Nalta aus Hufflepuff - Summer Breeze
Das Bild wurde gezeichnet von Hedwig II  Schwungvoll trat Melina an die schwere Tür, die ihrem Fuß nicht widerstand und aufschwang. Die plötzlich auftretenden Schmerzen in ihrem rechten Fuß ignorierte sie und ließ draußen ihre vollgepackte Reisetasche auf den Boden fallen. Seufzend streckte sie die Arme aus, genoss den warmen Sonnenschein auf ihrer Haut und spürte einen erfrischenden Wind, der ihre offenen Haare flattern ließ. Plötzlich hörte sie hinter sich eine Stimme: „ Wenn du nicht aufpasst, fliegst du gleich davon!“ „Oh man, Felix!“, rief sie genervt. „Wegen dir wäre ich fast die Treppe runtergefallen. Wie wär’s, wenn du dich nützlich machst und meine Tasche zum Zug trägst?“ „Ach, weißt du – ich hab grad keine Zeit“, erwiderte der frech grinsend und sprang die Treppe hinab. Ächzend erhob Melina wieder ihre Tasche und trug sie vorsichtig, Stufe für Stufe, den Weg zum Bahnsteig, während sie sie immer wieder von einer Hand in die andere wechselte. Im Zug angekommen ließ sie sich auf einen Sitz am Fenster sinken und schaute in die Ferne. Die ganze rechte Seite nahm das Schloss Eulenfels ein, in dem sie nun ein ganzes Jahr zaubern gelernt hatte. Voller Vorfreude dachte sie an die jetzt anstehenden Sommerferien, in denen sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester, die allerdings alle Muggel waren, eine Segeltour geplant hatte. Zwei Wochen türkisblaues Meer, ganz viel Sonne und endlich mal wieder Zeit mit ihrer Familie zu verbringen ließen sie ganz hibbelig werden. Am Bahnhof angekommen lief sie in die offenen Arme ihrer Mutter. „Melina, es ist so schön, dich wiederzusehen! Wie geht’s dir? Haben die in Eulenfels auch ordentlich gekocht? Hast du deine Klamotten auch ordentlich gewaschen und geflickt?“, begann die Mutter ihren Redeschwall. „Ach Mama“, lachte Melina, „du siehst doch, dass es mir gut geht! Jetzt mach dir mal nicht so viele Gedanken und lass uns schnellstmöglich nach Hause fahren.“ Die beiden schleppten Melinas Reisetasche ins Auto und machten sich auf den Weg. Zu Hause angekommen rannte ihnen gleich die kleine Schwester entgegen und rief aufgeregt: „Melina, kannst du jetzt zaubern? Kannst du mir das mal vorführen?“ „Hallo Nadine“, lächelte Melina, „ich darf in den Ferien nicht zaubern, solange ich noch minderjährig bin.“ Nadine machte ein enttäuschtes Gesicht und lief wieder ins Haus. „Sie hat sich extra einen Zauberkasten gekauft, um auch üben zu können“, meinte der Vater grinsend, der inzwischen auch gekommen war. Melina lachte. Am nächsten Tag quetschte sich die ganze Familie ins vollgepackte Auto und machte sich auf in Richtung Ostsee. Geplant war, dort eine Jolle zum Segeln zu mieten und dann damit das Meer zu erkunden. Gesagt, getan, sie kamen relativ staufrei an und bekamen dank des Segelscheins des Vaters auch gleich ein Boot vermietet. Sie beschlossen, erst einmal das Gepäck in die Ferienwohnung zu räumen und sich von der Fahrt zu erholen, Segeln wollten sie erst am nächsten Tag, auch wenn die beiden Kinder es kaum erwarten konnten. Frisch ausgeschlafen machten sie sich am darauffolgenden Morgen auf zu ihrer Jolle. Die Eltern begannen, das Boot startklar zu machen, indem sie die Segel einspannten und befestigten, diverse Seile verknoteten, die Ruder auspackten und schließlich das Schiff aus der Vertäuung lösten. Das Ganze wäre schneller vonstattengegangen, wenn nicht Nadine andauernd versucht hätte zu helfen, zumindest solange, bis Melina sie darauf hinwies, dass es hier am Hafen prächtige Fische gäbe. Daraufhin stellte Nadine sich in Gummistiefeln ins seichte Wasser und hängte eine selbstgebastelte Angel, bestehend aus Stock und Schnur, ins Wasser. Als die Eltern dann die beiden Geschwister aufs Boot riefen, war Nadine ziemlich sauer, weil sie keinen einzigen Fisch erwischt hatte und Melina ihr angeblich Blödsinn erzählt hatte. Als sie aber dann die Pinne zum Steuern bedienen durfte, war sie schnell wieder versöhnt. Zusammen mit dem Vater manövrierte sie die Jolle aus dem Hafen, um dann weiter aufs Meer hinauszufahren. Während der Fahrt erklärte der Vater den Geschwistern, wie genau sie steuern mussten, damit das Boot nicht im Wind stehen blieb. Schnell fanden die beiden Gefallen daran und stritten sich ständig darum, wer gerade steuern dürfte. „Du warst viel länger als ich dran“, meinte Melina. „Stimmt ja gar nicht“, rief Nadine, „und außerdem warst du davor viel länger!“ „Och Kinder, wir werden noch oft genug rausfahren, da könnt ihr beide noch viel öfter steuern.“ „So, wir sind jetzt weit genug draußen, lasst uns mal eine Halse fahren, damit wir wieder in Richtung Ufer kommen“, sagte der Vater. „Eine was?“, fragte Nadine. Der Angesprochene erwiderte: „Das ist ein Manöver zum Umdrehen, aber lasst mich das lieber machen, denn die Gefahr, dabei das Boot zum Kentern zu bringen, ist recht groß.“ Melanie spürte erfreut den erfrischenden Meereswind, denn auf einem Boot ohne Schatten im Meer wird es schnell sehr warm, viel wärmer als am Ufer. „Da war doch was mit Physik“, dachte sie, „das Wasser reflektiert die Sonnenstrahlen …“ Das erinnerte sie wieder an ihre alte Schule, als sie noch keine Ahnung von ihren Zauberkräften hatte und ein völlig normales Leben geführt hatte. „Was ist schon normal?“, unterbrach sie sich in Gedanken. „Eigentlich bin ich ja ein Zauberer, also ist Magie normal.“ Plötzlich fiel ihr auf, dass das Boot unnatürlich stark zu schwanken begann. „Papa macht das schon“, beruhigte sie sich, hielt sich aber sicherheitshalber an einem Seil fest. „Lass das Fock los, Melina!“, schrie der. Und noch mal: „Melina, schnell!“ „Was soll ich machen?“, rief Melina verzweifelt zurück. Doch da war es schon zu spät: Das Schiff beugte sich so stark, dass es umkippte. „Ich werde sterben“, glaubte Melina, „dabei bin ich doch noch so jung!“ Verzweifelt schlug sie um sich, sie hatte völlig die Orientierung verloren. Ihre Lungen schienen zu bersten. Sie meinte jeden Augenblick zu wissen, dass ihre Atemluft nun endgültig verbraucht war, doch es reichte immer noch ein Stück. Irgendwann, es kam ihr wie nach Stunden vor, stieß sie mit dem Kopf an ein Stück Holz und kurz darauf durchstieß sie die Wasseroberfläche. Ihre Mutter rief ihr zu, dass sie sich auf den Kiel setzen solle und völlig am Ende ihrer Kräfte schaffte sie es, das Boot zu fassen. Sie bemerkte nicht mehr, wie ihre Mutter sie hochzog. „Was machen wir jetzt?“, fragte Nadine. „Das Einzige, was ich noch habe, ist meine Pfeife … Aber wir sind zu weit vom Ufer entfernt, als dass man die hören würde. Alles andere liegt jetzt wohl am Grunde des Meeres“, antwortete der Vater. Trübsinnig machte Melina es sich auf dem Bootskiel bequem. „Hey, Melina“, rief ihre Schwester, „kannst du uns nicht einfach wegzaubern?“ „Leider nein“, antwortete die Angesprochene, „ich darf doch in den Ferien nicht zaubern …“ „Menno“, maulte Nadine, „jetzt kannst du das schon und was bringt’s dir? Nix!“ Verdrossen starrte Melina in die Ferne und sah, wie sich eine Wolkenbank aufbaute. „Oh nein, nicht auch noch ein Sturm!“, dachte sie. Die Wellen wurden immer höher. An ihren Kämmen bildeten sich allmählich weiße Schaumkrönchen. Das Boot begann immer mehr zu schaukeln. Bis plötzlich eine unglaublich große Welle nahte. Die ganze Familie starrte gebannt darauf. Es schien, als wollten sie sie mit ihren Blicken aufhalten. Immer näher rollte sie heran und gewann erschreckend an Höhe. Bald wölbte sich der Wellenkamm schon über ihren Köpfen und eine wahre Wasserflut begrub die ganze Familie unter sich und drückte sie immer tiefer. „Noch einmal hab ich nicht so viel Glück“, dachte Melina. Ihre Atemluft war längst verbraucht und noch immer schien sie nach unten zu treiben. In diesem Moment dachte sie an ihren Abschied aus Eulenfels und an Felix – „an was für unwichtige Sachen man doch kurz vorm Tod denkt.“ Sie trieb weiter, ihre Harre wirbelten um den Kopf und sie dachte an gar nichts mehr, sie hatte völlig mit ihrem Leben abgeschlossen. Plötzlich glaubte sie, einen fremdartigen Geruch in der Nase zu spüren … „Ist das der Tod?“, fragte sie sich. Sie öffnete die Augen … und sah eine Wasserwand vor sich. „Moment mal, das kann doch nicht sein! Ich kann atmen und ich lebe – mitten im Meer!“ „Gut erkannt“, sagte eine fremde Stimme. Erschrocken suchte Melina nach deren Ursprung. Sie erblickte einen abenteuerlich wirkenden Mann. Er war von gedrungener Gestalt und seine Gewandung schien nur aus farbenfrohen Tüchern zu bestehen. Kurz und gut: Er wirkte wie aus einem Märchen entsprungen. Ungeachtet ihrer forschenden Blicke fuhr er fort: „Du bist in einer Unterwasserhalbkugel. Ich habe für dich eine Öffnung geschaffen, ansonsten wärst du ertrunken.“ „Äh, danke“, erwiderte sie verdutzt, „aber wie kannst du einfach einen Durchlass schaffen?“ „Mit Hilfe von Magie“, antwortete dieser. „Ich habe auch Zauberkräfte, aber ich habe noch nie davon gehört, dass es jemandem gelungen sein sollte, eine Art Schutzschild zu schaffen“, meinte Melina. „Nun ja, wir sind nicht wie ihr“, war die Antwort, „aber das wirst du mit der Zeit schon herausfinden. Geh dort entlang!“ Er wies mit seinem Arm Richtung Mitte der Kuppel. Melina machte sich neugierig auf den Weg. Schon bald konnte sie eigenartig geformte Gebilde entdecken. Diese waren sandfarben, hatten unzählige Terrassen und mindestens genauso viele schlauchförmige Auswüchse. An den Wänden wuchsen farbenprächtige Ranken mit riesigen Blüten, die einen süßlichen Duft verströmten. „Wow, das ist ja unglaublich!“, murmelte Melina. Sie setzte ihren Weg fort und bald tauchten die ersten Leute auf, ähnlich dem Mann, dem sie vorhin begegnet war, die sie neugierig, aber auch leicht verächtlich, wie es ihr schien, beobachteten. Nach einer Weile traf sie auf einen Platz, um den sich kreisförmig viele weitere Gebäude aufwölbten. In der Mitte stand eine Art Brunnen. „Natürlich“, dachte Melina, „ es gibt hier mitten im Meer sicher kein fließendes Wasser oder Elektrizität und doch scheinen die Leute damit vollauf zufrieden zu sein.“ Sie ließ sich auf den Brunnenrand sinken und überlegte, was sie nun machen sollte. Da tauchte wieder der Mann auf, der sie gerettet hatte. „Na, genug geschaut?“, fragte er mit leichtem Lächeln. „Es ist alles wie im Traum“, sagte Melina. „Ja, unsere kleine Welt ist wunderschön“, erwiderte er verträumt, „aber leider nicht ganz so perfekt, wie es scheint.“ „Wieso, was ist denn?“, fragte Melina. „Nicht jeder ist so glücklich darüber, dass ich dich gerettet habe …“, erwiderte der. „Warum?“, war die entsetzte Reaktion. „Du bist eine Zauberin der oberen Welt, bei euch gibt es das Böse, ihr bekämpft euch gegenseitig und benutzt Muggeltechnik! Man will mit euch nichts zu tun haben. Im Laufe des Tages will der Hohe Rat über dein weiteres Schicksal entscheiden. Solange kannst du in mein Haus kommen, wenn du möchtest.“ Bis dahin hatte Melina gebannt zugehört. „Gerne“, antwortete sie leise, während sich in ihrem Kopf die Gedanken überschlugen. Nach einigem Nachdenken meinte sie: „Es ist doch völlig irrelevant, was der Rat entscheidet, ich will sowieso wieder zurück zu meiner … Familie.“ Bei diesem Wort hatte sie kurz gestoppt. Was war mit ihren Eltern und Nadine? Sie waren schließlich nicht hier unten! Waren sie etwa ertrunken? – Nein, das durfte nicht sein! „So einfach ist es nicht“, meinte der Mann, „für den Rat gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder du bleibst hier, oder du wirst sterben.“ Melina warf ihm einen entsetzten Blick zu. „Jetzt komm erst mal mit mir nach Hause und ruh dich aus“, fuhr er fort. Die beiden machten sich auf den Weg. Vor dem Haus angekommen, blieben sie vor einem der seltsamen Auswüchse stehen. Melina fragte sich, was das sollte, denn vor ihr befand sich eine völlig nahtlose Wand. Auf einmal lief der Mann einfach geradeaus weiter, mitten auf die Wand zu, ohne dabei innezuhalten … und verschwand schließlich darin. In diesem Moment erinnerte sie sich an den Zugang zu Gleis 9 ¾ und lief vorsichtig hinterher. Unsanft stieß sie gegen die Wand. „Verdammt“, dachte sie, „was jetzt?“ In dem Moment streckte der Mann seinen Kopf wieder zur Wand hinaus, was sehr eigenartig aussah. „Tut mir Leid“, meinte er, „ich hab völlig vergessen, dass du mit deinen Kräften hier nicht hineinkommst. Versuche es jetzt noch einmal“, sagte er. Misstrauisch lief Melina erneut auf die Wand zu und diesmal bot sie ihr keinen Widerstand. Das Innere des Hauses wirkte genauso phantasievoll wie das Äußere: Bunte Korallen bedeckten den Boden, die verschiedenen Räume waren offen, also nicht durch Türen begrenzt, wie es auf der „normalen“ Welt der Fall war. Zwischen den einzelnen Räumen gab es unzählige Öffnungen, ähnlich Luftblasen. Staunend blieb Melina stehen. „Ich werde ein Bett für dich richten, du kannst dir aussuchen, wo du schlafen willst“, sagte der Mann. Melina deutete auf das Ende, das am weitesten von dem Punkt entfernt war, von dem sie das Haus betreten hatten – sie wollte möglichst alleine sein. Der Mann stellte sich vor eine Wand und konzentrierte sich auf den Boden, wo urplötzlich ein weiches Lager aus Algen entstand. Diese Art von Magie ohne Zauberstab faszinierte Melina unglaublich, doch war sie so müde, dass sie sich sofort hinlegte und einschlief. Von unruhigen Träumen gequält wälzte sie sich von einer Seite auf die andere. Unbemerkt verschwand ihr Gastgeber … Einige Stunden später wurde Melina plötzlich geschüttelt. „Wach auf“, zischte der Mann, „schnell, komm, der Rat will dich umbringen lassen!“ „Aber … was …“, fragte Melina noch halb verschlafen, doch der Mann bugsierte sie aus dem Haus hinaus zu einer Stelle, an der die Wasserkuppel den Meeresboden berührte. „Wenn ich jetzt sage, musst du sofort durch die geschaffene Öffnung gehen. Ich kümmere mich um den Rest“, sagte der Mann. Konzentriert starrte er auf die gebogene Fläche. „Jetzt“, sagte er mit unterdrückter Stimme und gab Melina einen Stoß. „Danke für …“, wollte Melina noch sagen, doch der Rest des Satzes ging in gurgelndem Wasser unter. Mit rasanter Geschwindigkeit bewegte sie sich durch das Meer schräg nach oben. Es kam ihr vor, als seinen Stunden vergangen, als sie endlich am Ufer auftauchte. Wie ihre Luft gereicht hatte, fragte sie schon gar nicht mehr. Sie ließ sich in den von der Sonne erwärmten Sand sinken und schlief ein. Vielleicht war ja alles nur ein Traum dachte sie, doch ihre Anwesenheit an diesem einsamen Strand ließ diese Hoffnung trügerisch erscheinen.