte war noch Mathilda da, doch auch sie erhob sich zu Susans Enttäuschung. "Tut mir leid, wir reisen mit ihnen, weil James sich ja schon auskennt und meine Eule kam vor drei Wochen ... " Sie sah Susan um Entschuldigung bittend an, umarmte sie schnell und schloss leise hinter sich die Türe, als sich ihre Freundin nicht von der Stelle bewegte. Ja, Mathilda als Juli-Kind hatte ihre Eule längst und jetzt, wo sie darüber nachdachte, hatte sie sie in aller Frühe bekommen. Im Gegensatz zu Susan, die kurz nach Mitternacht zur Welt kam, war sie ein Morgenkind. Also eigentlich sollte sie die Eule später bekommen haben. Susan kamen die Tränen. Vielleicht war sie, trotz allem was sie erlebt hatte, in Wirklichkeit ein Squib. Sie hatte zwar ein paar seltsame Situationen erlebt und ihre Eltern hatten ihr erklärt, dass die Magie in ihr das bewirkt hatte, aber das konnte alles nur Täuschung gewesen sein. Ein anderer hat statt ihr im Geheimen gezaubert, um sie reinzulegen oder ihre Eltern waren es, um die Illusion aufrechtzuerhalten. Diese und weitere, nicht minder schreckliche Gedanken kamen ihr ihren Sinn und jetzt, ohne sich vor anderen schämen zu müssen, rannen die Tränen ungehemmt ihre Wangen hinunter. Sie würde als Einzige aus dem Dorf nicht nach Hogwarts gehen dürfen. Sie würde zu Hause versauern oder, noch schlimmer, müsste die Muggelschule besuchen. Das war ein schrecklicher elfter Geburtstag. Schniefend rappelte sie sich auf, räumte das liegen gelassene Spiel auf und stapelte ihre Geschenke neben ihrem Bett. Sie wollte, dass dieser furchtbare Tag endlich zu Ende ging. Darum spähte sie vorsichtig in den Flur, ob ihre Eltern außer Sichtweite waren und huschte schnell ins Badezimmer. Zu ihrer Überraschung stand dort der Trank ihrer Mutter am Waschbeckenrand. Anscheinend hatte sie die Runespoor noch immer nicht gefunden und aufgrund des Platzmangels beim Gästeansturm in der Küche, den Trank hier abgestellt. Susan machte einen Bogen herum und beugte sich über das Waschbecken, um sich das Gesicht zu waschen. Plötzlich hörte sie ein bedrohliches Zischen und irgendetwas umschlang ihr Bein. Mit einem Schrei sprang sie zurück, ein grauenvoll kreischendes Geräusch erfüllte auf einmal den Raum und das Zischen wurde noch lauter. Die Tür ging auf und Susan stürzte sich in die Arme ihrer Mutter. "Susan, Susan, was ist denn los?" Ihre Tochter drückte sich an sie und schluchzte herzzerreißend, dabei war auf dem ersten Blick nichts Schlimmes zu erkennen. Das Bad sah eigentlich wie immer aus. "Oh, schau, Susan, es ist nur Sizzle, sie hatte sich im Schrank versteckt!" Susan riskierte einen Blick und sah die Runespoor dort liegen, wo sie vor Kurzem noch gestanden hatte. Zwei der Köpfe schienen aufgebracht zu sein, während der Dritte, Susan war sich nicht sicher, entweder genervt von den beiden war oder im Begriff war gleich ein Ei zu legen. Ihre Mutter befreite sich aus Susans Umklammerung und legte Sizzle vorsichtig in den Wäschekorb. Bevor sie den Raum verließ, strich sie Susan zur Beruhigung noch mal über den Kopf. "Das war wohl heute etwas viel für dich", meinte sie liebevoll, "aber schau, Geoffrey ist auch hier." Geoffrey, die Familieneule war üblicherweise nicht im Badezimmer anzutreffen. Darum schaute Susan verwundert auf und ließ sogar wieder den Arm ihrer Mutter los, an den sie sich sofort wieder geklammert hatte. Richtig stolz saß er dort auf dem künstlichen Fensterbrett auf Susans Handtuch und sah sie unbeirrt an. Susan wusste jetzt, dass Geoffrey vorhin gekreischt hatte, als die Runespoor sie überraschte, und musste lächeln. Entweder er hatte sie warnen wollen oder war durch ihren Schrei erschreckt worden. Sie ging zu ihm und streckte die Hand aus, um ihn zu kraulen, doch er hüpfte zur Seite und klackerte zweimal mit seinem Schnabel. Was war los? Irritiert sah sich Susan um und wollte schon mit dem Vogel schimpfen, als ihr Blick in die Badewanne fiel, wo tatsächlich ein Briefumschlag lag. Anscheinend hatte Geoffrey ihn nicht länger halten wollen oder können. Mit zitternden Fingern hob Susan den Umschlag auf, öffnete ihn und entfaltete das in ihren Händen schwerwiegende Pergament. Ihr Mund klappte stumm auf und zu, als sie den Brief las. "Susan, schau her!", hörte sie ihren Vater von der Tür. Sie drehte sich um und hörte das Klicken des Fotoapparats. Was für ein Erinnerungsfoto! Es würde mit der Überschrift "Susans elfter Geburtstag und ihr Brief aus Hogwarts" für die Ewigkeit im Familienalbum landen. Endlich, nach all dem bangen Warten, den Zweifeln, der Angst und der Gewissheit, dass alles schrecklich war, wandte sich der fünfzehnte August für Susan doch noch zum Guten. Ihr geliebter Geoffrey hatte ihr sogar den Brief gebracht! Mit einem Freudenschrei sprang sie ihren Eltern in die Arme, hüpfte auf und ab und jauchzte, nun, wo sie ihrem Glück endlich Ausdruck verleihen konnte, ohne Unterbrechung. Es war so laut, dass Geoffrey die Flucht ergriff und an ihnen vorbei aus dem Raum und dem Haus segelte. Noch Jahre später sprach es sich in Ballyduff herum, dass an diesem Sommerabend ein besonders launischer Geist den Friedhof heimgesucht haben soll und stundenlang nicht zur Ruhe gekommen sei. So trug Susan, als ihre erste Tat als offiziell echte Hexe, dazu bei, dass die Ballyduff-Häuser von Muggeln gemieden werden.