Aentchen aus Slytherin - Über die Nutzung der Magie
Das Bild wurde gezeichnet von shandris  Hallo! Mein Name ist Sue Allen. Wollen wir gleich zum Thema kommen: Ich bin eine Hexe! Ja, ja, ich weiß: Hexen gibt es doch gar nicht! Das habe ich schon häufig zu hören bekommen, aber ich bin wirklich eine. Eine waschechte Hexe! Ich habe sogar ein Diplom für die bestandenen ersten drei Jahre meiner Ausbildung zu einer Magierin im Verwaltungswesen. Die Ausbildung dauert sechs lange Jahre. Ich könnte mir etwas Schöneres vorstellen, aber mit einem Muggel-Schulabschluss bringt man es in der magischen Welt nicht weit. Meine Eltern sind beide Muggel (meine Mutter weigert sich Magie anzuwenden), so wie meine drei Geschwister. Ich bin die erste Hexe in der Familie seit meiner Großmutter. Ich kann euch sagen, meine Eltern waren geschockt, als sie es herausfanden. Ich durfte keine Schule zur Förderung meiner magischen Kräfte besuchen, weil meine Eltern die ganze Zauberei für Humbug halten. Meine Mutter hat sich immer erfolgreich gegen ihre Kräfte gewehrt und ein Muggel-Leben gewählt. Meinem Vater hat sie dieses Detail bis heute nicht verraten. Meine geliebte Großmutter hat mir alles beigebracht. Sie ist eine tolle Person, aber sie stellt ihr eigenes Licht gerne unter den Scheffel. Sie war es auch, die meine Eltern überzeugt hat, mir die Ausbildung zu erlauben. Sie hat alles versucht, von höflichem Zureden bis zum Zücken ihres Zauberstabs. Letzteres hatte den größten Effekt auf meine Eltern. Komischerweise haben Muggel immer Angst vor Zauberstäben und denken, ohne sie wären Hexen und Zauberer wehrlos. Ich habe sie in diesem Glauben gelassen, denn sonst bekämen sie Angst, dass ich im Schlaf das Haus in die Luft jagen könnte. Das habe ich weder vor, noch bin ich eine tickende Zeitbombe. Aber das sollte ich euch näher erklären. Meine Großmutter ist vor ein paar Jahren mit mir losgegangen, um einen Zauberstab zu kaufen. Sie wollte mit mir Schritt für Schritt in der Ausbildung vorgehen. Dummerweise ist ein Zauberstab nach dem anderen in meinen Händen in einem Funkenregen aufgegangen. Ich konnte es nicht steuern. Meine Kräfte brachen unkontrolliert aus meinen Händen hervor. Der Zauberstabmacher empfahl meiner Großmutter, Bücher statt seinen Zauberstäben zu wählen, denn er hielt es für unangebracht, weitere Zauberstäbe an meine magischen Hände zu verlieren. In einem Buchladen fand meine Großmutter tatsächlich einen Band über das angeborene Zaubern ohne Zauberstab, das bei jedem Wesen mit magischen Kräften verschieden ausgeprägt ist. Sie war gleichzeitig verzückt und schockiert darüber, dass die wenigsten Zauberer solche Kräfte ausbildeten. Im Kindesalter sind diese Kräfte ausgeprägter als bei erwachsenen Zauberern, da durch die Schulen Zauberstäbe vorgegeben sind und die natürlichen Veranlagungen verkümmern, wie ich finde. Mittlerweile bin ich auch im Besitz eines Zauberstabs. Warum? Na ja, sogar Zauberer fürchten sich vor anderen Zauberern, die keinen Zauberstab benötigen. Sie würden in mir eine Gefahr sehen, sagte meine Großmutter. So wie der Zauberstabmacher uns aus seinem Laden gescheucht hatte. Jetzt wisst ihr schon ziemlich viel über mich. Ich werde euch noch mehr erzählen, und zwar von einem Ereignis, das meine Eltern von meinen Fähigkeiten überzeugte. Damals waren wir im Urlaub auf Sri Lanka. Meine Eltern hatten lange auf den Urlaub hin gespart, denn es war ihr größter Wunsch einmal in diese Region zu reisen. Sie wollten die Menschen und die Kultur kennen lernen. Und es sollte ein Mix aus Strand- und Abenteuerurlaub werden. Ich für meinen Teil hätte den Strandurlaub bevorzugt, aber alles kam irgendwie anders. Das Ganze war im Dezember vor zwei Jahren. Über Weihnachten hatten meine Eltern für die ganze Familie Zimmer in einem Hotel am Strand gebucht. Heiligabend unter Palmen, ein unglaubliches Erlebnis. Ich fühlte mich fast wie eine der Jugendlichen in Australien, die Weihnachten mit ihren Familien immer am Strand mit Bratwürstchen verbringen. Die Geschenke fielen kleiner aus als gewöhnlich, aber die Umgebung machte das wieder gut. Herrliche Sonnenuntergänge und lange Spaziergänge im warmen Sand. Am Anfang hielt ich es für den schönsten Urlaub, den wir je hatten. Meine sonst so blasse Haut färbte sich braun und ich ging täglich zum Volleyball spielen mit den hübschen Jungs. Doch irgendwann muss man immer aus einem Traum aufwachen und in die Realität zurückkehren. Diese stellte sich aber als Albtraum dar. Am frühen Morgen des 25. Dezember fing alles an. Ich war früh aufgestanden, weil ich mit ein paar Freunden aus dem Hotel eine kleine Fahrradtour machen wollte. Ich wollte noch schnell einen Happen auf der Terrasse mit Blick aufs Meer essen, da sah ich sie auf mich zukommen. Eine gewaltige Welle auf dem Meer. Ich dachte erst, sie würde sich am Strand brechen, aber das tat sie nicht. Die Welle rollte ungebremst auf unser Hotel zu. Ich hatte kaum Zeit nachzudenken. Ich dachte an all die Menschen in dem Hotel, an meine Familie, die noch seelenruhig schlief. Sie würden alle sterben, wenn ich nicht etwas tat. Diese Hilflosigkeit, nur dazustehen, machte mich unendlich sauer. Ich rannte der Welle entgegen. Meine Familie wirst du nicht kriegen, dachte ich. Da mir kein Zauber einfiel, streckte ich ihr beide Hände entgegen und schrie, wie ich noch nie geschrieen hatte. Mir kamen Bilder in den Kopf wie aus „Herr der Ringe – Die Gefährten“ als Gandalf am Ende vor dem Monster steht, das ihn mit in den Abgrund reißt. „Du kommst hier nicht vorbei!“ Der nächste Gedanke reichte weiter zurück. Ich sah vor mir, wie sich das Meer teilt, wie schon in der Bibel als Moses mit den Familien vor den Ägyptern floh. Das Meer teilte sich tatsächlich. Ich spürte keinen Tropfen an meinem Körper, nur den Schweiß, den die Anstrengung mit sich brachte. Aber ich wollte noch mehr, ich wollte das Meer zurückpressen. „Weiche!“, schrie ich in meiner Verzweiflung und machte einen Schritt nach vorne. Immer noch raste das Wasser ungebremst auf die Häuser in der Umgebung. Nur das Hotel konnte ich wie eine Insel aus den Fluten heraushalten. Ich hörte die kläglichen Schreie anderer Menschen, die gnadenlos von den Wassermassen mit sich gerissen wurden. Das konnte es doch nicht sein. Ich wollte niemanden sterben sehen. Ich wollte sie nicht sterben hören. Mein Körper schmerzte unter der Anstrengung, das Wasser aufzuhalten. Ich hätte nicht mehr lange durchgehalten. Helft mir doch, euch zu helfen, dachte ich den Tränen nahe. Ich schrie alles aus mir heraus. So konnte es nicht enden. Diese Naturgewalt musste ich aufhalten. Die trügerische Sonne am Himmel, die unverhohlen schien, machte sich über mich lustig. Ich aktivierte alle Kraftreserven, ich musste die Welle zurückdrängen und das Wasser beruhigen. Schritt für Schritt wich das Wasser meinen Händen aus. Die gewaltige Wand schrumpfte in sich zusammen und das Wasser klatschte auf mich nieder. Die Welle lief nicht weiter, aber die angekommenen Wassermassen breiteten sich aus. Aber alles war gemächlich. Es war nicht mehr ein Feind, sondern endlich nur noch Wasser, das in Keller floss und einige Zentimeter auf der Straße stand. Damit konnte man leben. Hochwasser, das sich langsam zurückzog, war kein Feind mehr. Geschafft, dachte ich erschöpft und klappte in dem dreckigen Schlamm zusammen. Ich bin erst später wieder aufgewacht. Zu meinem Glück hatten nicht viele meine Taten gesehen und sie wollten es nicht weitererzählen, das versprachen sie mir. Meine Familie wurde auf dem schnellsten Weg aus der Region weggebracht, zurück nach Europa. Es war schrecklich, all die Menschen in ihrer Verzweiflung zurückzulassen. In so vielen Ländern wurde Hilfe gebraucht, die ich gerne gegeben hätte. Aber meine Eltern hatten zuviel Angst um mich, sie wollten mich unter keinen Umständen zurücklassen. Ich kann sie verstehen. Ich bin sehr traurig darüber, nichts weiter getan zu haben, aber auch das Zaubereiministerium legte mir die Hände in Ketten. Der Schutz der magischen Welt stand gegen den Schutz von Tausenden von Leben. Reine Politik, ein Scheusal! Über meine Großmutter erfuhr ich, dass es einige wenige Zauberer gibt, die sich in solchen Krisensituationen auskennen. Wenn man half, musste man auch die Erinnerungen vieler Menschen verändern. An dieser Stelle hätte ich fast die Magie aufgegeben, denn wer will schon tatenlos zuschauen. Aber ich habe mir eins geschworen. Ich werde weiter Magie betreiben, solange ich anderen auch damit helfen kann. Meine Kräfte nicht zu nutzen wäre anderen keine Hilfe, das ist meine Antwort. Soll sich doch ein Zaubereiministerium um die Geheimhaltung der Magie kümmern. Mich können sie nicht aufhalten, denn meinen Zauberstab zu zerbrechen ist keine Lösung für ihr Problem!