Platz 2 der Variante 2: Eden - Beitrag von Caxirta aus Ravenclaw, die dafür 600 Punkte bekommen hat.
Eden "Icks, was ist das denn?!", kreischte Cecile entsetzt auf, als ihr ein kleines grünes Etwas aufgeregt ins Gesicht sprang und eine Spur glitzernden Staubes hinter sich herzog. Prompt setzte sie sich hin und versuchte das unbekannte Flugobjekt genauer anzusehen. Es erinnerte sie im ersten Moment an Tinkerbell, die kleine Fee von Peter Pan, doch dafür hatte dieses Wesen eindeutig zu große Augen. Außerdem war dieses hier - Cecile versuchte beinahe vergeblich eine passende Beschreibung zu finden - viel unförmiger. Während sie nun lautlos von dem kleinen grünen Etwas umtanzt wurde, sah sie sich genauer um. Rundherum sah sie nur eine öde, felsige Landschaft. Der Boden war mit dunklem Sand bedeckt und erst jetzt bemerkte sie, dass dieser warm war. Sie stand auf, klopfte sich die Körner von Hose und Händen und versuchte mehr zu entdecken, doch da war nichts. Cecile war verwirrt, wo war sie und vor allem, wie war sie hierher gelangt? Sie versuchte vergeblich sich zu erinnern. Das kleine grüne Etwas sprang erneut an ihr hoch. Da Nachdenken nichts brachte, widmete sie ihm ihre Aufmerksamkeit. Vielleicht konnte es ihr ja helfen? Es schien ganz aufgeregt zu sein und hatte sie inzwischen in eine glitzernde Wolke gehüllt. "Wo bin ich?", fragte Cecile schlicht. Wieso hatte sie eigentlich von diesem Wesen eine Antwort erwartet? Missmutig stapfte sie durch die Einöde, überwand spitze Steine und wanderte entlang schroffer Felsen. Dabei folgte sie der inzwischen wohl bekannten glitzernden Spur des Tinkerbell-Wesens, wie sie es inzwischen in Gedanken nannte. Immerhin hatte sie etwas zu tun und war nicht vollkommen hilflos. Nachdem sie ihre Frage ausgesprochen hatte, war das grüne Etwas losgehüpft und hatte sich nach ein paar Metern nach ihr umgesehen, bis sie nachgekommen war. Das war jedoch schon einige Stunden her, zumindest fühlten sich Ceciles Beine bereits schwer an. Sie überlegte, was das Geschöpf machen würde, wenn sie einfach stehen blieb. Würde es sie zurück lassen oder warten? Sie verwarf die Idee wieder, als sie sich entlang eines steilen Pfades an den Felsen drücken und sich darauf konzentrieren musste, nicht in den Abgrund zu blicken. Als sie das Ungetüm an Gesteinsmasse umrundet hatte, traute sie ihren Augen kaum. Zu ihren Füßen lag ein grünes, florierendes Tal und am Horizont erhoben sich sanfte Hügel. Für einige Minuten starrte sie gebannt hinab, bis sie wieder vor lauter Glitzerwolken und grünen Schemen nichts mehr sah und dem Tinkerbell-Wesen ihre Aufmerksamkeit schenken musste. Es hatte wohl keine Geduld mehr und begann den Weg erneut anzuleiten. Diesmal folgte ihm Cecile mit größerer Freude und sogar schneller. Sie wollte sich diese Pracht unbedingt aus der Nähe ansehen! Cecile hielt den Atem an, als sie den sandigen Weg hinter sich ließ und durch ein breites Felsentor hindurch auf frisches grünes Gras trat. Die Halme knickten schnell unter ihren Füßen und verströmten ihren Duft. Cecile ließ sich langsam auf die Knie sinken und sah sich dabei weiter um. Es gab so viel zu entdecken! Rechts von ihr bedeckten Elfenblumen und Immergrün den Boden. Aus dieser Richtung vernahm Cecile auch Summen, als ob zig Bienen damit beschäftigt wären, den Nektar aus den zarten Blüten zu holen. Wenige Meter dahinter standen auch einige Bäume verschiedenster Größen. Cecile erkannte zwei Apfel- und drei Kirschbäume an ihren weißen und ebenfalls zahlreichen Blüten. Sicher würden auch die anderen Bäume einmal Früchte tragen, die ihr wohl bekannt waren, doch Cecile hatte nicht viel Ahnung von Botanik und in diesem Moment bereute sie diesen Umstand das erste Mal. Allzu gern würde sie die Wunder, die sie nun vor Augen hatte, benennen können. An diesem seltsamen Ort schien alles gleichzeitig zu blühen, denn bald sah sie hinter anderen grünen Blattdächern die purpurnen Kerzen eines Flieders hervorragen. Neugierig, was es noch alles zu entdecken gäbe, stand Cecile auf. Erst jetzt sah sie sich in ihrer direkten Umgebung um und musste feststellen, dass ihr bisheriger Führer verschwunden war. Ach, das war doch egal! Hier wollte sie sowieso selbst auf Erkundungsreise gehen, außerdem wüsste sie nicht wozu sie das Geschöpf jetzt noch benötigen sollte. So spazierte sie über die Wildwiese, pflückte hin und wieder einen verblühten Löwenzahn, um die Samen durch die Luft tanzen zu lassen oder legte noch eine Pause ein, um sich währenddessen einen Blumenkranz aus Gänseblümchen zu flechten. Cecile hörte nach einiger Zeit Meerrauschen und folgte dem Geräusch. An ihrem Ziel angekommen, war sie im ersten Moment enttäuscht. Es handelte sich nicht um eine endlos scheinende blaue Fläche, sondern lediglich um einen See. Dieser war allerdings tiefblau und tatsächlich brandeten kleine Wellen an das feinsandige Ufer. Ihre gute Laune schnell wiederfindend, zog Cecile ihre Schuhe aus und kühlte ihre Füße in dem frischen Nass. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie auch gerne etwas trinken würde. Unsicher betrachtete sie das Wasser, das gerade ihre Knöchel umspülte. Konnte sie es wagen davon ein paar Schlucke zu nehmen? Obwohl es nicht nach Salzwasser roch, wollte sie es nicht auf einen Versuch ankommen lassen. Hier musste es irgendwo noch eine bessere Quelle geben, vielleicht sogar einen kleinen Bach, der aus einem Felsen entsprang. Voller Tatendrang nahm sie ihre Schuhe in die Hand und lief barfuß über das kitzelnde Gras. Sie spazierte an einem Bambus-Hain vorbei, passierte Brom- und Himbeersträucher, von denen sie mehr aus Lust als wegen Hungers naschte und pausierte zwischen einigen herabgefallenen Blütenblättern unter einer Magnolie. Bevor sie erneut losging, zog sie sich wieder ihre Schuhe an. Es war sowieso ein Wunder, dass sie noch auf kein Insekt getreten war. Etwas ziellos setzte sie ihren Weg fort, suchte sich dann aber eine vor ihr wogende Zedernspitze als Zielpunkt aus, damit sie nicht aus Versehen begann im Kreis zu laufen. Dort angekommen machte sie vor lauter Freude einen Luftsprung. Gleich neben dem majestätischen Baum befand sich ein steinerner Brunnen. Seine Ränder waren mit einem rosa Etwas bedeckt, das Cecile als sie näher trat, als verstreute Mandelblüten enttarnte. Sie wischte ein paar zur Seite, stützte sich dann auf und blickte auf die große Wasserfläche hinab. "Ah!"Mehr brachte sie vor Überraschung nicht heraus und verlor zudem ihre Spannung. Etwas unsanft landete sie wieder auf den Füßen. Was hatte sie da gerade gesehen? Mit klopfendem Herzen zog sie sich erneut hoch und kniete sich diesmal sicherheitshalber auf den breiten Rand. Es war noch immer da. Anstatt ihr eigenes verschwommenes Spiegelbild zu erblicken, sah sie die Erde, den so genannten blauen Planeten. Ihr war der Anblick vertraut, sie kannte ihn von diversen Fotos, die man aus dem All gemacht hatte. Weiße fetzenartige Wolkenfelder überzogen einige Teile der Kugel, doch vereinzelt konnte Cecile auch Flecken in verschiedenen Braun- und Grüntönen erkennen und natürlich sehr viel Blau. Doch warum war die Erde im Brunnen? Verwundert beugte sie sich tiefer über die Wasserfläche. Rundherum war es schwarz, aber diese kleine Kugel da...das war doch der Mond! Ja, jetzt sah sie es eindeutig! Und das da hinten, sie konnte es kaum erkennen, aber es war sicher auch ein Planet! Cecile war verwirrt. Aber vielleicht hatte sich auch bloß jemand einen Scherz erlaubt und ein Bild aus Astronauten-Perspektive auf dem Grund des Brunnens befestigt und durch das klare Wasser sah man darauf. Über ihre eigene Schreckhaftigkeit kichernd, streckte Cecile nun einen Arm aus, um ein wenig Wasser in ihre hohl geformte Hand zu schöpfen und endlich zu trinken. Doch als sie die Oberfläche durchbrach erstarrte sie in der Bewegung. Es war eiskalt und ihre Haut fühlte sich an, als ob sie von tausenden Nadelstichen durchbohrt wurde. Ihre Augen weiteten sich und sie brachte nur ein kaum hörbares Keuchen hervor. Langsam, es kostete sie eine unglaubliche Kraft, konnte sie ihren Arm zurückziehen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich die Wasseroberfläche nicht rührte, wie ein Spiegel lag sie ruhig vor ihr. Cecile presste ihren Arm an sich und versuchte ihn so schneller zu wärmen. Was war das nur für ein Brunnen? Sie hatte keine Ahnung, doch ein beklemmendes Gefühl stieg in ihr auf. Ratlos blickte sie in den Himmel hinauf und erstarrte erneut. Er war nicht blau. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie den Bereich über sich überhaupt als Himmel bezeichnen konnte. Dort oben, wo sie blauen Himmel, Wolken und die Sonne erwartete, war etwas anderes. Sie sah ein bezauberndes Farbspiel, das dem Polarlicht glich. Jedoch waren es hier nicht nur ein paar bunte Bänder, sondern der ganze - Cecile fand in der Geschwindigkeit kein anderes Wort - Himmel war damit bedeckt. Gebannt von der Schönheit blieb ihr Blick daran haften. Sie wusste nicht, wie lange sie hinauf sah, doch irgendwann entdeckte sie kleine hell leuchtende Punkte zwischen den farbenfrohen Lichtvorhängen. Das waren bestimmt Sterne. Cecile atmete erneut schwer aus, als sie den Kopf etwas drehte und nun einen Planten über sich entdeckte, der sie an den Saturn erinnerte. Immerhin war er auch von einem breiten Band von Ringen umgeben, doch sie wollte sich mit der Namensgebung nicht festlegen. Wer konnte wissen, wie viele derartige Planeten existierten? Benommen senkte sie den Blick wieder und rutschte vorsichtig vom Brunnenrand, um sich am Boden niederzulassen. Obwohl sie nichts mit der Sonne vergleichbares über sich gesehen hatte, herrschte das von Sommertagen wohl bekannte Licht. Es war auch angenehm warm hier. Sie lehnte ihren Rücken an den Stein und dachte nach. Durch den vermeintlichen Brunnen sah sie in erster Linie auf die Erde. Cecile hatte das Gefühl, dass es hier noch mehr derartige Konstruktionen gab, ja, vielleicht so viele, dass sie das ganze Sonnensystem oder sogar die gesamte Milchstraße sehen könnte. Das würde bedeuten, dass der Bereich über ihr zu einer anderen Galaxie gehörte oder irgendwo dazwischen lag. Schlagartig erinnerte sich Cecile an die weite Einöde, durch die sie ursprünglich gewandert war. Die Felsbrocken waren wahrscheinlich gar nicht alle durch Plattenverschiebungen aufgetürmt worden oder von Bergen gebrochen, sondern waren Überreste von eingeschlagenen Asteroiden oder anderen Himmelskörpern. Doch wenn dem so war, könnte es diesen paradiesischen Ort, an dem sie sich gerade befand gar nicht geben. Sie schüttelte energisch den Kopf. Vielleicht war hier einmal etwas abgestürzt, doch dann war das lange her. "Sonst gäbe es nicht diese riesigen Bäume", sagte Cecile laut um sich selbst Mut zu machen. Sie wollte weg von diesem unheimlichen Weltallbrunnen. Daher raffte sie sich auf und begann erneut herum zu spazieren. Sie strich dabei über die weichen, im frischen grün erstrahlenden Enden von Nadelbäumen und begann schließlich an den verschiedensten Blüten von Bäumen, Büschen und Blumen zu riechen. Dabei gefiel ihr ein langstämmiger Rosenstock, mit eng angeordneten rosa Blüten besonders. Doch sie konnte nicht nur ihre Umgebung genießen. Ihre Gedanken rasten erneut. Wo war sie genau? Tatsächlich irgendwo im All, auf einem fremden Planeten? Oder im Himmel, so paradiesisch wie es hier war? Aber wie war sie hierher gekommen? Warum sah sie hier eigentlich keine Tiere, sondern hörte nur manchmal ein Summen? Wo war nur ihr Tinkerbell-Wesen hin verschwunden? Vielleicht hätte sie doch mehr darauf achten sollen. Nun war es jedoch zu spät, um Vergangenem nachzutrauern. Genüsslich sog Cecile die von den vielen Blütendüften geschwängerte Luft ein. Es war hier viel zu schön, um Trübsal zu blasen. Sie würde sicher auf jemanden oder etwas stoßen, genauso wie es zuvor im Sandland mit dem grünen Geschöpf passiert war. Cecile suchte sich einen Baum mit weit ausladenden Ästen und einem dichten Blätterdach. Sie legte sich darunter und fand einen besonders wohligen Fleck auf den langen weichen Grashalmen. Eine dicke Wurzel darunter bildete ein perfektes Kopfkissen. Sie schloss die Augen und lauschte dem Rauschen der Blätter, wenn ein sanfter Windhauch sie berührte. Es wäre schon schön, hier nicht allein zu sein... Cecile schlug die Augen auf. Sie war wohl eingeschlafen. Sie lag immer noch weich, doch über ihr sah sie statt des Blätterdachs nur eine weiße Wand. "Was ist das denn?", murmelte sie verwundert. Sie wollte sich aufsetzen, als ein kleines blaues Etwas aufgeregt auf ihren Bauch sprang und den Duft von frisch gemachtem Frühstück hinter sich herzog. Cecile schlang automatisch einen Arm um das lachende Wesen, richtete sich auf und sah noch Etwas, oder besser gesagt jemanden, mit einem balancierten Tablett durch die Tür kommen. Ihr augenblickliches Lächeln wurde strahlend erwidert. Sie wusste wo sie war. Sie war definitiv im Himmel.