Rahissas Zauberspiegel - --
Eines Tages bekommen alle Tiere eine Botschaft von der strengen Fee Rahissa. Sie sollen am Abend zur Steingrube kommen. Die Tiere wundern sich und beratschlagen darüber, was sie dort wohl erwartet. Die Steingrube im Dunkeln kommt ihnen gruselig vor und vor der strengen Rahissa haben sie auch Angst. Dennoch machen sie sich abends gemeinsam auf den Weg zur Steingrube. Das ist eine Mulde am Bergrand, ganz in der Nähe des Waldes. Der Boden besteht ausschließlich aus Lehm und ist umgeben von felsigen Steinen. In der Mitte der Steingrube steht schon die strenge Rahissa. Neben ihr steht noch etwas, was die Tiere im Dunkeln jedoch nicht genau erkennen können. Als sie näherkommen, sehen sie, dass es sich um einen Korb handelt, über den eine Decke ausgebreitet ist. Unter der Decke erscheinen plötzlich große Tatzen. Die Mäuse und Kaninchen beginnen zu zittern und wollen nicht weitergehen, aber der Bär gibt ihnen einen Schubs. „Geht schon. Ihr braucht keine Angst zu haben“, sagt er. „Die kleine Fee Luna hat zu mir gesagt, Rahissa sei zwar streng und barsch, aber sie sei keine böse Fee, da sie andernfalls gar nicht im Schloss wohnen dürfte. Sie wird schon keinen Löwen unter der Decke versteckt haben und wenn doch, dann beschütze ich euch.“ Das muntert die kleinen Tiere auf und sie gehen alle gemeinsam weiter. Die Fee begrüßt alle und bittet sie, sich im Kreis um sie herum aufzustellen. Alle sind erleichtert, dass Rahissa heute mal kein strenges Gesicht aufsetzt, sondern richtig fröhlich dreinschaut. Sie hält sogar eine kleine Ansprache: „Liebe Tiere, ich habe euch heute hierher gebeten, weil ich euch eine neue Erfindung vorstellen möchte. Unter dieser Decke habe ich einen Zauberspiegel und ich möchte ihn euch als Erstes zeigen. Dieser Spiegel ist nämlich etwas ganz Besonderes. Er verdoppelt alles, was vor ihm steht. Darum mussten wir uns auch hier in der Steingrube treffen, denn hier spiegelt er nichts als Lehm wider, wenn man ihn gerade nicht braucht. Im Wald würde er zum Beispiel alle Bäume verdoppeln und das wollte ich nicht, da sonst die alten Bäume bald keinen Platz mehr im Wald hätten.“ „Aber Rahissa“, wirft ein kleines Kaninchen ein, „warum sehe ich unter deiner Decke Tatzen wie von einem Löwen? Bist du sicher, dass du den Spiegel nicht versehentlich in ein Raubtier verwandelt hast?“ Böse funkelt Rahissa das Kaninchen an und sieht sofort wieder so streng aus, wie die Tiere sie eben kennen. „Diese Tatzen sind die Ständer des Spiegels und aus Holz, du Trottel“, faucht sie. „Schon gut, man wird doch mal fragen dürfen“, versucht das Kaninchen sie zu beschwichtigen. „Ich bin eben ängstlich veranlagt, wenn es um Raubtiere geht.“ „Dann zeig uns den Spiegel doch mal. Wir sind schon so gespannt“, sagt ein anderes Tier, damit Rahissa wieder fröhlich ist. Es wirkt und Rahissa grinst stolz in die Runde. Sie zieht die Decke rasch fort und schon erscheint der Spiegel. Die Tiere staunen nicht schlecht. Der Spiegel hat nicht nur Ständer, die wie Tatzen aussehen, sondern auch ein geschnitztes Gesicht: mit Augen wie Rahissas und einem Papageienschnabel wie der von Fitchibuti. Die Spiegelfläche sieht seltsam matt und stumpf aus, dafür fängt der Rahmen an zu leuchten und spritzt sogar kleine Funken, wie Sophies Zauberstab. Rahissa schaut in gebannte Gesichter. „Wer möchte den Spiegel nun testen?“, fragt sie. Der Bär meldet sich freiwillig und stellt sich vor den Spiegel. Gleich darauf erscheint ein zweiter Bär. „Toll, jetzt habe ich endlich einen Spielkameraden, der genauso stark ist, wie ich“, sagt er. Daraufhin kommt jedes Tier und will auch mal vor den Spiegel treten. Manche Tiere haben auch spezielle Wünsche. Die Schildkröte beispielsweise stellt ihren Roller vor den Spiegel und hat nun zwei Roller und der Fuchs will einen zweiten Schwanz haben, da er seinen so schön findet. Manche Tiere rennen auch nach Hause und als sie zurückkommen, stellen sie irgendwelche Gegenstände vor den Spiegel, da sie davon zwei haben wollen. Die Maus vervielfacht die Öllampe, da ihr Mann so kurzsichtig ist und sie nun mehr Licht machen kann, wobei der Mäuserich seine Brille vor den Spiegel hält und nun zwei Brillen hat, sodass das Licht gar nicht mehr nötig ist. Der Bisamratte passiert ein kleines Unglück. Sie springt vor dem Spiegel hoch, um erst einmal hineinsehen zu können, und hat plötzlich ein doppeltes Gesicht. Sie muss sich fragen, ob vor ihr wirklich zwei Marienkäfer stehen oder ob das nur so aussieht, wenn man vier Augen hat. Auch die Bienen scheinen vom Zauberwettkampf nichts dazugelernt zu haben. Sie halten ihre Flügel vor den Spiegel, bis sie am Ende acht Stück haben. Damit ist das Fliegen gar nicht mehr so einfach. Rahissa ist gerade von dem Biber abgelenkt, der sein Futter vervielfacht, sodass sie nicht mitbekommt, wie sich eine Elster mit einem Handspiegel nähert. Sie hat bereits ihre Halskette verdoppelt und wollte sich nun mit dem Handspiegel und dem Zauberspiegel von allen Seiten betrachten. Als der Biber fertig ist, geht sie zum Spiegel und stellt sich mit ihrem Handspiegel davor. Plötzlich hört Rahissa ein Reißen und Zischen und bevor sie die Elster wegjagen kann, ist der Spiegel in alle Einzelteile zerrissen und durch die ganze Luft fliegen kleine Spiegelkügelchen. Rahissa ist außer sich vor Zorn. Ihr schöner Spiegel ist kaputt, aber bevor sie irgendwen zur Rechenschaft ziehen kann, verschwinden alle Tiere und in null Komma nichts steht Rahissa mit dem zerbrochenen Spiegel alleine in der Steingrube und weint bitterlich. Sie nimmt sich vor einen neuen Spiegel zu basteln und mit diesem Gedanken sammelt sie die Reste des Spiegels ein und fliegt zurück zum Feenschloss.