Ein Kutschpferd erzählt ... - Geschichte

[SIZE=20]Ein Kutschpferd erzählt ...[/SIZE]

[SIZE=12]Aber vielleicht sollte ich mich erst mal vorstellen. Ich bin ein Pferd. Genauer ein Kutsch- und Reitpferd und heiße Aspirin. Meine Aufgabe ist es, mit oder ohne Kutsche fröhlich durch den Wald zu traben, hin und wieder ein Stückchen zu galoppieren, damit ich danach wieder Schritt gehen kann. Nebenher läuft oft – außer beim Kutschefahren – meine Freundin Jasmin, die noch nicht so lange bei uns wohnt. Jasmin hat auch noch einen Sohn, der Feldflasche gerufen wird. Der biedert sich auf der Weide immer fürchterlich bei mir an. Schrecklich! Aber nun will ich weiter vom Kutschausflug erzählen. Zuerst kam Claudia, meine Reiterin, und holte mich unverschämterweise von meinen Kumpels von der Weide. Dann, als ich außerhalb der Weide war, fing sie auf einmal an, neben mir her zu laufen. Ich dachte, was denn nun los sei, und ging mit. Anfangs trabte ich nur fröhlich vor mich hin, bis sie plötzlich richtig rannte. Da kam ich mit meinem gewöhnlichem Trab nicht so gut mit. Was soll’s, ich galoppierte an. Am Ende verstand ich gar nicht, weshalb ich gelobt wurde. Im Wald mach ich so was doch auch. Typisch Menschen. Dann gingen wir weiter im Schritt zu Claudia und André nach Hause. Dort stellte man mich auf den Rasen und meinen Strick drückte Claudia André in die Hand. Sie meinte: „Halt du mal Aspirin fest, ich muss mir noch andere Sachen anziehen.“ Und schwupp, war sie im Haus verschwunden. Da, wo ich und André standen, gab es auch einen Liegestuhl. Ich wollte gerade darauf zugehen und mich setzen, als sich André im Liegestuhl niederließ. „Mist!“, fluchte ich innerlich. Na ja, vielleicht klappt’s ja das nächste Mal. Er setze sich also und Charlie, der gepunktete Hund, legte sich dazu. Es war an dem Tag sehr warm und ich schwitzte ganz schön. Durch mein dunkles Fell wurde dies noch unterstützt. Von den Nachbarn her drang laute Musik – ich glaube, man sagt dazu Popmusik – die sich grässlich anhörte. Charlie hechelte auch. André schien nicht so sehr zu schwitzen, weil er dunkle Socken und eine lange Hose anhatte. Wie dem auch sei, Claudia kam bald wieder und wir gingen beide runter zu den Offenställen (die tiefer lagen als das Haus, in dem meine Vorgesetzten wohnten), wo wir im Winter gewohnt hatten. Dort wurde ich wie jedes Mal angebunden und Claudia putzte mich. Etwas später kam auch André mit dem Geschirr und legte es mir auf. Dann wurde ich zur Kutsche geführt, die eigentlich ein Marathonwagen war, und angespannt. Endlich ging es los. Zuerst ging ich ein paar Meter im Schritt. Doch dann trabte ich an. Zuerst ging es einen Sandweg entlang, bis wir schließlich an eine Asphaltstraße kamen. Dort kamen mir die Eisen zugute, die ich auf den Hinterhufen hatte. Die Straße machte bald eine Kurve, der wir folgten. Später ging es auf einem Sandweg weiter. Da mussten wir die Straße wechseln. Und so weiter, und so weiter ... Jedenfalls kamen wir nach einiger Zeit an eine Wiese, wo meine Leute eine Decke ausbreiteten, mir die Trense abnahmen und mir dafür ein Halfter anlegten, damit ich grasen konnte. Dann holten sie aus dem Inneren der Kutsche ihre eigenen Fressalien und breiteten sie auf der Decke aus. Ich graste inzwischen. Bald bekam ich mit, wie sie die Esssachen wegpackten und wieder in der Kutsche verstauten. Nun holten sie sich jeder ein Buch und legten sich auf die Decke. Während meine Leute dort so lagen und lasen, graste ich, doch irgendwie hatte ich nicht so recht Hunger. Ich weiß nicht, wie lange sie dort lagen. Jedenfalls erhoben sie sich irgendwann und spannten mich wieder an, damit wir nach Hause fahren konnten. Wir fuhren nicht den gleichen Weg zurück, sondern machten noch einen Abstecher bei einem Bekannten meiner Vorgesetzten. Dort hielten wir uns aber nicht auf, denn er war nicht da. So ein Pech aber auch! Die letzte Strecke legte ich ohne Mühe zurück. Nur sehr nassgeschwitzt war ich, als wir ankamen. Dagegen hilft nur eins: ordentlich wälzen. Das tat ich dann auch.[/SIZE]