Variante 1: Traum oder Realität? - Beitrag von nela
Traum oder Realität? Er sah nur noch das Blinken der Lämpchen vor sich, dann wurde es schwarz um ihn... Als er die Augen aufschlug, befand er sich in einem komplett weissen Raum auf einem Krankenbett wieder. Angestrengt versuchte er sich zu erinnern, was passiert war. Da nahm er eine Bewegung neben seinem Bett wahr. Langsam schlug er die Augen auf und versuchte seinen Kopf in die entsprechende Richtung zu drehen. "Sachte, sachte! Sie sollen sich doch ruhig halten", hörte er plötzlich eine sanfte Frauenstimme. Er öffnete seinen Mund und wollte gerade zu sprechen beginnen, da schalt ihn die Stimme erneut: "So, so! Jetzt ist aber Schluss mit den Anstrengungen! Der Unfall war gewiss genug schlimm." - Ein Unfall also. Was war bloss passiert? Anscheinend sah man ihm die Fragen an, denn nun trat eine sonderbar gekleidete, aufgeweckte, junge Frau in sein Blickfeld und musterte ihn besorgt. "Ich werde Ihnen eine kleine Geschichte erzählen, dann kommen Sie vielleicht auf andere Gedanken. Ihre Geschichte erfahren Sie so oder so früh genug." Sie setzte sich zu ihm ans Bett und seine Gesichtszüge entspannten sich. Zufrieden fuhr sie fort: "So ist es schon besser und nun hören Sie zu." "Kennen Sie das Gefühl, nicht sicher zu sein, ob Sie nun träumen oder ob Sie das nun real erleben? Genau um dieses Thema dreht sich meine kleine Geschichte: Ein stattlicher junger Mann, nennen wir ihn James, zog eines sonnigen Tages in seine neue Wohnung ein. Da er nicht so viel verdiente, hatte James sich günstigere Wohnungen anschauen müssen. Doch keine hatte ihm so gut gefallen, nicht zuletzt ob der guten Lage. Der einzige Haken, den er finden konnte, war, dass diese Wohnung ein möbliertes Zimmer hatte, welches er übernehmen musste. Dieses durfte er zwar benutzen, musste aber die Einrichtung so lassen, wie er sie vorgefunden hatte. Also erfreute er sich ob dieser günstigen Gelegenheit einer tollen Wohnung und richtete sich sein Reich ein. Nach ein paar Monaten Eingewöhnungszeit wollte er sich das möblierte Zimmer genauer anschauen. Da er nicht vorhatte, etwas zu verändern, hatte er auch keinerlei Bedenken. Das Zimmer war nicht gross, etwa quadratisch und hatte eine schlichte Einrichtung. Es sah aus wie eine kleine Bibliothek. An der Tür gegenüberliegender Wand prangte ein grosses Bücherregal. Daneben in der rechten Hälfte des Raumes standen ein paar bequeme Sessel. Zudem war in der linken Ecke noch ein kleiner Schreibtisch, welcher mit ein paar Schriftstücken bedeckt war. Das seltsamste am ganzen Raum waren eigentlich nur die verschiedenen Bücher. Solche Titel hatte James noch nie gesehen. Er konnte auch nicht alle entziffern, da sie anscheinend in Schriften geschrieben wurden, welche er nicht lesen konnte. Dann gab es auch noch solche, welche er zwar entziffern konnte, aber den Sinn der Worte absolut nicht verstand. Staunend über solche Vielfalt von unterschiedlichen Werken verharrte er eine Weile vor dem Bücherregal und entschloss sich schliesslich, etwas mehr erfahren zu wollen. Vom leuchtenden Buchrücken eines grösseren Buches angezogen, streckte er seine Hand aus und zog es langsam aus seinem Standplatz. Zu seiner Freude verstand er sogar, was da geschrieben stand: Weltreisende. "Toll", dachte er bei sich und schlug die erste Seite auf, "ich wollte schon immer mal die Welt bereisen." Interessiert fing er an zu lesen, doch mit der Zeit merkte er, dass er und das Buch nicht dasselbe unter "Weltreisende" verstand. Verwundert blätterte er ein bisschen weiter nach hinten. Was sich nun da zeigte, verwirrte ihn nun vollends. Anscheinend befasste sich diese Lektüre mit dem Reisen zwischen verschiedenen Welten. Genau genommen war es eine Beschreibung der Welten im All und vielleicht auch anderswo sowie eine Art Anleitung. Er als bodenständiger Mensch konnte sich das also weniger vorstellen, obwohl er eine gute Vorstellungskraft besass. Doch nun hatte ihn die Neugier gepackt und begierig auf mehr Wissen verschlang er das Buch regelrecht. Ein paar Stunden später klappte er die letzte Seite um und stellte das Buch an seinen Platz zurück. Leise schloss er die Zimmertür und ging seinem gewohnten Alltag nach. James musste das Ganze also erst mal verdauen. Lange hielt er es jedoch nicht aus und ein paar Wochen später betrat er das Zimmer erneut, suchte das Buch und schlug es auf. Beim Lesen stiess er schliesslich auf die Anleitung, mit welcher man zwischen den Welten pendeln konnte. Fasziniert saugte er die Worte in sich auf und schloss die Augen, um sie sich zu verinnerlichen. Als er die Augen allerdings wieder öffnete, traute er sich derselben kaum. Das Zimmer war verschwunden und er befand sich auf einer Waldlichtung umgeben von hohen Bäumen. James presste die Augen zusammen, öffnete sie wieder und blinzelte noch ein paar Mal, aber das Bild änderte sich nicht mehr. Nicht genug von der räumlichen Änderung war zudem auch das Buch verschwunden. Langsam schlich sich die Panik heran. Doch er schüttelte sie ab und begann die neue Welt zu erforschen. James schlenderte nun also den Waldweg entlang und sein Blick schweifte umher. Plötzlich sah er an ein paar Baumstämmen eigenartige Einkerbungen. Verwundert trat er näher und inspizierte den Baum von den Wurzeln bis in die Baumkrone. Als er schliesslich nach oben sah, verschlug es ihm fast den Atem. Über die ganze Baumkronenfläche breitete sich eine kleine Stadt aus. Neugierig erklomm er die endlosen Stufen und kam schliesslich oben an. Von da konnte er das ganze Ausmass der kleinen Baumstadt sehen. Sie schien sich endlos hinzustrecken und an den "Häusern" waren frühlingshafte Dekorationen aus Blüten und Blättern zu erblicken. Er verspürte jäh einen Lufthauch und bildete sich ein, kleine, flinke Wesen zu erhaschen. Von winzigen Augenpaaren fühlte er sich beobachtet und kletterte daher rasch wieder auf den Waldboden hinunter. Nun joggte er durch den Wald und kam unerwartet auf eine grosse Wiese, welche an einen See grenzte. Durstig bewegte er sich darauf zu und wollte sich gerade erfrischen, als ihm das Wasser buchstäblich im Hals stecken blieb. Im durchsichtigen, klaren Wasser sah er grosse Luftblasen, in welchen er verschiedene Einrichtungen sah. Eine kleine Stadt zog sich über den ganzen Seegrund dahin. Fasziniert betrachtete er eine Weile die verschiedenen Wohnheime und sah manchmal ganz verschwommen kleine Gestalten. Leider konnte er sie nicht näher erkennen. So machte er sich nach einer Weile wieder auf zur weiteren Besichtigung dieser ihm neuen, andersartigen Welt. Nach einer längeren Wanderung kam er schliesslich wieder in einen Wald, welcher sich aber grundsätzlich vom ersten unterschied. Dichte herrschte hier vor. Die Baumstämme waren wie zusammengestellt worden und überall sammelte sich Laub an. Sogar einige Baumstämme waren mit Laubblättern bedeckt und James wunderte sich schon, bis ihm plötzlich dämmerte, dass sich das Laub gar nicht zufällig so ansammelte. Einer Eingebung folgend trat er näher an eine Baumgruppe heran und prallte entsetzt zurück. Grosse, überdimensionale Augen sahen ihn durch einen Spalt an und verfolgten ihn auf Schritt und Tritt. Stolpernd und so schnell es ging durchquerte er nun den restlichen Wald und sah überall nur dunkle, leuchtende Augenpaare, welche ihm folgten. Erleichtert sah er das Ende des Waldes und purzelte in weiches, nasses Weiss. Überrascht hob er den Kopf, setzte sich auf und liess staunend den Blick schweifen. Vor ihm breitete sich nun eine winterliche Landschaft aus. Schneeübersäte Hügel zogen sich bis ins Tal, in welchem sich etliche Iglus auf Eisschollen befanden. Schlotternd trottete James nun Richtung Tal, um die Igludörfer näher zu inspizieren. Manchmal warf er einen Blick zurück, nur um seine Spuren im Schnee zu betrachten. Ein bisschen wirr war ihm jetzt im Kopf. Doch er gab nicht auf und kam schliesslich im Tal unten an. Leider war es menschen- (oder wesen-) leer. Trotzdem wollte James mehr erfahren und versuchte ins Innere eines Iglus zu linsen. Ausser weiss sah er da aber nichts und zudem war er langsam hungrig und durstig. Seine Beine schleppten ihn Richtung Dorfplatz. Dort liess er sich auf den Boden fallen und vergrub den Kopf in seinen Armen. James schloss seine Augen und versuchte sich an das Buch zu erinnern, da ihn so langsam Heimweh überkam. Lärm liess ihn schliesslich wieder hochschrecken. Fast wäre er danach vom Sessel gefallen, denn tatsächlich befand er sich wieder im kleinen, möblierten Zimmer in seiner Wohnung. Sein Blick fiel auf die aufgeschlagene Buchseite, wo von vier Jahreszeiten die Rede war. Schnell liess er das Buch zuschnappen, räumte es weg und verschloss die Zimmertür hinter sich. Hatte er das nur geträumt oder war es Wirklichkeit? Gab es tatsächlich andere Welten mit anderen Wesen? War so etwas wie Magie möglich? James konnte die Fragen in seinem Kopf im Moment nicht beantworten. Vielleicht eines Tages, aber nicht zu diesem Zeitpunkt." Die junge Frau hob ihren Kopf und blickte ihn an. "Nun, wie hat Ihnen meine Geschichte gefallen? Was meinen Sie dazu? Antworten Sie nicht, denken Sie darüber nach." Dann glättete sie ihr grünes Gewand und stand auf. Er schaute sie nachdenklich an und nickte dann nur zustimmend. Darüber musste er wirklich erst nachdenken. Müde schloss er die Augen. Leise huschte sie zur Tür und schloss sie hinter sich. Dann ging sie den Gang hinunter und stieg die Treppe zum fünften Stock hinauf. Einen Kaffee hatte sie sich jetzt wirklich verdient.