9. Im Rosenhaus - -
 Sie kamen auf eine große Wiese. Die Sonne war so warm, dass sie ihre Jacken und Mäntel auszogen. Alina holte aus den Rucksäcken ein paar T-Shirts heraus und kurze Hosen und so liefen die drei Mädchen lachend und schwatzend hinter die Büsche, die dort in der Nähe standen, und zogen sich leichtere Kleidung an. Als sie fertig waren, setzten sie sich auf eine Decke, die Alina noch aus dem Rucksack hervorgezogen hatte, mitten in die wärmende Frühlingssonne. Dort beratschlagten sie, was als Nächstes zu tun wäre, doch sie kamen nicht sonderlich voran. Sie kannten sich nicht aus und wussten nicht, wo sie als Erstes suchen sollten. Da hatte Robin eine Idee: „War am Eingang des Parks nicht ein Souvenirverkäufer? Er kennt sich hier aus und weiß eventuell Rat“, schlug sie vor und sprang auf, um noch einmal zurück zulaufen. „Wartet hier, ich komme gleich wieder“, rief sie noch zurück und bog rennend in die schöne Allee ein. Es dauerte eine Weile bis Robin wieder am Ausgang der Allee auftauchte und zur Verwunderung aller den Kartenverkäufer gleich mitbrachte. Sie kamen, in ein Gespräch vertieft, schnell heran. Der Verkäufer gab allen der Reihe nach die Hand, während er bei Melian für einen Moment stutzte. Es stellte sich heraus, dass er Marcus hieß und 19 Jahre alt war. Er verkaufe die Karten zurzeit für seinen Vater, sagte er, weil dieser krank zu Hause im Bett lag. Er fragte nach ihrem Anliegen, da ihm Robin noch nichts gesagt hatte. Sie erzählten ihm, dass sie einen Ort suchten, an dem es eine kleine, silberne Truhe zu finden gäbe. Er überlegte einen Moment und sah sie dann grinsend an. „Ja, ich kenne so einen Ort, wenn ihr wollt, kann ich euch hinführen. Er ist aber leider am anderen Ende der Stadt. Das heißt, wir müssen mit dem Bus dorthin fahren aber ich selbst kann den Bus nicht bezahlen.“ „Das ist kein Problem“, sagte Chiris, „das übernehmen wir. Du führst uns ja schließlich hin, also ist das nur recht und billig.“ Sie suchten ihre Sachen zusammen, verließen den schönen Park und liefen zur nächsten Bushaltestelle. Nur Alina blieb beim Brunnen noch kurz stehen und schaute noch einmal in das blaue Wasser. "Schade, dass wir schon gehen müssen. Wie gerne wäre ich noch hier geblieben"? Sie wischte verstohlen eine Träne weg, die sich ihren Weg durch ihr Gesicht bahnte. Dann lief sie den anderen nach, die schon am Eingang des Parks auf sie warteten. Sie fuhren quer durch die ganze Stadt. Autos, Telefonzellen, auch viele Menschen. Am komischsten fanden sie eine Mutter mit einem wirklich bunten Kinderwagen. Unterdessen erzählte ihnen Marcus, dass die kleine Truhe eventuell in der neuen Ausstellung im Rosenmuseum sein könnte. Sie betraten durch eine schwere Holztür das alte Rosenmuseum. An der Kasse bezahlten sie für alle den erwachsenen Eintrittspreis, nur Melian bekam einen Kinderrabatt. Immer noch grummelnd betrat Melian einen weiteren Saal. Die Mädchen und Marcus kamen lächelnd nach. Staunend sahen sie sich um. Dies war nicht nur ein Saal, nein, es war eine ganze Kuppel. Rund war sie und an den Wänden standen verschiedene griechische Götter. Als sich Chiris in die Mitte auf einen Stern, der die Windrichtungen zeigte, stellte und nach oben sah, wurde ihr mit einem Mal schwindelig, doch das verging gleich darauf wieder. An der Kuppeldecke waren alle Sternzeichen zu sehen, die es gab. In einem anderen Kreis weiter oben waren auch noch einmal die griechischen Gottheiten zu sehen. Und genau am höchsten Punkt der Kuppeldecke war ein Stern, wie der, auf dem Chiris stand, und der ebenfalls die Himmelsrichtungen zeigte. Beeindruckt folgte Chiris den anderen in den nächsten Raum. Dort stand eine riesige Steintafel mit der Chronik der Stadt darauf an der Wand. Sie war im Laufe der Zeit immer wieder ergänzt worden. Sie wurden von Marcus abgelenkt, der sie aus einem anderen Raum weiter hinten herbeirief. „Hier ist sie“, rief er aufgeregt, „ist es die, die ihr sucht?“ Die Mädchen und Melian kamen heran. Doch als sie die Truhe sahen, verneinten sie Marcus´ Frage enttäuscht. Vor ihnen stand eine mittelgroße, silberne Truhe, in der ein kleiner Mandelbaum wuchs, der sehr schön anzusehen war. Nach der Information der Steintafel zufolge war das ein ziemlich alter Baum, der schon seit Ewigkeiten dort stand. Stumm gingen sie in den nächsten Raum und dieser zeigte ihnen, warum das Museum das Rosenmuseum hieß. Hier war alles voller Rosensträucher. Rote Rosen, gelbe, rosafarbene, weiße, sogar lachsfarbene Rosen gab es hier. Die Letzteren gehörten zu einer ganz neuen Züchtung. Es war spät und die Sonne ging gerade unter als sie das Museum verließen. Melian und die Mädchen überlegten, wo sie für die Nacht einen Schlafplatz suchen sollten, als sie Marcus einlud, mit zu sich nach Hause zu kommen aber sie müssten sich vorher noch etwas für das Abendbrot und das Frühstück morgen einkaufen. So gingen sie in den nächsten Laden und besorgten noch Brot und andere Lebensmittel. Spät kamen sie bei Marcus zu Hause an. Er stellte sie seinem Vater vor, der eine ernste und schweigsame Person war. Sie aßen zu Abend und gingen dann alle zeitig ins Bett. Es war ein langer Tag gewesen. Am nächsten Morgen weckte sie Marcus: „Aufwachen, es ist hell draußen. Ich muss doch wieder Karten verkaufen, um Geld zu verdienen.“ „Uuaahhh, guten Morgen“, murmelte Alina verschlafen, „wie spät ist es?“ „Es ist 5.00 Uhr“, rief er munter aus der Küche. Nachdem alle aufgestanden waren und gefrühstückt hatten, ging Marcus in den Schlosspark und die Mädchen machten sich auf, um weiter nach dem nächsten Teil der Fantasie zu suchen. Sie hatten immer weniger Zeit zur Verfügung. Drei Tage waren schon vergangen und der Vierte brach gerade an. Die jungen Leute verließen das Haus. Wo sollte eine solche Truhe noch zu finden sein? So verging ein weiterer Tag ergebnislos. Sie hatten zwar eine Spur gefunden, aber diese stellte sich als Sackgasse heraus. Müde gingen sie abends zum Schlosspark, um dort Marcus zu treffen und erzählten ihm die Geschehnisse des ganzen Tages. Als es um den Schlafplatz ging, sagte er kurz und knapp: „Ihr könnt natürlich wieder bei mir schlafen, aber das Essen müssen wir noch einkaufen.“ Sie verbrachten erneut eine Nacht bei Marcus. Ein weiterer Tag war vergangen, ohne Erfolg. Marcus weckte sie, wie am Vortag um 5.00 Uhr und gemeinsam machten sie sich wieder auf die Suche. „Die Suche nach der Fantasie ist ja wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen“, schimpfte Chiris schlecht gelaunt, „wo sollen wir denn noch suchen, wir waren doch schon überall?“ „Jetzt zu schimpfen und schlechte Laune zu haben, hilft uns auch nicht weiter“, sagte Melian ernst. „Aaaahhhhh!“, kam es plötzlich ganz aus der Nähe, „haltet die Diebin!“ Die vier rannten gleichzeitig los. Aus einem Fenster im ersten Stock schaute eine junge Frau heraus und zeigte mit der ausgestreckten Hand auf einen Vogel, der in die Luft flog und sich langsam entfernte. „Bitte rennt der Elster hinterher, sie hat mir mein Silberkästchen gestohlen." Kaum hatten Alina und Chiris das gehört rannten sie auch schon los. Beiden war ein Schreckgedanke durch den Kopf gesaust. Melian und Robin blieben bei der Frau, um sie zu beruhigen. Sie konnten die Zwei nicht mehr einholen, denn sie waren so schnell wie der Wind hinter der nächsten Ecke verschwunden. Auch war es das Beste, hier zu warten, sonst könnten sie verloren gehen. Chiris und Alina waren immerhin Sportler, die mehr Ausdauer hatten als sie beide und sie würden bei ihrer Suche durch sie nur aufgehalten werden.