7. Die Brücke - -
 Nach ein paar Stunden kamen sie zu einer großen Holzbrücke. Über diese mussten sie hinüber, doch als Chiris die Brücke betrat, knackte es sehr laut in den Balken. Tief einatmend und den Blick fest auf das andere Ende gerichtet, schaffte sie es. Als sie auf der anderen Seite angekommen war, atmeten alle erleichtert auf. Nun betrat auch Alina die Brücke und ging langsam, Schritt für Schritt, vorwärts. Drüben angekommen drehte sie sich um und rief Robin zu, dass sie jetzt auch kommen kann. Robin schaute die Holzbrücke ängstlich an. Sie zitterte am ganzen Leib. „Robin, na los, komm schon! Es ist ganz leicht. Du brauchst einfach nur geradeaus zu sehen“, rief ihr Chiris vom anderen Ende zu. Zögernd setzte Robin den Fuß auf die Brücke. Sie ging langsam, sehr langsam, vorwärts. Doch mitten auf der Brücke passierte es. „Robin, sieh nicht runter“, riefen ihre Freundinnen ihr noch zu, doch es war schon zu spät. Um Robin drehte sich alles, ihre Beine gaben nach und sie fiel hin. Im selben Moment schrie sie auf. "Ich kann nicht, ich habe Angst!“, rief Robin verzweifelt und klammerte sich am Boden fest. „Robin“, rief Melian, der vorher durch Magie hinüber geschwebt war, „Robin“, wiederholte er. „Ich kann nicht", kam es von Robin zurück, „ich habe Angst.“ „Wir haben auch Angst. Wir haben Angst, dir könnte etwas passieren, doch wenn du jetzt aufgibst und wir alle wieder zurückgehen, dann können wir nie wieder von hier fort. Alles wäre umsonst und die Menschen in eurer Heimatstadt würden auf immer blind bleiben, wie Maschinen. Verstehst du das?“ Stille trat ein. „J-ja. Ich verstehe, aber?“ „Kein aber. Gib dir Mühe, steh auf und lauf!“, rief jetzt Alina, „wir alle wollen vorwärtskommen, doch wenn du jetzt aufgibst, dann hat Hurin gewonnen. Er wird uns auslachen und denken, wie schwach wir Menschen doch alle sind. Steh auf!“ Eine Weile lang geschah gar nichts. Man mochte fast meinen, dass Robin aufgegeben hatte, doch? „Die Menschen sind nicht schwach“, presste sie hervor. Alle sahen Robin gespannt an. „Die Menschen sind nicht schwach und ich bin es auch nicht“, sagte sie noch einmal. Und während sie das sagte, nahm sie all ihren Mut zusammen und kniete sich hin. Starr hielt sie dabei ihren Blick auf Alina gerichtet. Dann stellte sie, immer noch zitternd, ihren Fuß vor sich und drückte sich langsam hoch. „Du wirst nicht gewinnen, Hurin!“, machte sie sich Mut. Kurz darauf stand sie auf ihren Beinen. „Du schaffst es!“, feuerten sie alle drei von der anderen Seite aus an. Und Zentimeter für Zentimeter rückte sie ihren Fuß nach vorne. Noch ein Stück und noch ein Stück. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis sie das andere Ende erreichte. Dort brach sie schluchzend zusammen und weinte sich ihre ganze Angst an Alinas Schulter aus der Seele. Liebevoll strich diese ihr über den Kopf und sagte: „Die Menschen sind nicht schwach und du erst recht nicht.“ „Du hast mehr Mut als wir alle“, sagte ihr Chiris stolz. Robin blickte sie mit tränenverschmiertem Gesicht an und erleichtert trat ein Lächeln in ihr Gesicht, welches sich kurz danach in einen überraschten Ausdruck umwandelte. „Wir haben es geschafft, seht mal dort hinten“, sagte Robin nun lächelnd. Alle drehten sich um und schauten in die Richtung, in die Robin vorher geblickt hatte. Und dort stand eine kleine schimmernde Tür, die immer größer wurde und bald auf die normale Größe herangewachsen war. Vorne auf der Tür stand in großen, verschnörkelten Buchstaben das Wort "Mut". Alle lachten auf einmal los und Chiris stieß einen Freudenschrei aus. Nun konnten sie endlich in die nächste Welt eintreten und das alles hatten sie Robins Mut zu verdanken, den sie auf der Brücke bewiesen hatte. Alle rafften sich auf. Gespannt, was sie in den nächsten Welten erwarten würde, gingen sie, sich an den Händen haltend, durch die schimmernde Tür, die den Namen „Mut“ trug.