resa211, Gryffindor -
In Japan 1. Tag Hustend stolperte ich aus dem Kamin in irgendeinem Haus, in irgendeiner Straße, in der Hauptstadt von Japan. Noch immer war mir das Reisen per Kamine nicht sonderlich angenehm. Aber darum kümmerte ich mich heute wenig. Zuerst wollte ich ganz Tokio unter die Lupe nehmen, aber als mir klar wurde, wie riesig diese Stadt ist, suchte ich erst einmal nur nach einer Unterkunft. Zwar brauchte ich nicht lange, um eine Schlafgelegenheit zu finden, doch war sie sehr unbequem. Es gab hier in der Gegend eine Menge von diesen Kapselhotels. Ich wusste, dass ich dabei in einer kleinen Kabine schlafen musste, und nicht wie bei manchen meiner letzten Reisen in tollen Hotelzimmern. Aber dass dieser Kasten nur ungefähr ein einhalb Kubikmeter groß ist, nicht einmal schallisoliert war und glatte 33€ pro Nacht kosteten, hätte ich nie gedacht. Immerhin ist das ganz schön viel Muggelgeld für eine Hexe wie mich, die nur herumreist und sich ab und zu ein Geldstück dazu verdient oder ein Essen mit Arbeit bezahlt. Um dort mein ganzes Gepäck zu verstauen, hätte ich eine zweite Kabine gebraucht. Aber ich hatte ja nur meinen kleinen Koffer in der Hand, der passte gerade noch in die Kabine. Natürlich habe ich meine ganze Kleidung etwas schrumpfen lassen. Jeden Abend bevor ich die Zahnpasta größer zaubere, bringt mich die klitzekleine Zahnbürste immer wieder zum Lachen. Die kleinen Borsten kann man dann kaum noch erkennen, bis ich sie wieder von ihrer Winzigkeit befreie, um mir die Zähne zu bürsten. Ich stieg an drei hervor ragenden Stufen, die Türklinken ähnelten, zwischen zwei Kabinchen in der untersten Reihe, hoch und überprüfte ersteinmal, ob sich die Ein-Kubikmeter-Wohnung wirklich zum Schlafen eignete. Mein Koffer hatte unmittelbar neben mir Platz gefunden, und als ich die Karte von Japan und den Stadtplan von Tokio aufklappen wollte, gab es einige Probleme wegen des Platzmangels. Bald hatte ich mich entschieden, hier in der Nähe in ein Restaurant zu gehen, und mal richtig japanisches Essen zu genießen. Aber vielleicht vertraute ich doch lieber einer Portion Pommes Frites oder einer Bockwurst, um nicht auf irgendeinen japanischen Namen reinzufallen, der sich dann am Ende als Katzensuppe entpuppte. Dafür hatte ich bestimmt keine Nerven. Man hört ja Einiges über die Chinesen und ihre Essenswünsche. Ob das hier in Japan auch so war? Ich beschloss nicht weiter darüber nachzudenken und machte mich auf den Weg in das hüpsche Restaurant. Es war sehr kunstvoll dekoriert. An den orangenen Wänden hingen einige Bilder von japanischen Frauen, in roten, gelben oder blauen Gewändern, mit einer Ansammlung von Frisuren, die jede schwarze Strähne anders wirken ließ. Auf den Tischen standen weiße Vasen mit Blumenmuster und seltsamen Schriftzeichen. Ich setzte mich einfach hin und blätterte in der Speisekarte umher. Wusste ich es doch: nichts konnte ich lesen, kein einziges Wort. Aber von Wörtern war ja nicht einmal die Rede, das waren kleine Kunstwerke, die da über die Blätter verstreut waren. Wie sollte ich hier etwas bestellen? Als die Kellnerin kam, sprach sie mich erst auf Japanisch und dann zum Glück auf Englisch an, was ich denn haben wolle. Langsam sagte ich auf Englisch: „Einen Kirschsaft, bitte.“, und tippte kurz danach mit dem Finger auf irgendeines der Gerichte auf der Karte. Die Frau sah mich an, nickte und verschwand hinter einer Tür. Es war schon dreiviertel drei, als ich aus dem Restaurant stürmte. Sie hatte mir das Gericht auf den Tisch gestellt und ich hatte den Deckel angehoben. Doch ich ließ ihn sofort fallen, griff hektisch zu meinem Geldbeutel zog die Menge an japanischem Muggelgeld heraus, die ich von der Speisekarte abgelesen hatte, warf es auf den Tisch und war blitzschnell aus dem Restaurant gerannt. Was ich auf dem Teller erkannte, habe ich in einem Kochbuch mit japanischen Muggelgerichten schon einmal gesehen, als ich mich über das Essen hier erkundete. Es hieß Akashi-yaki. Diese Teigkugeln, die ich erst mit Hefeklößen verwechselt hatte, waren mit Krakenarmstückchen gefüllt! Soweit glaubte ich dem Kochbuch, aber welcher Muggel würde das schon freiwillig essen? Konnte es vielleicht sein, dass diese japanischen Muggel ein bisschen irgendwelchen seltsamen Zauberwesen ähnelten? Immerhin verzehrten sie solches Zeug, das wohl kaum ein normaler Muggel, geschweigedenn ein Zauberer oder eine Hexe, zu sich nehmen könnte. Nach diesem Erlebnis verbrachte ich den Rest des Tages in Gedanken versunken auf einer Parkbank, spazierte auf Parkwegen entlang und beobachtete irgendwelche Passanten. Ob es hier überhaupt Zauberer und Hexen gab? Das bezweifelte ich heftig. In der Pension angekommen, schlief ich schnell ein, denn ich war müde, kaputt von der Anreise und dem Tag. Mal sehen was noch auf mich zukommt 2. Tag Heute morgen wurde ich von lauter Japanern, die um meine Schlafkabine herum verteilt waren, wach gemacht. Am liebsten wäre ich noch nicht so zeitig aufgestanden, und wer weiß, wie spät es erst war? Trotzdem machte ich mich schon nach kurzer Zeit, sauber und angezogen für den Tag, auf den Weg zu den Automaten, die ich gestern entdeckt hatte, als ich von meinem Ausflug zurück war. Dort gab es allerhand Angebot an Snacks und genug Trinken. Als ich satt war, von den vielen billigen Kleinigkeiten, trat ich mit meinem Stadtplan aus der Hoteltür und begann meine Hoteljagd, denn ich war fest davon überzeugt, ein gutes zu finden. Vorallem wollte ich dort gemütlich schlafen können, mehr verlangte ich doch nicht. Aber der Preis sollte trotzdem stimmen. Drei Stunden und siebenundvierzig Minuten später bemerkte ich, dass ich den Anspruch mit dem niedrigen Preis wohl vergessen konnte. Nichts war billiger als eines dieser Kapselhotels. Dann musste ich wohl wieder mein Geld für eine einzige Übernachtung verschwenden. Langsam überlegte ich sogar, in mein nächstes Reiseziel zu ziehen. Vielleicht war es dort ja billiger. Dabei hatte ich Tokio noch garnicht richtig gesehen. Ich hatte nur 300 Muggeltaler für Japan eingeplant. Das bedeutete, wenn ich nicht verhungern wollte und vorallem mir auch mal eine Kleinigkeit gönnen wollte, dann dürfte ich insgesamt nur ungefähr vier Nächte hier bleiben. Aber ich wäre so gern länger hier gewesen. Deshalb wollte ich die verbleibende Zeit so gut nutzen, dass sich mein Wissen und meine Erinnerung an Japan und Tokio so weit wie möglich erweiterte. Dann überlegte ich, was ich in Japan gemacht hätte, wenn ich zu Hause sitzen würde, mir keine Gedanken über meinen Geldbeutel machen müsste. Am meisten hätte mich interessiert, wie die Muggelkinder hier den Schulunterricht meistern, was sie hier beweltigen, und vorallem, wie sie schreiben. Das war mein heutiger Plan, ich wollte eine Schule besichtigen. Als ich das dachte, musste ich lächeln. Wie oft hatte ich mich aus dem Unterricht weggeträumt, in andere Länder? Und ausgerechnet jetzt möchte ich in die Schule zurückkehren? Es war verwunderlich aber wahr. Doch mein Magen rebellierte, als ich den Stadtplan aus meinem Rucksack hervorholen wollte. Mein Hunger hatte mich doch schon eingeholt und so musste ich die Straße überqueren, um einen ungestörten Platz zu finden und mir mein Lieblingsessen zu zaubern. Nachdem ich fertig war, die letzten Nudeln mit grüner Soße in meinen Mund zu schlürfen, blickte ich auf den Reiseplan. Die japanische Schule, ein paar Straßen weiter, zog meine Augen fast magisch an. Eine Viertelstunde später stand ich dann endlich vor dem Schulgelände. Es hatte eine Ewigkeit gedauert zu Fuß hier her zu kommen, doch wenn man bedenkt, was hier auf den Straßen los ist, konnte ich froh sein, dass ich hier überhaupt ankam. Und so viele Schilder und Reklameplakate wie hier, habe ich in meinem bisherigen Leben insgesamt nicht gesehen. Überall sprangen mir bunte Bilder und japanische Schriftzeichen ins Gesicht um mich anzulocken oder mir Wege vorzuschreiben. Aber dabei konnte ich sie doch nicht lesen. Nur einige Bilder waren mir vertraut oder ich konnte sie deuten. Dann kam mir die Idee, meine Zauberkünste anzuwenden. Das wäre auch keine schwierige Herausforderung gewesen, wenn es hier nicht überall von Menschen gewimmelt hätte, die mich sowieso schon anstarrten, wenn sie Zeit dazu fanden. Doch ich wagte es einfach ganz still und heimlich. Keiner bemerkte es. Zum Glück. Alle waren in Stress und Hektik versetzt. Diejenigen, denen der Buchstabenwandel vielleicht aufgefallen war, machten mit Sicherheit den Stress dafür verantwortlich. Jedenfalls konnte ich so erkennen, dass morgen hier eine Ausstellung von Mangabüchern von zahlreichen Menschen sein würde. Es gab auch die Auflösung eines Wettbewerbs, wer die beste Mangakurzgeschichte zeichnete beziehungsweise dazu die besten Sprech- und Gedankenblasen schrieb. Ganz unten konnte ich noch lesen, dass es auch in Englisch und auf Wunsch in Spanisch, Deutsch oder Französisch übersetzt werden würde. Ich nahm mir vor, morgen dort zu erscheinen. Die Tür ließ sich nicht leicht öffnen. Ich musste ganz schön zerren, um in die Schule zu gelangen. Überall im Flur verteilt liefen oder standen Schüler, die Türen waren meistens geschlossen. An die vierte Tür links in diesem Gang klopfte ich und trat als Antwort auf ein japanisches Wort einer Frau ein. An einem hohen Tisch vor einer Tafel stand eine Lehrerin. Vor ihr waren Schulbänke im ganzen Raum angeordnet. Jeder hatte einen Tisch für sich allein. Alles sah den Muggelschulen zu Hause ein etwas ähnlich. Als ich eine Weile in den Raum gestarrt hatte und die Türklinke immer noch festhielt, sprach die Frau zu mir. Natürlich konnte ich sie nicht verstehen und sagte auf Englisch wie ich hieß und dass ich aus Europa kam. Sie stieg gleich in mein Gespräch ein. Ich hatte sie gebeten, einen Schultag in ihrem Klassenraum zu verbringen und ich durfte es sogar. Sie schien sehr nett. Als sich bald alle Schüler in schwarzer Kleidung, die vermutlich ihre Schuluniform war, im Raum eingefunden und auf ihre Plätze gesetzt hatten, begann der Unterricht. Nachdem die Lehrerin in meine Richtung zeigte, drehten sich die Kinder im Alter von ungefähr dreizehn Jahren nach mir um. Lächelnd blickte ich ihnen entgegen, wussste nicht, was ich tun sollte. Ich wurde neben eine Schülerin gesetzt und konnte ihr zusehen, wie sie schrieb. Die Bücher waren sehr dick. Bis auf die Schrift waren sie wie unsere Schulbücher aufgebaut. Einige Zeichen kamen oft in den Büchern und Heften des Mädchens neben mir vor. Ein einziges konnte ich dann sogar schreiben. Ich verbrachte eine lange Zeit in dem Klassenzimmer. Besonders der Kalligrafieunterricht hatte es mir angetan. Doch erst 16:30 Uhr löste sich die Menge auf und ich sprach wieder mit der Lehrerin auf Englisch. Sie erzählte mir davon, wie die Kinder hier paukten, um später einen guten Beruf zu bekommen. Alle gingen nach der Schule zu weiterem Unterricht und besonders auf Sport wurde sehr geachtet. Die Schulnoten standen nur im Hintergrund. Weder Zeugnisse am Schuljahresende noch Abschlusszeugnisse waren hier von großer Bedeutung für den weiteren Lebensweg. Entscheidend waren nur die schwierigen Aufnahmeprüfungen, für die die meisten hart arbeiteten. Am Abend in meinem Kapselhotel hatte ich einige Snacks gegessen und mich gewaschen. Dann lag ich zusammengerollt in meiner Schlafkapsel und dachte über die Schule hier nach. Da war es bei uns wesentlich einfacher. In dieser Nacht träumte ich selbst ein Schüler zu sein. Meine Haare waren schwarz und meine Schuluniform auch. Ich schrieb mit meinem Zauberstab, den ich hielt wie eine Feder, japanische Schriftzeichen von links nach rechts, von oben nach unten auf ein Papier und es sah sehr ordentlich aus. 3. Tag Heute würde der letzte Tag gewesen sein, denn mehr konnte ich mir nicht mehr leisten. Mit dem heutigen Ziel und zwei weiteren Übernachtungen war mein Geldtäschchen weit aus überfordert. Mit einer Bahn fuhr ich zu der Mangaausstellung nach Yokohama. Wenn ich aus dem Fenster blickte, sah ich zahlreiche Autos mit ihren Fahrern. Ich sah sogar einen Stau, der uns aber zum Glück nicht betraf. Die Fahrt verlief gut und ohne Schwierigkeiten. In Yokohama angekommen ging ich zügig mit meinem Stadtplan in die Richtung, wo die Ausstellung stattfinden sollte. Die Menschen drängten sich immer dichter, je näher ich der riesigen Halle mit den Mangas näherte. Ich bezahlte den Eintritt und genoss den Anblick der vielen Menschen, die sich aneinander vorbei drängelten, um ein Buch zu erhaschen, zu kaufen oder nur durchzublättern. Auch ich suchte mir ein Manga aus. Es war auf Englisch. Ich würde mich sicher noch an die Einteilung gewöhnen müssen, aber ansonsten hoffentlich ohne Probleme lesen können. Es ging um ein Mädchen mit Zauberkräften, die in einem Armenviertel lebte und nur zu gern die Welt mit Reisen erobern wollte. Es sagte mir gleich zu und ich kaufte es. Das Mädchen sah mir irgendwie ähnlich und auch ihre Geschichte und ihre Eigenschaften ließen mich an meine denken. Am Nachmittag begann dann die auf den Plakaten versprochene Auswertung des Mangawettbewerbes. Überall in der Halle waren große Bildschirme verteilt. Ich hatte mir ein Gerät für ein bisschen Geld gekauft, durch welches ich die Stimme des Mannes auf der Bühne in einer für mich verständlichen Sprache anhören konnte und so verfolgte ich die Vorführungen aufmerksam, klatschte, wenn andere klatschten und sah auf dem Bildschirm, wie ganz weit vorne Jungs und Mädchen, Männer und Frauen die Bühne betraten und sich sogar manchmal zugleich freuten und weinten. Doch die Gesamtgewinnerin des großen Wettbewerbs war ein junges Mädchen, sie war etwas jünger als ich. Ihren Namen konnte ich mir nicht merken. Er hörte sich natürlich japanisch an. Ihre Geschichte würde veröffentlicht werden und der Preis für ihre Liebesgeschichte würde für die interessierten Käufer oder Fans sehr hoch werden. Irgendwann würde es ihre Geschichte auch in einer Übersetzungsform geben und ich würde sie mir kaufen und gierig durchlesen. Einige Zeichnungen und die Hauptfiguren des kleinen Buches zeigten sie schon auf den Bildschirmen. Sie waren wirklich sehr hübsch und sahen aus, als hätte ein Profi sie gezeichnet. Vielleicht würde ich auch einmal anfangen Mangas zu zeichnen? Es wäre ein angenehmer Gedanke. Schon bald fuhr ich wieder mit dem Zug nach Hause. Was heißt "nach Hause"? Ich fuhr in mein gewohntes kuscheliges Kapselhotel. Morgen würde ich wieder weiterreisen, in mein nächstes Abenteuer. Mein letzter Tag in Japan Ich wachte heute erst um 8:00 Uhr auf. Langsam hatte ich mich wirklich schon daran gewöhnt hier zu schlafen und den Lärm von mir fern zu halten, als wäre ich in einer Blase, die mich vor allem Krach schützt. Bereit für den Tag hatte ich meine Sachen, die ich nicht mehr brauchte im Koffer verstaut und geschrumpft. Dann meldete ich mich an der Kasse ab und bezahlte meine Schlafnächte. Ich hatte mir den Preis ja schon vorher ausgerechnet und deshalb schaffte er es trotz aller Bemühungen nicht, mich zu schocken. Mein Koffer war jetzt so klein, dass ich ihn bequem in meine Hosentasche stecken konnte. So lief ich durch den üblichen japanischen Verkehr auf der Insel Honschu in die Richtung der Zughaltestelle, von der ich gestern nach Yokohama gefahren bin. Nur waren heute etwas weniger Menschen auf den Straßen. Und bald darauf wusste ich auch warum. Plötzlich spürte ich ein leichtes Wackeln und Rütteln unter meinen Füßen, das immer mehr wurde. Die Menschen um mich herum begannen ihre Kinder an die Hand zu nehmen. Ich wusste, dass es hier nur so von Erdbeben und Tsunamis wimmelte. Und so beeilte ich mich von hier fort zu kommen. Jetzt musste ich unbedingt weiter. Kaum jemand war unterwegs, weil jederman Nachrichten gehört hatte und man vorausgesagt hatte, es würde ein Erdbeben kommen. Aber offensichtlich war es nicht sehr stark, denn schon bald, konnte ich wieder sicher gehen. Ich lief in die Straße, in der ich den ersten Schritt in Japan tat und öffnete eine kleine Tür. An der Wand stand der verstaubte Kamin, aus dem ich gekommen war. Und so schnell wie ich kam war, war ich auch wieder weg.