Schabuas Papagei - --
Die Hexenfee Schabua wohnt auch im Hexenschloss, aber sie hat außerdem ein kleines Häuschen am Waldrand. Heute Abend fliegt sie dorthin und erwartet den Besuch der Zwerge und Tiere, die sie zum Melonen-Essen eingeladen hat. Der Zwerg Cossy hat bei der Wanderung zu ihrem Häuschen einen Umweg durch den Wald gemacht und kommt als Letzter an. Die Fee Schabua reicht ihm ein Stück Melone und sagt: „Setz dich ruhig schon zu den anderen an den Tisch. Ich gehe noch eben meinen Papagei suchen.“ Als die Tiere sich hingesetzt haben und schon genüsslich in ihre Melonenstücke beißen, kommt Schabua mit dem Papagei auf der Schulter zurück. „Wo war dein Papagei, Schabua?“, fragt das Eichhörnchen, nachdem es den ersten Bissen heruntergeschluckt und sich mit den Haaren seines langen Schwanzes seinen Mund abgewischt hat. „Oh, den hatte ich vor dem Haus zum Trocknen auf die Leiter gesetzt, aber eigentlich kann er auch hier auf meiner Schulter weiter trocknen“, sagt Schabua. Der Papagei findet das wohl auch, denn er nickt heftig mit dem Kopf und sagt: „Ja, genau. Ja, genau.“ Der Frosch wundert sich: „Warum muss er denn trocknen? Hat er gebadet?“ „Natürlich nicht“, antwortet Schabua, „er badet äußerst ungern, aber ich habe ihm heute die Federn neu eingefärbt und die Farbe muss noch trocknen.“ Nun sind die Tiere erst recht neugierig geworden und wollen endlich wissen, warum die Hexe Schabua jede Woche die Federn buntfärbt. „Ist ein Papagei nicht sowieso bunt?“, fragen sie. „Nein, nein. Nein, nein“, mischt sich der Papagei ein, bevor Schabua antworten kann. „Eigentlich, ja, aber dieser hier nicht“, erklärt sie. „Und wie kommt das?“, fragen die Tiere weiter. „Das ist wirklich eine lange Geschichte“, sagt die Hexe und setzt sich in ihren Schaukelstuhl. „Seid ihr sicher, dass ihr sie hören wollt?“ Die Tiere waren sicher und spitzten die Ohren, als Schabua mit dem Erzählen begann: „An dem Tag, als der Papagei zu mir kam, das war vor vielen Jahren, saß ich hier vor meinem Haus auf dem Schaukelstuhl und genoss die milde Abendluft. Ich dachte an dies und das, aber an nichts Böses, als über mir am Himmel plötzlich ein wildes Kreischen ausbrach. Ich hob den Kopf und sah einen riesigen Adler, der mit ausgebreiteten Schwingen durch die Luft schwebte. Er verfolgte einen Papagei, der wild mal hier und mal dorthin flatterte, um sich vor den Fängen des Adlers zu retten. Der kleine Papagei war wendiger als der Adler, aber der konnte natürlich viel schneller fliegen. Auch wenn der Papagei einige Male im letzten Moment auswich und ihn so für kurze Zeit abschütteln konnte, kreiste der Adler bald wieder über ihm. Es gab kein Entkommen, das konnte man sofort sehen. Schon wieder stieß der Adler einen gellenden Jagdruf aus und schoss mit ausgestreckten Krallen auf den Papagei hinab. Dieser kreischte in heller Panik. Es kam mir auf einmal so vor, als wenn er schrie: ‚Kra, kri, Hilfe! Kra, kri, Hilfe!‘ Das konnte ich nicht länger mit ansehen. Also sprang ich schnell wie der Blitz auf meine Leiter und sauste hinauf zu dem Papagei. Ich kam gerade rechtzeitig, um den Adler abzufangen, bevor er den kleinen, bunten Vogel ergreifen konnte. Wütend wollte er nun mit seinem Schnabel auf mich einhacken, aber ich haute ihm kräftig auf den Kopf, als er mir zu nahe kam, und schon hatte ich ihn abgewehrt. Er flog davon und verschwand bald hinter den Wolken. Der Papagei war jedoch immer noch so durcheinander, dass er kaum die Flügel bewegen konnte. Er trudelte durch die Luft und quäkte aufgeregt vor sich hin. Ich wollte ihm anbieten auf meiner Leiter Platz zu nehmen, doch da verlor er plötzlich völlig den Halt und flog im Sturzflug hinunter zur Erde. Er plumpste genau in einen Kessel hinein, der vor meinem Haus stand. Das war einerseits gut, da er sich andernfalls beim Aufprall alle Knochen gebrochen hätte, und anderseits schlecht, denn das war ausgerechnet ein Kessel mit Pech, in den der Papagei gefallen war. Schwarz wie ein Rabe war er, als er schniefend und schimpfend hinauskrabbelte. Er schüttelte sich und ein bisschen von dem schwarzen Pech tropfte hinab, aber der Rest hatte sich fest mit seinen Federn verbunden und war nicht mehr abzukriegen. Als der Papagei das merkte, wimmerte er so kläglich, dass ich sofort entschlossen war, ihm auch aus dieser Patsche zu helfen. Das war aber gar nicht so einfach, denn Pech kann man nicht so einfach abwischen. Da hilft kein Wasser und auch keine Seife. Ich erinnerte mich jedoch an ein Rezept für ein Wunderbad, das mir einmal eine uralte Fee verraten hatte. Damit konnte man sogar das Fell eines Trolls säubern und das ist nun wirklich das Dreckigste, was es überhaupt gibt. Um dieses Wunderbad herzustellen, brauchte ich einige sehr übelriechende Zutaten. Ich bat daher die Stinktiere, mir dabei zu helfen, denn sie riechen selbst so abscheulich, dass ihnen kein Gestank dieser Welt etwas ausmacht. So brachten sie mir in Körben und Töpfen die widerwärtigsten Dinge, ohne einmal mit der Nase zu rümpfen. Krötenschleim und Schimmelpilz, Schweinemist und Sauermilch, Sumpfwasser und vieles mehr kippten sie in meinen Waschzuber. Ein paar Mal wurde ich sogar ohnmächtig von dem Geruch der Brühe, die ich da anrührte. Zum Schluss machte ich in meinem Backhaus Feuer, stellte den Topf hinein und ließ ihn in der Nacht bei der Hitze dampfen. Am nächsten Morgen lief ich sofort zum Backhaus und schaute in den Waschzuber. Die stinkende Brühe war zu einer Essenz verkocht, die gar nicht mehr so furchtbar roch. Leise sprach ich einen sehr geheimen Zauberspruch darauf. Dann füllte ich den Waschzuber mit warmem Wasser auf und das Bad war fertig, aber der Papagei weigerte sich hineinzuspringen. Wie gesagt, er badet nicht gerne. Schließlich konnte ich ihn aber doch überreden. Er stieg in den Waschzuber, bespritzte sich überall mit dem Badewasser und tauchte sogar einmal den Kopf unter. Als er nun sein Bad beendet hatte, staunte er nicht schlecht. Mein Papageichen war nicht mehr kohlrabenschwarz, sondern schneeweiß. Das Pech hatte sich gelöst, aber das Wunderbad hatte auch all die schönen bunten Farben aus seinen Federn gewaschen. Natürlich fing er sofort wieder an zu wimmern. Welcher Papagei will schon farblos sein? Schnell versprach ich ihm, dass ich seine Federn bunt anmalen würde, wenn er wollte. Leise und fragend krächzte er nur: ‚Babunt?‘ und schaute mich hoffnungsvoll an. ‚Bunt wie der Regenbogen‘, rief ich und machte mich sofort ans Werk. Die Färbung wurde etwas anders, als sie vorher gewesen war, aber mein Papageichen fand sich damit sehr hübsch. Sie muss nur jede Woche mindestens einmal erneuert werden, da die Farben nun einmal nicht echt sind und schnell verblassen. Aber das ist ja auch kein Problem, denn seit jenem Tag ist der Papagei immer bei mir gewesen. Seht ihr, nun wisst ihr die ganze Geschichte und warum ich mein Papageichen einmal in der Woche einfärbe.“ Damit ist die Geschichte der Hexenfee Schabua beendet. Der Papagei sitzt immer noch auf ihrer Schulter und knabbert ihr jetzt zärtlich am Ohrläppchen. Die Tiere und die Zwerge sind während der ganzen Zeit mucksmäuschenstill gewesen. Nun aber kann sich der Zwerg Cossy nicht mehr beherrschen und fragt: „Schabua, hat dein Papagei denn gar keinen Namen?“ Die Hexenfee kichert: „Aber sicher doch. Ich nenne ihn zwar immer nur Papageichen, aber ist Fitchibuti.“ Die Tiere sprechen den Namen nach und jetzt haben sie noch viel mehr Fragen. Während sie durcheinanderreden, überreichen die Mäuse der Fee zwei Spielkarten, die sie zu ihrer Geschichte gemalt haben. Schabua freut sich sehr darüber und hängt sie sofort an die Wand. Die Tiere sitzen noch lange am Tisch der Hexenfee, essen Melone und unterhalten sich mit ihr, zum Beispiel darüber wo der Papagei Fitchibuti wohl ursprünglich herkommt. Der Papagei nickt hin und wieder mit dem Kopf und krächzt: „Fafitchi Fabuti, Fafitchi Fabuti.“