4. Platz: Rihkar, Gryffindor - Einsendung von Rihkar, Gryffindor 4. Platz
Bild zu dieser Geschichte von Isis, Ravenclaw  4. Platz Rihkar, Gryffindor Babbelhäschen und sein schnatternder Stummelschwanz „Babbelhäschen“, rief seine Mutter, und Babar wäre am liebsten im Erdboden versunken. Da das leider nicht möglich war, duckte er sich hinter eine Schneewehe und hoffte, dass sie ihn nicht sah. Wieder einmal wünschte er sich ein weißes Schneehasenfell herbei. „Babbelhäschen“, rief sie erneut, und diesmal klang es beinahe enttäuscht. „Onkel Rhabarber wartet doch!“ Onkel Rhabarber, natürlich. Schlimm genug, dass Babar schon nach ihm benannt worden war. Konnten Eltern ihren Kindern nicht vernünftige Namen geben? Konnten sie sich nicht angewöhnen, sie wenigstens bei dem bevorzugten Namenskürzel zu rufen? Mussten sie den Namen auch noch verniedlichend verunglimpfen? Babar schüttelte angewidert den Kopf. Er hasste den Namen Babbelhäschen und hoffte sehr, nicht als solcher in die Geschichte eingehen zu müssen. In die Geschichte eingehen würde er, da war sich Babar ziemlich sicher. Aber in keiner der unter Hasen anerkannten Berufsklassen. Er hatte nicht vor, Leichtathlet zu werden, wie sein Bruder Bunnyhäschen. Oder Möhrenzüchter, wie sein Onkel Schwarzohr. Oder Salattester, wie seine Cousine Lena. Und auf gar keinen Fall würde er Abhörspezialist werden, wie Onkel Rhababer. Egal, wie sehr seine Mutter das auch wollte und egal, wie anerkannt der Beruf auch sein mochte. Babar war für die meisten nur ein Nichtsnutz, der sich nicht entscheiden konnte. Dabei hatte sich Babar bereits lange entschieden. Er war ein Künstler. Und er würde es ihnen allen noch zeigen. Ein Windstoss hätte ihn beinahe in sein Versteck zurückgezwungen. Eiskalte Luft fuhr schneidend in sein Fell, in dem sich bereits kleine Eiskristalle festsetzten. Babar fröstelte. Was für ein Wetter, und das Ende März! Eigentlich hätte es Frühling sein sollen! Bibbernd hoppelte er weiter. Auf halbem Weg begegnete er dem einzigen Hasen, den er in sein Geheimnis eingeweiht hatte. „MorgenBaba“, grüßte Stummelschwanz, wie immer mit dem Mund voll Schokolade und wie immer trotzdem noch so schnell, dass die einzelnen Wörter miteinander verschmolzen. „Wiestehtsdennnso? HeutdergroßeTagnicht, schonaufgeregt?“ „Ja und ja“, antwortete Babar und achtete darauf, jedes Wort einzeln zu betonen. Er wollte Stummelschwanz ein gutes Vorbild abgeben. „Wannwirstdusdennvorführen? Morgen? Übermorgen? Ichbinsoaufgeregt,ichkannskaumerwarten!“ Während er Babar folgte, schnatterte Stummelschwanz munter weiter. Am Zaun angelangt, sah sich Babar erst nach allen Seiten um, bevor er sich durch die Kuhle zwängte, die er darunter durch gegraben hatte. Er wollte auf keinen Fall, dass der bösartige Hund, der hier lebte, sie womöglich bemerkte. „Pst“, versuchte er Stummelschwanz zu warnen. „Achderblöde Kötersiehtundhörtehnix. LiegtdenganzenTagrumundschläft. FaulwienKarnickel.“ Er klang wie ein Maschinengewehr. Und wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, meldete sich mit einem grollenden, tiefen „Wau“ der Hund. „Was war das?“, fragte Stummelschwanz, zum ersten Mal in vernünftigem Tempo. „Lauf!“, antwortete Babar, der bereits selber Haken schlagend losflitzte. Die Luft brannte in seinen Lungen, als er durch die Katzenklappe in der Schuppentür sauste. Sekunden später folgte ihm eine ziemlich große, schwarze Nase, die witternd die Luft einsog, aber gleichzeitig feststellen musste, dass die Klappe für den ihr folgenden Körper nicht groß genug war. Babar seufzte erleichtert. Wieder einmal war er in Sicherheit. Stummelschwanz würde sicher auch bald eintreffen, als Schneehase war es ihm bei dieser Witterung ein leichtes, sich zu verstecken. Babar blickte sich im Schuppen um. Er hatte lange nach einem vernünftigen Platz für seine Arbeit gesucht. Schließlich hatte er ihn hier gefunden. Das leicht schräg einfallende Licht beleuchtete das Heu und Stroh auf den ehemals bewohnten Hühnerbrettern, drang aber nicht ganz nach unten vor, so dass der Ort etwas Geheimnisvolles hatte. Hier hatte Babar seine Kunstwerke nicht nur bemalt, sondern auch ausgestellt. Es waren inzwischen ein paar hundert. Er hatte eine Weile mit verschiedenen Bemalstoffen herumexperimentiert, bevor er bemerkt hatte, dass Kalkschale die Farben einfach am schönsten wirken ließ. Und so hatte er Eier bemalt. Jedes auf eine andere Weise. Er hatte kleine Serien erstellt, Eier mit geometrischen Figuren, marmorierte Eier, Eier mit Pflanzen und Landschaften. Er hatte auch Eier mit Illustrationen aus seinen Lieblingsgeschichten versehen. Der Ritter und der Hase. Die Häschenschule. Hase und Igel. Letztere mochte er nur, weil sie die Leichtathleten auf die Schippe nahm. Mit dem Quietschen der Katzenklappe kam Stummelschwanz herein. „Wow“, sagte er bei dem Anblick. „Ichwusstenich,dassessovielewaren.“ Stummelschwanz hatte während des langen Winters für Babar die Eier besorgt. „Ja“, antwortete Babar. „Abereinesfehltnoch“, erwiderte Stummelschwanz und zog ein einzelnes Ei aus seinem Fell. Babar erkannte es sofort. Es war sein erstes Ei gewesen, das Ei, das er seine Mutter geschenkt hatte. Sie hatte nur von Zeitverschwendung geredet und einen Termin mit Onkel Rhabarber vereinbart. Ihr Sohn sollte schließlich einen ehrbaren Beruf erlernen. Babar setzte das Ei mit größter Vorsicht in die Mitte seiner Ausstellung. Es thronte auf einem umgedrehten Stapel Heu. „Fertig“, nickte Stummelschwanz anerkennend. „Fertig“, antwortete Babar. „Wannwirstdusdenanderenzeigen?“, fragte Stummelschwanz. „Morgen“, erwiderte Babar und seufzte. Morgen würde sich entscheiden, ob ein Hase auch als Künstler Zukunft hatte. Babar schlief schlecht. Am Nachmittag hatten er und Stummelschwanz alle Hasen der Umgebung eingeladen. Keiner wusste genau, was Babar ihnen zeigen wollte, aber alle waren neugierig. Am nächsten Morgen versammelte sich die Hasengemeinde vor dem Zaun. Onkel Rhabarbers Warnungen wurden geflissentlich überhört. Der Alte wollte den Hund gehört haben, der ganz in der Nähe umher streunte. In kleinen Gruppen wurden die Hasen durch Babars Loch geschleust und versammelten sich am Schuppen. Babar wollte gerade zu einer kleinen Ansprache ansetzen, als ein tiefes Bellen direkt neben ihm ihn alle Worte vergessen ließ. Verängstigt stoben die Hasen auseinander, als die Bestie zwischen sie fuhr. „Hinein!“, wies Babar die Hasen an und zeigte auf die Katzenklappe im Schuppen. Der Hund aber war schneller. Babar setzte alles auf eine Karte und sprang dem Hund auf den Rücken. Mit seinen Hauern biss er sich in dessen rechtem Ohr fest, so dass der Hund aufjaulte und von seinem Opfer, einem entfernten Verwandten von Babar, abließ, um Babar abzuschütteln. Babars Zähne rissen ein Stückchen Ohr mit, als er hart auf den Boden aufschlug und benommen liegen blieb. Irgendetwas Kleines, Weißes stieß ihn zur Seite, so dass die zuschnappenden Reißzähne nur einen Büschel seines braunen Fells erwischten. Stummelschwanz schupste ihn auf die Beine und irgendwie gelang es dem kleinen Schneehasen, ihn in den Schuppen zu bugsieren. Als er sich mühsam aufrichtete, brandete ihm ein fremdes Geräusch entgegen. Es klang nach Begeisterung. Nach Applaus. „Gut gemacht“, gratulierte Lena. „Mein Babbelhäschen“, rief seine Mutter und umarmte ihn, „ich bin ja so stolz auf dich!“ Babar wurde von allen Seiten beglückwünscht und umarmt, während ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg. Sein Herz setzte für einen Schlag aus, als sein Onkel das Wort ergriff: „Das sind wirklich hervorragenden Arbeiten, Rhabarber.“ Der alte Rhabarber drehte eines der bunten Eier in der Hand. „Haben sie einen Namen? Jeder Künstler gibt seinem Werk einen Namen!“ Babar schluckte. Darüber hatte er nicht nachgedacht. Während die anderen Hasen jetzt mit Ahhhs und Ohhhs die Eier bewunderten, kam sich Babar mal wieder wie ein Amateur vor. „Aberklar“, rief da Stummelschwanz, „sie heißen Ostereier!“ „Ein guter Name!“, meinte Onkel Rhabarber und nickte anerkennend. „Die werden bestimmt mal ein Verkaufsschlager!“ Babar konnte nur noch erleichtert nicken.