Vom Leben und Leid des fast kopflosen Nicks -

Vom Leben und Leid des Fast Kopflosen Nicks

Es war eines wunderschönen Herbstabends, als sich Sir Nicolas de Mimsy-Porpington auf dem Weg von einem Schlosstor, durch eine Allee von Bäumen hindurch, bis zu einem großen Eichentor machte. Dieser Mann, verehrte Leser, ist Ihnen wohl eher als der „Fast Kopflose Nick“ und Hausgeist von Gryffindor bekannt. Doch was machte Nick noch zu Lebzeiten? Wie starb er? Diese Geschichte will ich Ihnen heute erzählen. Nun, zuerst sollten Sie etwas über unseren Nick erfahren. Er war ein wohlhabender Mann mittleren Alters mit einer krausen Lockenfrisur und Spitzbart. Außerdem trug er immer einen extravaganten Federhut, mit dem er große Aufmerksamkeit auf sich zog. Was seinen Charakter anging, so war er durchaus ein geprägter Gryffindor. Jedoch hatte er eine, nun, etwas ungewöhnliche Neigung. Doch zurück zur Geschichte. Es war also Mitte Oktober, als unser Freund an seiner Grundstücksgrenze apparierte und sich zielstrebig auf dem Weg zu seiner Behausung machte, da das regnerische Wetter ihn nicht gerade zum Verweilen in der bunten Landschaft einlud. Er war erschöpft und entkräftet, doch er war zufrieden mit sich. Wieder einmal hatte er es geschafft, mit seinen doch begrenzten magischen Fähigkeiten einer Verbrennung auf dem Scheiterhaufen zu entgehen, nachdem er sich zuvor als Zauberer zu erkennen gegeben hatte. Natürlich nicht zu offensichtlich, aber ein simpler Zauber hatte gereicht, um die Muggel misstrauisch zu machen und ihn der Ketzerei anzuklagen. Ihm gefiel es einfach, dieser Nervenkitzel, dieser Adrenalinstoß. Zudem die Gelegenheit, sich beweisen zu können, besonders es sich selbst beweisen zu können, dass er zu etwas fähig war, wo er doch nicht einmal die sieben Jahre auf Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei, durchgehalten hatte. Ein Glück war es damals gewesen, dass es die Schulleitung nicht mehr für angebracht gehalten hatte, ihn auf die Schule gehen zu lassen, da er sehr tollpatschig gewesen war und ein recht abnormes Verhalten an den Tag gelegt hatte. Ein Glück war es also gewesen, dass er aus einer sehr alten, betuchten Ritterfamilie stammte, sodass seine Eltern ihn zwar nicht mehr auf der Schule halten, jedoch das Ministerium so bestechen konnten, dass er seinen Zauberstab behalten und die Lizenz für einfache Zauber – solche, die er bis zur fünften Klasse gelernt hatte – erhalten hatte. Die Prüfung für das Apparieren hatte er dann in seinem 25. Lebensjahr mit einigem Hängen und Würgen erfolgreich in einem Ministeriumskurs abgelegt, nachdem er es etliche Male zuvor geschafft hatte, sich zu zersplintern. Nun machte er sich also einen Spaß daraus, sich zur Schau verbrennen zu lassen. Seine Eltern waren beide an einer schweren Krankheit schon früh gestorben, weshalb er jetzt das Haus betrat, in dem er allein lebte. Er fühlte sich einsam … Er hatte sich schon immer einen Partner gewünscht, der die gleichen Ansichten hatte, der das Gleiche fühlte, mit dem er einfach über alles reden konnte. Aber so einfach war das nicht … Was war im Leben schon einfach? Er seufzte tief und ging in Richtung Küche, um sich sein Abendbrot selbst zuzubereiten.

~ 31. Oktober ~

Kalt war es in der Zelle. Eisig kalt. Doch wenigstens war er nicht allein. Nein, eigentlich war er sogar ziemlich glücklich in dieser eiskalten Zelle ... Zumindest noch bis vor Kurzem. ~|~ Vor zehn Tagen hatte er endlich den Mut geschöpft und es getan. Es war ihm sehr zuwider gewesen, doch letztendlich hatte er dem reichen König Sir Fecilius von Tugend, für den er schon seit seiner Kindheit Sympathien hegte und dem er seit einem Jahr gänzlich verfallen war, ein Glas Wein angeboten, als dieser an jenem späten Nachmittag an seiner kleinen Villa vorbeiritt. Natürlich war es kein normales Glas Wein gewesen. Nick hatte zuvor noch drei Tropfen eines sehr starken Liebestrankes dazugegeben. ~|~ Das Resultat war nun, dass sich der König und Nick bald darauf im Kerker wiederfanden. Das merkwürdige Verhalten und die unerklärbare Abwesenheit von Sir Fecilius waren natürlich seinem Personal und der Bevölkerung sehr suspekt. Als dann zu allem Überfluss Sir Nicolas seine heißblütige Liebe mitten auf dem Marktplatz nicht mehr zügeln konnte und dem König zuerst mit ein paar kleinen Zauberkunststücken auf dem Podium zu imponieren versuchte und die beiden danach sich gegenseitig in die Arme fielen und abküssten und liebkosten, erklärte der Ältestenrat der Ritter den König für nicht mehr regierungsfähig und übergeschnappt und ließ ihn mitsamt Nick verhaften. Sir Fecilius wurde durch seinen Sohn ersetzt. Dieser hatte schon darauf gelauert, irgendwann den Platz seines Vaters einnehmen zu können. Damit ihm dieser auch nicht mehr in die Quere kommen konnte, erzählte er dem Volk ein paar Tage später, dass der Zustand seines Vaters sich sehr verschlechterte und er wahrscheinlich in geraumer Zeit das Zeitliche segnen werde. In Wahrheit erfreute jener sich jedoch, in einer kleinen Zelle, bester Gesundheit … ~|~ Der Liebestrank verlor an Wirkung und damit auch die Laune von Sir Nicolas. Was dagegen stieg, war die Wut und die Verzweiflung des Königs. Nick hatte ihm, nachdem der König verwirrt in seinen Normalzustand zurückgefallen war, alles gestanden. Seine unendliche Liebe hatte ihn dazu fast gezwungen. Doch es blieb den beiden nicht viel Zeit zum Nachdenken und Streiten, denn sie sollten noch am selben Tag zusammen hingerichtet werden. ~|~ Es kitzelte. Doch das war er gewohnt. Unzählige Male schon hatte er sich verbrennen lassen. Aber diesmal war es anders. Irgendwie war es zu warm. In letzter Sekunde hatte er sich und den König noch mit einem Schutzzauber versehen können, der sie vor Verbrennungen und Gewalteinwirkungen jeglicher Art schützen sollte. Da er aber nur noch wenige Sekunden Zeit gehabt hatte, bevor ihm der Zauberstab abgenommen worden war, war er in Panik geraten und hatte die Zauberformel nur ganz leise vor sich hin genuschelt. Da hörte er plötzlich ein Schreien neben sich. Auf dem zweiten Scheiterhaufen, fünf Meter neben ihm, schrie sich Sir Fecilius die Seele aus dem Leib. Es roch nach verbranntem Fleisch. „NEIN!“, schrie Nick, doch er konnte nichts mehr machen. Er war festgebunden und von Flammen umhüllt.  ***** „Das kann doch nicht sein! Wieso stirbt dieser verdammte Bastard nicht?!“, fragte der Henker mehr sich selbst, als jemand anderen. Es war eine gute Stunde vergangen und das Feuer war so heiß, dass sich keiner näher als drei Meter an den Scheiterhaufen heranwagen konnte. Doch Sir Nicolas lebte immer noch. „Wahrhaftig, das muss ein Zauberer sein. Aber dem werde ich es schon noch zeigen!“ Und mit diesen Worten befahl er, das Feuer ausgehen und ihm eine scharfe Axt bringen zu lassen. ***** Eins, zwei, drei. „Aua ... Wie kann das sein?! Ich spüre Schmerz, obwohl der Zauber doch vor jeglichen Verletzungen schützen sollte?“ Noch einmal lief sein ganzes ruiniertes Leben vor ihm ab. Vier, fünf, sechs. ***** Sieben, acht, neun. "Langsam bewegt sich etwas", dachte der Henker zufrieden. Normalerweise hatte er einen Sterblichen schon mit vier Schlägen enthauptet. Doch hier handelte es sich ja auch um einen Zauberer. Zehn, elf, zwölf. 38, 39, 40. Dem Henker ging die Kraft aus. Er hatte zwar schon mehrere Pausen eingelegt, doch jetzt war er fertig. Nach 40 Schlägen war der Kopf immer noch nicht vollständig vom restlichen Körper abgetrennt. Zwei Zentimeter hielten ihn noch am Rumpf. Aber diese waren dem Henker jetzt egal. Er hatte seine Aufgabe erfüllt und die Welt von einem weiteren Zauberer befreit. ~~~~~~~~~ Nein … Das würde er nicht schaffen. Das wäre ihm zu peinlich, würde seinen Stolz verletzen, so vor seine Eltern, Sir Fecilius und andere zu treten. Und außerdem hatte er viel zu viel Angst. Nein, weiter konnte er nicht. So entschied er sich für den einzigen Ausweg … Den immer währenden. ~~~~~~~~~